VISION 20003/1999
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Vergebung erfahren

Artikel drucken Jede Beichte legt meine Berufung besser frei (Gertraud Pflügl)

Gott will uns nicht in unserer Schuld und der oft damit verbundenen seelischen Not lassen. Er kommt uns in der Beichte entgegen, weil Er ein Herz hat, das von Liebe brennt.

Daß Gott uns liebt, das bezweifelt kaum jemand, aber manche fragen sich, ob die Beichte (noch) einen Sinn hat. Ich denke, daß dieses Sakrament sinnvoll ist, noch mehr: daß es unentbehrlich ist. Wieviel seelische Not hat ihre Ursache in einer Schuld, die nicht mehr gutgemacht werden kann!

Die verschiedenen medizinischen Therapien können seelische Not zwar lindern, aber kaum von Grund auf heilen, denn sie können die Ursache dieses Leides nicht beseitigen. Kein Arzt, kein Mensch, kann uns von unserer Schuld befreien. Nur Gott kann in der Person des Priesters von Sünde lossprechen. Der Arzt muß sich in einem solchen Fall auf Symptombekämpfung beschränken, was zweifellos unbefriedigend ist.

Beim Sakrament der Beichte kommt es auf die Liebe an. Wer Gott liebt, dem verzeiht er alles wenn er es ehrlich meint. Eine Umkehr ist immer möglich, egal, wie viel einer gesündigt hat oder was einer getan hat.

Über Maria Magdalena sagt Jesus: "Ihr sind ihre vielen Sünden vergeben, weil sie so viel Liebe gezeigt hat." (Lk 7,47) Ihre große, brennende Liebe und ihre radikale Umkehr führten sie ganz nahe zu Christus. Er machte ihr ein Geschenk, das dem Grad ihrer Liebe entsprach: Sie durfte ihm als erste vor allen anderen am Ostermorgen begegnen. Maria Magdalena mußte bei ihrer Bekehrung viel Mut und viel Glauben aufbringen. Damals war es noch üblich, die Schuld öffentlich zu bekennen.

Wir haben es relativ leicht: Im Beichtstuhl oder im Aussprachezimmer zu bekennen, ohne den Blicken der anderen ausgesetzt zu sein, erfordert nicht so viel Mut. Es gibt neben der Beichte auch andere Möglichkeiten, sich mit seiner persönlichen Schuld auseinanderzusetzen (Bußandachten), doch nur in der Beichte werden die Sünden vergeben. Nirgends sonst.

Durch dieses Sakrament ist uns für immer die Möglichkeit gegeben, zu Christus zu kommen und Seine Vergebung zu erfahren. Das klare Schuldbekenntnis und die Lossprechung durch den Priester machen die Beichte zum einzigen Mittel, das uns die vollständige Gewißheit der Verzeihung durch Gott zu geben vermag. Manche halten es für übertrieben, die Schuld aussprechen zu müssen, mit der Begründung, daß Gott ohnedies alles von uns weiß. Das stimmt: Denn daraus können wir ersehen, daß nicht Gott unser Bekenntnis braucht, sondern wir selber.

Wir neigen zur Oberflächlichkeit und sehen uns nicht gern ehrlich mit unseren Fehlern. So kommen wir kaum zu einer guten und klaren Selbsterkenntnis und damit zu keiner guten Selbsteinschätzung. In der Beichte werden wir mit unseren Fehlern und unserer Schuld konfrontiert. Das ist ernüchternd. Gott läßt es aber nicht bei der Ernüchterung bewenden. Er möchte uns gerade dort, wo wir unsere Schwächen haben, mit seiner Liebe zu Hilfe kommen. Wo ich wenig Kraft - man könnte sagen: eine Einbruchstelle - habe, genau da kann Gott Seine Liebe hineinfließen lassen und die Einbruchstelle mit Seiner Gnade auffüllen. Wahrscheinlich liegt gerade da, wo wir unseren Hauptfehler (Hauptschwäche) haben, unsere größte Stärke verborgen: die Hauptaufgabe, die Hauptgnade. In der Beichte legt Gott diese Berufung in uns frei.

Mit jeder Beichte wird diese Berufung mehr und mehr freigelegt. Die Hindernisse, die uns von Gott trennen, werden so Stück für Stück weggeräumt. Deshalb ist es sinnvoll, regelmäßig zur Beichte zu gehen und nicht nur von Zeit zu Zeit oder ganz selten einmal.

Gott nahekommen - wer will das nicht? Seine Liebe aufnehmen können und Geborgenheit erfahren - wer wünscht sich das nicht? Regelmäßiger und häufiger Empfang des Bußsakraments ist das sicherste Mittel, um Gott nahezukommen und heilig zu werden. Heilig? Ich? Das erscheint Ihnen vielleicht ungewöhnlich. Aber: Warum nicht?

Ich kann mir nicht vorstellen, daß Gott nur zu ein paar seltenen Exemplaren einen guten Draht haben möchte und für alle anderen nur stiefmütterliches Service übrig hat.

Ein Heiliger hat einen ständigen lebendigen und persönlichen Kontakt zu Gott und er vertraut sich ihm blind an in allen Situationen seines Lebens. Sehnen Sie sich nicht auch danach?

Der Empfang des Bußsakraments vermehrt unsere Sehnsucht und befähigt uns zunehmend, Gott und seine Liebe aufzunehmen - vorausgesetzt, daß wir innerlich mitwirken. Es geht nicht so sehr darum, etwas zu tun und zu leisten, oder schon "wer" zu sein im christlichen Leben.

Es geht vielmehr darum, offen zu sein für Gott. Nicht wir sind es, die Gott zuerst etwas geben, sondern zuerst will Er uns etwas geben: Seine Liebe und Seine Gegenwart. Wenn wir das erfahren haben, drängt es uns von selbst, Gott etwas zu geben und etwas für Ihn zu tun.

Gertraud Pflügl

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