VISION 20006/2007
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Keine Gewalt im Dienst des Glaubens

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Viele trauern früheren Zeiten nach, als die Kirche noch ein gewichtiges Wort in der Öffentlichkeit zu reden hatte. Angesichts der vielen Mißstände heute scheint es naheliegend, endlich dreinzufahren. Christen müßten kämpferischer sein, heißt es. Sagt nicht Jesus selbst vor Seinem Leiden: “Wer aber kein Geld hat, soll seinen Mantel verkaufen und sich dafür ein Schwert kaufen"? Dazu folgende Gedanken:

Als die Jünger Jesus daraufhin sagten, es gebe zwei Schwerter im Haus, sagte Er: “Es ist genug" (Lk 22,38). (...) Wieder einmal geben die Jünger Worten des Herrn eine rein irdische Deutung. Sie sind unfähig, das Ausmaß des sich abzeichnenden Dramas zu erfassen und daher umso weniger fähig, angemessen auf das Geschehen zu reagieren, das Jesus Seine Stunde nennt - und zugleich die Stunde der Finsternis.

Daher unterstreicht Jesus, daß die Mission jetzt ihren Charakter, ihre Natur verändert. Bisher war es friedlich zugegangen. Die Gesandten waren gut aufgenommen worden. Aber jetzt beginnt die Zeit des Martyriums, wobei der Kampf ein geistiger ist: “Denn wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen die Fürsten und Gewalten, gegen die Beherrscher dieser finsteren Welt, gegen die bösen Geister des himmlischen Bereichs." (Eph 6,12)

In diesem Zusammenhang ist es interessant festzuhalten, über welche Waffen wir da nach den Worten des heiligen Paulus verfügen: “Gürtet euch mit Wahrheit, zieht als Panzer die Gerechtigkeit an und als Schuhe die Bereitschaft, für das Evangelium vom Frieden zu kämpfen. Vor allem greift zum Schild des Glaubens! Mit ihm könnt ihr alle feurigen Geschoße des Bösen auslöschen. Nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, das ist das Wort Gottes." (Eph 6,14ff)

Die einzige Angriffswaffe in diesem Waffenarsenal ist das Schwert - aber das Schwert des Wortes: “Denn lebendig ist das Wort Gottes, kraftvoll und schärfer als jedes zweischneidige Schwert; es dringt durch bis zur Scheidung von Seele und Geist, von Gelenk und Mark; es richtet über die Regungen und Gedanken des Herzens" (Hebr 4,12).

Die Verkünder des Evangeliums dürfen also keinesfalls ein Schwert in die Hand nehmen. Ja, nicht einmal einen Wanderstab (Lk 9,3). Der Missionsauftrag lautet eindeutig: “Ich sende euch mitten unter die Wölfe" - nicht als Wölfe, die stärker als die anderen sind, sondern als Schafe.

Nicht unerwähnt bleiben darf auch die ernste Prophezeiung Jesu an Simon Petrus. Um seinen Meister zu verteidigen, hatte der Apostel nicht gezögert, sich bei der Verhaftung am Ölberg ins Getümmel zu werfen. Er ist dem Mißverständnis voll erlegen und hat einen Diener des Hohenpriesters verletzt. Da wird ihm befohlen, das Schwert in die Scheide zu stecken, und er hört die Warnung: “Die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen." (Mt 26,52)

Dieses Wort hat auch nach 2000 Jahren nicht an Bedeutung verloren. Wer auch immer Feindseligkeiten auslöst, löst damit eine unkontrollierbare Kettenreaktion von Gewalttätigkeit aus. Der Lehre der Kirche zufolge kann ein Angriffskrieg niemals gerecht sein.

Umso weniger darf Gewalt in den Dienst des Glaubens gestellt werden. Wann immer Männer der Kirche nach dem Schwert gegriffen haben, haben sie die Evangelisation verzögert und keineswegs vorangebracht. Wir mußten das stets schwer bereuen. (...)

Jesus Christus hat sich denen, die Ihn zum König machen wollten, jedesmal entzogen. Kultivieren wir also nicht unsere Nostalgie christlicher Herrschaft. Vorziehen sollten wir den Glauben der Apostel, siegreich mit nackten Händen. Und jenen der Märtyrer.

Alain Bandelier

Auszug aus “Famille Chrétienne" v. 13.-19.10.07

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