VISION 20004/2007
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Entschiedener für die Kultur des Lebens kämpfen

Artikel drucken Gefragt: Das Zeugnis der Christen in der pluralistischen Gesellschaft

Die westliche Gesellschaft ist zutiefst in ihrem Fortbestand durch einen lebenszerstörenden Zeitgeist bedroht. Ihm entschieden entgegenzutreten, ist eine prophetische Aufgabe für gläubige Christen in unseren Tagen.

Als Erzbischof Alois Kothgasser es abgelehnt hat, das große Ehrenzeichen des Landes Salzburg aus den Händen von Landeshauptfrau Gabi Burgstaller - sie hatte das Salzburger Landeskrankenhaus für Abtreibungen geöffnet - entgegenzunehmen, werteten viele das als mutiges Zeichen für den Lebensschutz. Auch wir sind dem Erzbischof sehr dankbar für seine Entscheidung.

Dennoch sei gerade dieser Schritt zum Anlaß für eine Anfrage genommen: Wie steht es um den Widerstand der Christen zu der verheerenden Massenvernichtung ungeborener Kinder, wenn der Verzicht auf eine Auszeichnung schon als herausragende Tat gefeiert wird? Kommt da nicht erst recht zum Ausdruck, wie sehr sich die Christen - jedenfalls in Europa - damit abgefunden haben, daß sie inmitten einer Gesellschaft leben, in der das massenhafte Töten zum Alltagsgeschäft gehört? Man bedenke: Jeden Tag sterben in den EU25-Ländern mindestens 2.880 ungeborene Kinder, das sind statistisch 120 Abtreibungen pro Stunde! Es ist zum verrückt werden, wie gelassen wir das hinnehmen - ich nehme mich da keineswegs aus.

Dafür wurde nach dem Ableben von Altbundespräsident Kurt Waldheim wieder einmal heftig debattiert, ob er sich während der Kriegsjahre ausreichend gegen das nationalsozialistische Terrorregime gestellt hatte. Ein Großteil jener, die mit Waldheim ins Gericht gegangen sind, scheinen sich allerdings kaum am massenhaften modernen Kindermord zu reiben.

Ist es nicht an der Zeit, daß wir Christen uns in der Frage des Umgangs mit dem Leben deutlicher “outen"? Denn die “Kultur des Todes" - wie Johannes Paul II. das Grundprinzip der modernen Gesellschaft genannt hat - breitet sich weitgehend ungehindert aus. In Holland und Belgien ist das Töten auf Verlangen mittlerweile gesetzlich zulässig. Und die Anstrengungen, ähnliche Regelungen in anderen Ländern einzuführen, lassen nicht nach. Weitverbreitet ist auch die Praxis, in den Geburtskliniken stark behindert geborene Kinder durch Pflegeentzug nach der Geburt verdursten zu lassen.

Und mit größter Selbstverständlichkeit werden ungeborene Kinder in der allerersten Lebensphase - man kaschiert die Tatsachen mit wissenschaftlichen Bezeichnungen wie Embryo oder befruchtete Eizelle - als Rohmaterial für wissenschaftliche Forschung herangezogen. Wer dagegen Stellung bezieht, gilt als Feind des Fortschritts, als unbarmherziger, weil er damit die Entwicklung lebensrettender Präparate torpediere.

Als Christen wissen wir - und Papst Johannes Paul II. hat es uns, wie gesagt, deutlich genug ins Stammbuch geschrieben -, daß der Fortschritt einer Kultur des Todes eben in den Tod führt. Nicht in den Tod, der jeden Menschen irgendeinmal heimholt, sondern in eine Situation des nicht überlebensträchtigen Chaos, der Auflösung aller Ordnungen. Der Herr Jesus warnt uns eindringlich: “Und weil die Mißachtung von Gottes Gesetz überhandnimmt, wird die Liebe bei vielen erkalten." (Mt 24,12) Wir sind unterwegs in eine chaotische, lieblose Welt, die die Grundordnungen Gottes auflöst, eben in die Kultur des Todes.

