Man nehme 120 junge Erwachsene auf der Suche nach Gott, ein paar Beduinen, 52 Kamele, Wasserkanister, Kochtöpfe, Gasbrenner, Schlafsack, Wanderschuhe, Sonnencreme - und schon kann es losgehen auf einen 10tätigen Marsch durch die atemberaubend schönen Landschaften der Wüste Sinai.
Die Reise, zu der wir vom Roten Meer aus aufbrachen, war eine Reise zurück zu den Anfängen, zu Abraham, Moses, dem Volk Israel, das von Gott aus Ägypten herausgeführt wurde. Hier, wo ich gerade wanderte, hatte Gott zu Moses gesprochen, hatte Moses mit Gott gehadert, hatte das Volk Israel aufbegehrt, weil es sich von Gott betrogen und verlassen fühlte. Hier hatte Moses an den Felsen geschlagen und Wasser kam heraus, hier “blickte Gott auf die Söhne Israels und gab sich ihnen zu erkennen" (Ex 2, 25), Er schloß einen Bund mit Seinem Volk und gab ihm Seine Gesetze.
Inmitten der Pilgergruppe spürte ich nach und nach, wie hier mein ganz persönlicher Glaube so herausgefordert wurde wie selten zuvor. Hatte wirklich alles so stattgefunden, wie es im Alten Testament steht? Kam wirklich Wasser aus diesem Felsen vor mir, auf den Moses geschlagen hatte? Hat Gott sich Moses wirklich auf dem Berg Sinai offenbart? Ich merkte, wie mich all diese Fragen zu der einen Frage führten: Ist der Gott, an den ich glaube, wirklich ein lebendiger Gott, der eingreift in die Geschichte der Menschen, der also auch eingreifen kann in mein Leben?
Mit jedem Schritt, den ich auf den kantigen Felsen zurücklegte, mit jeder eiskalten Nacht und dem unendlichen Sternenhimmel der Wüste, mit jedem Morgenlob, mit jeder heiligen Messe im Sonnenaufgang wuchs zart und unscheinbar in mir ein neuer Glaube. Alles Äußere fiel weg. Kein Fernsehen, kein Radio, keine Nachrichten, keine Autos, kein Computer, kein Handy, keine schönen Kleider, keine unnötigen Worte, kurz: nichts, was sonst im Leben einen so großen Platz einnimmt. Was blieb, waren Gott und ich.
Plötzlich stand ich vor Ihm - unmittelbarer als ich es je im Alltag gekannt hatte. Es entstand ein Dialog zwischen uns beiden, der die 10 Tage hindurch immer intensiver, persönlicher, inniger wurde. Der eigene Trotz, es ohne Gott zu schaffen, der Kampf mit Gott und mit sich selbst, das Hadern mit ihm, all das wich in der Weite der Wüste nach und nach der Bereitschaft, ein bedingungsloses “Hier bin ich, Herr" (Ex 3, 4) zu sagen.
Vielleicht liegt das Besondere der Wüste darin, daß alles Vorgeschobene, alles Aufgesetzte wie eine Hülle abfällt. Hinter was hätte ich mich auch verstecken sollen in diesen unendlichen Weiten?
Ich bemerkte, daß nicht ich es war, die an diesen Jahrtausende alten biblischen Orten Gott findet, sondern daß Er mich hierher geführt hat, um inmitten der äußeren Kargheit der Wüste zu meinem Herzen zu sprechen: Darum will ich selbst Dich verlocken, ich will Dich in die Wüste hinausführen und Dich umwerben. Ich zerbreche Bogen und Schwert, es gibt keinen Krieg mehr im Land, ich lasse Dich Ruhe und Sicherheit finden. Ich traue Dich mir an auf ewig, ich traue Dich mir an um den Brautpreis von Gerechtigkeit und Recht, von Liebe und Erbarmen, ich traue Dich mir an um den Brautpreis meiner Treue. Dann wirst Du den Herrn erkennen. (vgl. Hosea 2)
Diese Worte begleiten mich jetzt noch, Monate später. Dort, in der Wüste, hat Gott Seinen Bund mit mir erneuert, mir tief im Herzen die Gewißheit gegeben, daß Er treu ist und daß es Ihn dürstet nach einer Erwiderung Seiner Liebe zu mir. Seine Liebe im Alltag zu erwidern, ist der Weg des Lebens in Fülle, das uns Christus verheißt und das er mir in der Wüste neu geschenkt hat.
Sophia Kuby