VISION 20003/1999
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Die Wirtschaft neu ordnen

Artikel drucken Wenn die Armen ärmer und die Reichen reicher werden (Adolf Paster)

Du veranstaltest heuer einen Kongreß, der sich mit den Prinzipien einer neuen Wirtschaftsordnung auseinandersetzt. Das ist doch nicht Dein ursprüngliches Fachgebiet. Wie kommst Du zu diesem Themenkreis?

Adolf Paster: Begonnen hat alles mit dem Jahr 1969. Damals war ich Generalbevollmächtigter für die "Neue Bildpost" in Österreich. Der Biafrakrieg strebte seinem Höhepunkt zu. Man wußte schon, daß die Biafraner unterliegen würden. Die Nigerianer versuchten, sie auszuhungern. Von der "Bildpost" aus haben wir eine Spendenaktion für Biafra gestartet. Einen Teil der Mittel haben wir durch Vermittlung von Aaron Ekwu, einem biafranischen Priester, der damals in einer Wiener Pfarre gewirkt hat, in dessen Heimatort eingesetzt. Wir haben uns getroffen. Und je länger Ekwu erzählt hat, umso klarer wurde mir, daß dieses wenige Geld, das ich ihm da geben wollte, den Problemen wirklich nicht gerecht wurde.

Blieb es also nicht bei dieser einmaligen Hilfsaktion?

Paster: Aus Aarons Erzählungen war zu erkennen, daß es drei große Problemkreise in seiner Heimat gab: der enorme Hunger (von den 14 Millionen Ibos seiner Heimat sind ja damals fast zwei Millionen verhungert), Arbeitslosigkeit und enorme Bildungsdefizite. So entstand der Plan, etwas für sein Heimatdorf zu unternehmen, nämlich eine Musterfarm zu gründen. Das verschafft den Leuten Arbeit, etwas zu essen und vermittelt ihnen Kenntnisse davon, wie man moderne Landwirtschaft betreibt. Ekwu wurde bald darauf von seinem Bischof nach Hause berufen. Heimgekehrt begann er mit den Vorbereitungen für die Farm. Rund 750 Hektar Grund standen zur Verfügung. 13 Leute wurden "angestellt", 13 Hektar Grund wurden gerodet, ein Hühnerstall gebaut... Ich habe in Österreich Geld gesammelt, bin mit einer Dia-Show von Ort zu Ort gezogen. Die Reaktion war unglaublich. Um dieser Aktion einen rechtlichen Rahmen zu geben, haben wir einen Verein gegründet, "hifa" ("Hilfe für alle"). So begann die Musterfarm Gestalt anzunehmen. Wir haben mit ihr sicher einigen hundert Leuten in Owerre-Ezukala, dem Heimatdorf Aarons, das Leben gerettet. Sie wurden im Rotationsprinzip beschäftigt, insgesamt rund 750, meist als Tagelöhner.

Macht es Sinn aus der Ferne eine Dauerförderung zu geben?

Paster: Wir haben mit den Jahren gemerkt: Die Projekte müssen von den Einheimischen selbst ausgehen. So haben wir mit der Zeit eine Reihe von landwirtschaftlichen Projekten unterstützt, denn die dortigen Banken haben den Bauern keine Kredite gewährt und die Regierung hat sie bis vor kurzem auch nicht gefördert. Bald wurde ein weiteres Problem akut: Die Menschen konnten ihre Kinder wegen fehlender Mittel nicht in die Schule schicken. So haben wir eine sehr erfolgreiche Patenschaftsaktion (über 11.000 Jahres-Schul-Patenschaften) gestartet. Nur so konnten die Armen ihre Kinder in die Schule schicken.

Und finden sie nach der Schule Arbeit?

Paster: Wir standen bald vor dem Problem: Was macht man mit den Schulabgängern, die keinen Job finden? Und so entstand ein Berufsförderungsprogramm, allerdings nicht mehr auf der Basis, Gelder zu schenken. Vielmehr bekamen die Jugendliche zinsenfreie Darlehen, die sie in kleinen Beträgen zurückzahlen mußten, sobald sie Arbeit gefunden hatten. Ende der siebziger, Anfang der achtziger Jahre wurde uns - und nicht nur uns, sondern allen, die in der Entwicklungshilfe engagiert waren - klar, daß all das nicht wirklich die Probleme löste.

Man liest es immer wieder aus den Statistiken heraus: Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer...

Paster: Ja, und das trotz all der vielen Bemühungen. Es kam einfach keine selbsttragende Entwicklung zustande. Ein typisches Beispiel: Ein Farmer, dem wir ein Darlehen gegeben hatten, konnte es 1996 einfach nicht zurückzahlen. Sicher, da gab es mehrere Faktoren. Entscheidend aber war der Preisverfall - bei enormer Inflation! - der landwirtschaftlichen Produkte. Billigprodukte, mit umweltschädigenden ausländischen Technologien hergestellt, ruinieren die heimische Landwirtschaft.

Was ist die Ursache dafür?

Paster: Eine fundamentale Fehlausrichtung unserer Wirtschaftsordnung. Der Jesuit Johannes Kleinhappl hat das eindeutig aufgezeigt. Wer seine Werke liest, dem wird klar: Die Art, wie wir wirtschaften, entspricht nicht der Wahrheit. Sie mißachtet drei ganz wesentliche Kriterien:

- Markttaugliche Produkte entstehen nur durch Arbeit. Die Arbeit ist also das entscheidende Kriterium, nicht das Kapital.

- Alle Ressourcen sind von Gott gratis zur Verfügung gestellt.

- Einkommen darf es nur aus menschlicher Arbeitsleistung geben.

Die Tatsache, daß die einen immer reicher und die anderen immer ärmer werden, liegt daran, daß diese drei Wahrheiten in unserem heutigen Wirtschaften mißachtet werden. Unsere ganze Gesetzgebung wird diesen Forderungen nicht gerecht. Sie wurde ja von jenen entwickelt, die am Futtertrog gesessen sind.

Gibt es eine Alternative?

Paster: Es geht nicht darum, alles zu nivellieren. Der Markt soll durchaus den Wert der Tätigkeiten regulieren. Der freie Wettbewerb ist ganz entscheidend wichtig. Aber gerade er wird ja durch die heutige Form des Wirtschaftens quasi abgeschafft. Man denke nur an die Megafusionen, die derzeit stattfinden. Wir brauchen eine neue Wirtschaftsordnung, eine, die der Wahrheit entspricht, die Jesus Christus ist. Es geht darum, wenigstens die gesetzlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, daß die wesentlichsten Ausbeutungspraktiken unterbunden werden. Dieses Ziel anzupeilen, ist nicht utopisch. Der wirtschaftliche Druck wird spürbar täglich größer. Wir müssen uns heute schon auf eine Situation einstellen, in der neue Strukturen gefragt sein werden. Sie gilt es zu entwickeln. Und diesem Anliegen dient der internationale Kongreß, den wir im Sommer veranstalten.

Das Gespräch führt CG

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