Davor gilt es, unsere Zeitgenossen zu warnen. Daher müssen die Christen Zeichen des Widerspruchs in unserer pluralistischen Welt sein, damit diese begreift, daß nicht jede Meinung gleich wertvoll ist, daß es lebensträchtige und todbringende Wege gibt. Die Märtyrer, die verfolgten Christen sollten uns da ein Ansporn sein, aus unserer Lethargie aufzuwachen und klar Position zu beziehen.

Erinnert sei an Franz Jägerstätter, der am 26. Oktober seliggesprochen wird, an die Geschwister Scholl, Otto Neururer, P. Jakob Gapp, Sr. Restituta und viele andere, die alle in der NS-Zeit ihr Leben für Christus eingesetzt haben. Oder an den Philosophen Dietrich von Hildebrandt, der ab den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts vehement gegen den Nationalsozialismus Stellung bezogen hat und an sein Wort, daß es ihm “absolut unmöglich (war), als Katholik gegen die grauenhafte Irrlehre nicht zu protestieren... Ja, ich fühlte mich als Katholik verpflichtet, einen aktiven Kampf gegen den Nationalsozialismus aufzunehmen."

Wir sind heute dankbar für all jene Menschen, die mutig gegen das unmenschliche Nazi-Regime aufgetreten sind, die vor dessen mörderischer Logik gewarnt haben, die auf Karriere verzichtet und ihr Leben eingesetzt haben für das Zeugnis, daß es Grundwahrheiten gibt, die auf keinen Fall verletzt werden dürfen.

Auf dasselbe Zeugnis - wenn auch unter anderem Vorzeichen - haben die Menschen unserer Tage Anspruch. Wie sollen sie die Grundwahrheit mitbekommen, daß es für jeden um “Tod und Leben", “Segen und Fluch" geht (Dt. 30,19). Und daß sich die Wahl an folgendem entscheidet: “Liebe den Herrn, deinen Gott, hör auf seine Stimme, und halte dich an ihm fest; denn er ist dein Leben." (Dt 30,20)

Einer Gesellschaft, die im Sumpf der Kultur des Todes zu versinken droht - und die Christen sind ohne bewußte Entscheidung von der Gefahr, mit unterzugehen, nicht ausgenommen -, muß bezeugt werden, daß es dringend einer Abkehr von den Greueln unserer Tage bedarf - und einer Umkehr zu Jesus Christus. Er hat es uns deutlich gesagt: “Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen." (Joh 15,5)

Sobald man solche kategorische Feststellungen hört, fragt man sich sofort: Ja, was soll denn ich, der ich ohne Einfluß, ja geradezu bedeutungslos im großen Weltgeschehen bin, denn tun? Die Frage ist berechtigt und gar nicht so leicht zu beantworten.

Die verfolgten Christen und die Märtyrer geben auch da die Antwort. Es geht nicht darum, sich vorzudrängen, irgendwelche abenteuerlichen Aktionen zu starten, sich mit scharfen Angriffen in seinem Umfeld als Revoluzzer zu profilieren. Wohl aber sollte jeder an der Stelle, an der er steht, in Gesprächen Position beziehen, Zeugnis geben, Konflikten nicht ausweichen, den Mut aufbringen, verständnisvoll aber bestimmt, Irrwege als solche zu bezeichnen - und die Umkehr zu Jesus als lebensträchtige Alternative aufzuzeigen. Ein Stoßgebet zum Heiligen Geist wird dabei für die richtigen Worte, den richtigen Ton sorgen.

Europa braucht nicht eine Rückkehr zu den “guten alten Zeiten", in denen die Kirche noch etwas zu reden hatte, zum christlichen Abendland, sondern einen vom Heiligen Geist geleiteten Aufbruch in die Kultur des Lebens. Dieser Aufbruch hat übrigens schon längst begonnen: in neuen Gemeinschaften, in erneuerten Ehen, bei so vielen Jugendlichen, die sich für das Leben einsetzen, in so mancher Pfarrgemeinde und in vielen einzelnen, die im Gegenwind zuversichtlich ihre Wege an der Hand des Herrn gehen.

Christof Gaspari

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