Im Licht der der schlechten Erfahrungen mit den Heilsverheißungen der modernen Gesellschaft, erweist sich die Lehre der Päpste als prophetisch. Daher ist es an der Zeit, radikal den Kurs zu ändern.
In einer deutschen Zeitung hieß es, daß in Deutschland die Geburtenrate kürzlich einen bisher unerreichten Tiefstand mit 8,5 Geburten auf 1000 Einwohner erzielt hat. Die aktuelle Fruchtbarkeitsrate beträgt 1,36 Kinder pro Frau, diese könnte jedoch auf unter eins fallen.
Es ist höchste Zeit anzufangen, Goethes Sprache auf Kassetten aufzunehmen, denn Demographen verkünden, daß, wenn keine schnelle und energische Umkehr erfolgt, dann werden die Deutschen - mitsamt ihrer Sprache - aussterben, und zwar nach 12 Generationen; dies wäre dann ungefähr im Jahr 2300. Dieser Trend kann in fast allen modernen Gesellschaften beobachtet werden: ein kollektiver Selbstmord durch die Pille und die Abtreibung...
Die Lehren von Paul VI und anderen Kirchenvertretern hinsichtlich Abtreibung und Verhütung wurden häufig als altmodisch dargestellt. Mit der Zeit aber erscheinen diese Lehren mehr und mehr prophetisch.
Zunächst zum Thema Verhütung: Die Beziehung zwischen fleischlicher Liebe von Mann und Frau auf der einen Seite und der Offenheit für das Leben auf der anderen Seite, ist sehr tief. Das ist eingeschrieben im tiefsten Bereich unseres Seins, aber auch in unserer Psyche, wie Freud es dargelegt hat. Diese Beziehung ist unserer verantwortlichen Freiheit anvertraut.
Bei Tieren hängt die Verbindung zwischen Paarung und Fortpflanzung von der Stärke des Instinkts ab. Bei den Menschen ist es die Freiheit, die sich in einer verantwortlichen Weise darum sorgen sollte. Diese Verantwortung zeigt sich im Respekt, und nicht nur in unserer Kontrolle. In Bezug auf unsere physische Natur haben wir auf unsere Kosten gelernt, daß eine absolute Kontrolle zu ökologischen Katastrophen führt. Was können wir dann erst von unserer menschlichen Natur sagen, die ja körperlich und zugleich geistig ist?
Die Gefahr der Verhütung auf lange Sicht besteht darin, daß sie Liebe und Zeugung voneinander trennt. Dies erleben wir gerade. Auf der einen Seite wird Sex um seiner selbst kultiviert, nur auf sich selbst bezogen, abgetrennt von dem Geschenk der Liebe und führt so zur Sterilität in einen “demographischen Winter". Auf der anderen Seite wird die Zeugung von der fleischlichen Liebe zwischen Mann und Frau getrennt, mit allen Abweichungen, die sich am Horizont zeigen oder die sogar schon existieren.
Mit der Zeit versteht man die Weisheit, die in der christlichen Tradition lebt, besser, wenn sie empfiehlt, daß Mann und Frau ihre Fruchtbarkeit leben sollten, ohne den Gebrauch unnatürlicher Methoden der Verhütung. Mann und Frau sollen auf gleicher Ebene stehen und die wenigen Tage eines Monats gut kennen, in denen die Frau fruchtbar ist. Wenn zeitweise die Geburt eines Kindes vermieden werden muß, können sie dennoch eine intime Beziehung an den anderen Tagen haben. Diese Methoden sind heute gut entwickelt und zuverlässig. Neben dem ökologischen Interesse (keine Pillen zu schlucken) haben sie den immensen Vorteil, Mann und Frau zu ermutigen, sich gegenseitig kennenzulernen und miteinander zu sprechen. Gleichzeitig respektieren sie die tiefe Beziehung zwischen der Liebe und dem Geschenk des Lebens, anstatt diese zu zerstören.
Die Kirche ist auch prophetisch in der Frage der Abtreibung. Wenn wir jetzt hier sind, ist dies, weil wir respektiert wurden, als wir selbst kleine Embryonen, sehr kleine Föten, waren. Warum sollten andere jetzt nicht den gleichen Respekt genießen? Keiner würde abtreiben, kein Parlament würde Abtreibung legalisieren, wenn Abtreibung rückwirkende Effekte hätte; wenn nämlich alle jene jetzt getötet werden könnten, die nicht abgetrieben worden sind, als Abtreibung noch illegal war. Es lohnt sich, darüber nachzudenken. Möge der Kirche gedankt werden, daß sie uns hilft, so zu handeln, und uns lehrt, zugleich das ungeborene Kind und die Frau, die manchmal so sehr durch eine unerwünschte Schwangerschaft besorgt ist, zu lieben!
Propheten sind häufig solche, die vor ihrer Zeit Recht haben. Aber sie haben trotzdem Recht!
André Léonard ist seit 1991 Bischof von Namur in Belgien. Sein Beitrag wurde verbreitet über: www.europe4christ.net