Mehr als 15 Jahre habe ich an einer unheilbaren Auto-Immunerkrankung des Darmes gelitten: Da greift der Körper sich gewissermaßen selbst an. Die Ärzte sagten mir von Anfang an, man könne da nur Symptome behandeln. In dieser Zeit wurde sehr viel für mich gebetet. Augenscheinlich aber änderte sich nichts. Es wurde immer schlimmer. Ich hatte das Ende meines Lebens schon in Sichtweite. Es war schon zu viel Darm entfernt worden.
Wieder einmal war ich für das Spital angemeldet und überzeugt, demnächst werde es zu Ende sein. Davor aber nahm ich an Exerzitien teil.
Kurz vor der Abschlußmesse kommt die jüngste Teilnehmerin auf mich zu, fast noch ein Kind. Sie will um Heilung für mich beten. Ich erschrecke. Eigentlich ersehnte ich die Heilung nicht mehr, ließ niemanden mehr an mich heran, der für mich beten wollte.
Ich hatte abgeschlossen und war damit im Frieden. Dieses Dirndl aber konnte ich nicht wegschicken, lasse also das Gebet zu, ein ganz einfaches: Ein Kreuzzeichen auf die Stirne: "Jesus heilt dich jetzt. Wenn du glaubst, bist du geheilt." Das war alles.
In dem Augenblick spüre ich: Jetzt ist etwas passiert, etwas von mir abgefallen, wie wenn mir ein Messer, das ich gegen mich selbst gerichtet hatte, aus der Hand geschlagen wird. Im gleichen Augenblick war die Liebe Gottes ungeheuer präsent. Eigentlich heilend war in diesem Augenblick das Offenbarwerden der zärtlichen Liebe Gottes: vollkommen ohne Vorwurf, daß ich meine Selbstaggression, die für diese Krankheit typisch ist, schon so internalisiert hatte.
Gott wußte, wie Er zu meinem Herzen Zugang findet: Er mußte mir ein Kind schicken.
Dieses Ja Gottes hat alles an menschlichem Nein, das jemals zu mir gesprochen wurde, weit überwogen. Und diese Begegnung mit Gott machte die Heilung aus. Sie ist bis heute gegenwärtig. Das kann man einfach nicht vergessen: Du bist eingehüllt in einen Mantel von Zärtlichkeit und Liebe. Das ist die Heilung, die Gott schenkt.
Nachdem dies passiert war, ist mir aufgefallen, daß die autoaggressiven Muster, die bei mir sonst in schwierigen Zeiten immer auftauchten, weg waren.
Was ich damals nicht wußte, war, wie sich das körperlich auswirken würde. Allerdings entdeckte man bei der Untersuchung im Krankenhaus keinerlei körperliche Symptome der Krankheit mehr. Nach drei Wochen waren auch die Schmerzen weg. Und seit einigen Jahren ist nichts mehr aufgetaucht.
Ich habe erlebt, wie die Hebel von Tod auf Leben herumgerissen wurden und mußte erst lernen, mit einer Zukunft zu leben.
Da wird deutlich, was Heilung von Christus her bedeutet: Heil werden durch Seine Liebe.
Rückblickend habe ich erkannt, daß Gott auch in der Zeit, in der die Gebete scheinbar nicht erhört wurden, viel gewirkt hat. Er hat mehr Heilung geschenkt, als ich erbitten konnte. Ich wollte ja eigentlich nur Gesundheit. Heilung aber meint mehr. Da geht es um das umfassende Heil des Menschen, ein Leben ohne Angst, ein Verankertsein im Glauben.
Heute weiß ich, daß Gott auch dann da ist, wenn ich krank bin. Er hat mich in dieser Zeit gelehrt, mit dem Kreuz umzugehen. In der Seelsorge bin ich heute dankbar für die Erfahrung mit dem Kreuz. Wie geht es Menschen mit unheilbaren Leiden? Dieser lange Weg in der Krankheit war eine ungeheuer liebevolle Zeit der Schulung.
Was ich jetzt lebe, ist eigentlich eine Zugabe, nachdem ich vor meiner Heilung mein Leben schon an Gott zurückgegeben hatte. Sofern ich jetzt noch lebe, gehört mein Leben Christus. Als ich mir das bewußt machte, wurde mir klar: Eigentlich ist das genau das, was wir bei der Taufe volllziehen.
Es ist die Lebenswirklichkeit der Christen überhaupt: Sie leben nicht für sich, sondern für Christus. Welche Freiheit! Dann brauche ich nicht mehr ängstlich um mein Leben im Diesseits besorgt sein. Gott weiß, was ich brauche, wie lange Er mich hier braucht. Ich brauche an nichts ängstlich festzuhalten. Das ist die Freiheit, in die Christus führt.
Die Heilung, die Christus schenkt, ist also kein Mirakel, sondern wahrlich ein Wunder der Liebe.
P. Clemens Pilar