VISION 20006/2007
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Wenn Forscher Gott spielen

Artikel drucken Ein Buch zum Thema Bioethik

Ein Buch, das man nicht nur kaufen, sondern aufmerksam studieren sollte: Nirgendwo wurden bisher die komplizierten Fakten und Forschungsergebnisse der Genforschung und Biomedizin so allgemeinverständlich dargelegt - und ihre schockierenden Perspektiven aufgedeckt. Nirgendwo wurden bisher die Zusammenhänge zwischen Forschung, Politik und knallharten finanziellen Interessen so schonungslos enthüllt und mutig Details und Namen genannt. Nirgendwo findet der verunsicherte Leser, wenn er angesichts der Entwicklung fürchtet, unter die Räder des Fortschritts zu geraten, einen kräftigeren und begründeteren Appell, jetzt die Verteidigung des homo sapiens zu wagen.

Der Journalist und Bioethikexperte Stefan Rehder ist davon überzeugt, daß alle bereits laufenden oder noch drohenden Versuche, Menschen im Labor nach unseren Wünschen zu entwerfen und herzustellen, eine Verleugnung der Menschenwürde und eine Degradierung des Menschen zum Objekt sind.

Am deutlichsten wird dies bei den Bestrebungen der Keimbahn-Manipulation: “Wer Gott spielen und den Menschen nach seinem eigenen Bild neu schaffen will, muß daher hier ansetzen und versuchen, die genetische Information so zu verändern, daß er das gewünschte Ergebnis erhält." Im “erfolgreichen" Fall würden die Zellen aller Nachfahren die Veränderungen aufweisen, weshalb die Keimbahnmanipulation “die folgenreichste aller Techniken" ist.

Der Mensch selbst, so warnt der Autor, droht zum “Zielobjekt eines hemmungslosen Wettbewerbs" zu werden. Das Wort “Wunschkind" bekäme eine neue Bedeutung: “Eigenschafts-Designer großer Pharma-Konzerne und kleiner Gen-Schmieden" würden ständig neue Trends und Moden ersinnen, stets bereit, Kinder nach dem Wunsch und momentanen Geschmack ihrer Eltern zu machen.

Was für manche vielleicht nach “science fiction" klingen mag, ist tatsächlich längst zu einem “big business" geworden, einem großen Geschäft für patentbesitzende Forscher oder Konzerne. Eugenik sei “kein Gespenst von gestern, sondern allgegenwärtige Realität", warnt Rehder.

Denn dies ist die Vision des sogenannten therapeutischen Klonens und der mit ihr verwobenen embryonalen Stammzellforschung: “Kinder als Heilmittel, die als Zellspender für ein erkranktes älteres Geschwisterkind fungieren sollen. Kinder mit vorselektiertem Geschlecht, die ihren Eltern zu einer ausbalancierten Familie verhelfen". Die massenhafte Tötung ungeborener Mädchen in China und Indien ist bereits eine Vorerfahrung dessen, was “social sexing" - Geschlechtswahl nach Angebot und Nachfrage - bringen könnte.

Rehders Buch nimmt uns den letzten Rest biedermeierlicher Illusion von Wissenschaftlern, die um des Erkenntnisgewinns willen forschen: “Sie gründen Firmen, schmieden Konzerne und knüpfen Allianzen. Sie denken in Wertschöpfungsketten, schreiben Business-Pläne und buhlen um die Gunst von Börsen-Analysten. Sie horten Patente und sichern sich so auf Jahre die kommerziellen Verwertungsrechte ihrer Forschungsergebnisse."

Rehder scheut sich nicht, Roß und Reiter beim Namen zu nennen: die Wissenschaftler und die hinter ihnen stehenden Wirtschaftsinteressen, die Forscher und ihre ökonomischen wie politischen Netzwerke.

Dieses faktenreiche Buch zerlegt und widerlegt die heuchlerische Argumentation einer “Ethik des Heilens", die wirkliche Menschen einer utopischen Erwartung zum Opfer bringt, es erhellt Zusammenhänge und Hintergründe, aber es warnt eine fortschrittsversessene und utopischen Heilsversprechen lustvoll erliegende Gesellschaft auch davor, “unserer Zivilisation das Genick zu brechen". Letztlich geht es dem Autor um die Verteidigung des Menschen -- und damit der Menschlichkeit der Gesellschaft - gegen Reduktionisten, die im Embryo nichts als einen Zellhaufen sehen, wie gegen “Transhumanisten", die den real existierenden Menschen einem utopischen Übermenschen zu opfern bereit sind.

Wer als Christ an der gesellschaftlichen Debatte um Stammzellforschung, Klonen oder Genmanipulation teilnehmen möchte, braucht dieses Buch. Seine Fakten und Argumente gelten nicht nur für jene, die den Menschen als ein mit Würde ausgestattetes Geschöpf Gottes sehen, sondern sollten alle überzeugen, denen die Menschlichkeit unserer Gesellschaft ein Anliegen ist.

Von Stephan Baier

Gott spielen. Im Supermarkt der Gentechnik. Von Stefan Rehder, Pattloch Verlag, München 2007, 240 S., Euro 17,50 (A)16,95 (D)

Diese und andere Bücher können bezogen werden bei: Christoph Hurnaus, Waltherstr. 21, 4020 Linz, Tel/Fax: 0732 788 117; Email: hurnaus@aon.at

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