Die Allmacht Gottes offenbart sich vor allem in der Vergebung und der Barmherzigkeit", schreibt Thomas von Aquin. Die Beichte ist der größte Akt des Staunens, der Befriedung und der Freude. Man kann es mit zwei Worten ausdrücken: Vertrauen und Barmherzigkeit. Die heilige Thérèse von Lisieux hat das sehr genau erkannt: Darin besteht ihre theologische Genialität.
Ich entdecke, daß mich der Vater erwartet. Vor mir steht Gott als Bettler da, der mich ruft, Ihm zu antworten. Diese Gegenseitigkeit, diese Liebesbeziehung zwischen Gott und dem Menschen findet man nur im Christentum. Weder der Buddhismus, der Shintoismus oder der Taoismus kennen diese Gegenseitigkeit, denn für sie ist Gott oder das Göttliche keine Person. Was den Islam betrifft, so widerstrebt ihm aufs Heftigste auch nur die Andeutung der Vorstellung, daß es zwischen Gott und seinem Geschöpft eine Austauschbeziehung geben könnte.
Das Bußsakrament - das ist jedenfalls meine Überzeugung - ist eine wunderbare Chance für die Kirche insbesondere im ökumenischen und interreligiösen Gespräch. Dieses Sakrament verbindet das Größte im Geheimnis Gottes, nämlich die Liebe, die eine neue Kraft zu lieben erschafft, und das Zerbrechlichste im Geheimnis des Menschen, nämlich die Sünde.
Im Angesicht der Frage nach dem Bösen, die in jeder Religion auftritt, haben wir die Antwort der Barmherzigkeit. Wenn wir sie nicht verkünden, können die anderen Religionen uns sagen: Warum habt ihr diesen Schatz vor uns verborgen? Vielleicht liegt da die größte Herausforderung für unser Jahrhundert. Der Schlüssel für den Ökumenismus - das ist die Barmherzigkeit.
Ich habe den Eindruck, daß wir in eine große Zeit eintreten, was das Bußsakrament betrifft.
P. Bernard Pro
Aus einem Interview mit P. Bernard Pro, Dominikaner und Autor mehrerer Bücher, in Famille Chrétienne v. 6.4.2000