VISION 20005/2006
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Damit Europa überlebt

Artikel drucken Kritik an der vorherrschenden Politik des Niedergangs

Wahlkampf ist's in Österreich. Eine mit sich zufriedene Regierung führt dem Land vor Augen, wie gut es ihm eigentlich gehe, und eine Opposition, die an die Macht drängt, malt die Schrecken an die Wand, die Österreich ohne Kurswechsel ins Haus stehen. Und dennoch: Die für eine gedeihliche Zukunft wirklich entscheidenden Fragen bleiben - wie üblich - au sgeblendet.

Wer sich jedoch für diese Fragen interessiert, dem sei das Buch von Heinrich Wohlmeyer Globales Schafe Scheren - Gegen die Politik des Niedergangs empfohlen. In drei Schritten setzt sich der Autor - er war sowohl führend im Unternehmensmanagement wie in Forschung und Lehre tätig - mit grundlegenden Aspekten des Weltwirtschaftssystems auseinander: einer ausführlichen Situationsanalyse folgt eine Bewertung der Lage aus christlicher Sicht, an die sich ein umfassendes Konzept von Überlebensstrategien schließt.

Es ist gar nicht so einfach, aus der Fülle des Materials auszuwählen. Ich greife also einiges heraus, was mir besonders wichtig an der Analyse erscheint: Da ist etwa das Phänomen, daß die Politik de facto abgedankt habe. Bei Wahlen werde zwar der Eindruck erweckt, es gehe um Weichenstellungen. Tatsächlich aber verwalte die Politik überwiegend die Interessen der großen Wirtschaftsakteure, die in internationalen Vereinbarungen festgeschrieben sind, meint Wohlmeyer. Welche Macht da im Spiel ist, wird deutlich, wenn man liest, daß die 500 größten transnationalen Konzerne 52 Prozent aller erzeugten Güter kontrollieren.

Ausführlich geht der Autor auf die unhaltbare Situation des vorherrschenden Finanzsystems ein: das nicht durchhaltbare Zinseszins-System, die Verselbständigung der Finanzmärkte (“Der Devisenmarkt alleine schlägt täglich rund 2.000 Milliarden Dollar um" - 30 Mal mehr als die Transfers des Welthandels), das Ausufern von unfaßbar großen Kapitalien, die sich meist weitgehend der Besteuerung entziehen, die zunehmende Unfinanzierbarkeit der öffentlichen Budgets...

Besonders schwer wiege die Unfähigkeit der Gesellschaft, aus Erfahrungen zu lernen, Kurskorrekturen durchzuführen. Offenkundige Bedrohungen wie die unzähligen ökologischen Gefährdungen, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, die Unfinanzierbarkeit der sozialen Sicherungssysteme würden verdrängt, ja vielfach von einer willfährig gemachten Wissenschaft relativiert oder sogar geleugnet.

Insgesamt entstehe ein Klima wachsender Perspektivelosigkeit, die zur inneren Aushöhlung der Gesellschaft führe. Weit und breit fehle die ethische Basis. Europa verabschiede sich von seinem geistigen Fundament, der Botschaft Christi und verliere damit den Kompaß, der den Weg aus der Misere weisen könnte.

Das Ergebnis dieser Verleugnung: “Das sinnentleerte Nachäffen der USA". Mit der Festlegung der Lissabon-Ziele sei der Götze Effizienz zum Wegweiser der EU geworden. Wer aber die Nützlichkeit zum obersten Wert erhebt, der öffne den Weg “zur inneren Brutalisierung" und in eine “heimatlose Gesellschaft".

Gibt es einen Ausweg? Ja, meint Wohlmeyer, aber nicht ohne “Änderung der Grundhaltungen", ohne Wiederentdeckung und Aufwertung der geistig-kulturellen Basis Europas. Für Christen eine vertraute Botschaft: Ohne Umkehr kein Leben.

Auf gut 100 Seiten führt der Autor dann aus, daß eine solche Neuausrichtung durchaus auf bewährte Konzepte zurückgreifen könne. Vor allem gehe es darum, sich von der Maßlosigkeit abzuwenden. Eine Gesellschaft mit Überlebenschance müsse nach den “Maßen des Raumschiffes Erde", den “Maßen des Passagiers Mensch", den “Maßen hinter den Dingen" gestaltet sein. Dieses Maßhalten müsse sowohl im Geldwesen, wie im Welthandelssystem umgesetzt werden. Konzepte und Spielregeln, die zu einem entsprechenden Wandel beitragen können, werden ausführlich dargestellt.

Als einen Schlüsselbereich sieht Wohlmeyer den Energiesektor an: ein Umstieg auf erneuerbare Energie sei unvermeidlich. Die entsprechenden Techniken seien verfügbar, jedenfalls in Reichweite, man müsse sie und ihren Einsatz nur endlich gezielt fördern. Ein großes Anliegen ist dem Autor auch die Erhaltung der landwirtschaftlichen Basis Europas. Dies gehöre zur notwendigen Überlebensstrategie. Gerade in einer Zeit, in der so viel von Krisen, Terror und Systemstörungen geredet wird, sei es unverantwortbar, auf wirtschaftlicher Ebene die Krisenvorsorge (bei Nahrung, Energie und lebenswichtigen Gütern) auszublenden.

Wie eine solche Wende zustandekommen könnte? Wohlmeyers Antwort: “Es ist jener sanfte Aufstand und Aufbruch gefragt, den uns der verstorbene Papst Johannes Paul II. zuerst in Polen und dann am Heiligen Stuhl vorgelebt hat."

CG

Globales Schafe Scheren - Gegen die Politik des Niedergangs. Von Heinrich Wohlmeyer. Edition Vabene, Wien-Klosterneuburg 2006, 404 Seiten, 24,90 Euro.

Diese und andere Bücher können bezogen werden bei: Christoph Hurnaus, Waltherstr. 21, 4020 Linz, Tel/Fax: 0732 788 117; Email: hurnaus@aon.at

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