VISION 20006/2007
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Der christliche Marabut

Artikel drucken Charles de Foucauld und die Muslime

In der Jugend ein reicher Lebemann, dann Soldat, Abenteurer und Geograph in Marokko, erlebte Charles de Foucauld eine tiefe Bekehrung, die ihn letztlich zum Missionar unter Muslimen werden ließ. Wie aber sah diese Mission aus?

Die vielen Kontakte mit Muslimen während seines ersten Aufenthaltes in Algerien und später während seiner Expedition nach Marokko hatten einen entscheidenden Einfluß auf seine Rückkehr zum Glauben seiner Taufe. Er selbst bezeugt dies knapp vor seiner Priesterweihe in einem Brief an seinen Cousin Henri de Castries: “Die Begegnung mit diesem Glauben, mit diesen Männern, die fortgesetzt in der Gegenwart Gottes lebten, ließ mich etwas Größeres als die mondänen Beschäftigungen erkennen, etwas mit mehr Wahrheitsgehalt." René Bazin (sein erster Biograph) zufolge habe er sogar einem seiner Freunde anvertraut: “Ich dachte schon daran, zum Islam zu konvertieren."

Was ihn von der “Verführung" zum Islam abgehalten hat, war jedoch, daß er diese Religion für “zu erdverbunden" hielt. “Ich erkannte ganz klar", sagte er auch zu Castries, “daß er (der Islam) ohne göttliche Basis war und daher auch nicht der Wahrheit entsprach (...), (weil er) keine richtige Einschätzung der Kreatur hat, um eine Liebe, die Gottes würdig ist, lehren zu können: ohne Armut und Keuschheit bleiben die Liebe und die Anbetung sehr unvollkommen; liebt man nämlich leidenschaftlich, so trennt man sich von allem, was vom geliebten Wesen - und sei es nur für eine Minute - ablenken könnte, und wirft sich ihm ganz in die Arme, um sich in ihm zu verlieren."

Obwohl er sehr empfänglich für einige von den Muslimen praktizierte Werte wie die Gastfreundschaft und die Einfachheit war, hatte er doch während seines Aufenthaltes im Trappistenkloster von Akbès im Norden von Syrien die weniger schöne Seite des Islam kennengelernt. Er wurde dort nämlich Zeuge des Massakers an türkischen Christen im Jahr 1894 noch unter der Herrschaft des Sultans.

Für ihn gab es daher keinen Zweifel: Seine Anwesenheit unter den muslimischen Völkern, denen gegenüber er eine moralische Verpflichtung verspürte, war nur insofern sinnvoll, als sie auf Evangelisation abzielte. Daher trug er ein brennendes Verlangen in sich, diese “Ungläubigen" zu bekehren - nicht aus politischer Berechnung, sondern weil er sie liebte. Er feierte Messen in dieser Intention und verwarf die verbreitete Vorstellung, Muslime seien unbekehrbar. Diese Ansicht - er warf sie den französischen Verantwortlichen vor - lief seiner Ansicht nach darauf hinaus, Muslime als “mindere Wesen" anzusehen, unfähig, “die Wahrheit zu erkennen und sich zur wahren Kultur zu erheben." Er sah dies als unerträglichen Mangel an Barmherzigkeit an.

Obwohl er kein Islamexperte war - er zog die Heiligkeit der Wissenschaft vor und suchte zum anderen eine Beziehung des Miteinander, indem er dessen Sprache, Traditionen und Bräuche erlernte -, kannte Bruder Karl die Vorbehalte des Koran gegenüber dem Christentum. Aus diesen hatte er folgenden Schluß gezogen: Allein die Nachfolge Christi in allem und jedem (Geradlinigkeit, Gerechtigkeit, Güte, Übung der Tugenden, Demut, Dienstbereitschaft, unbedingte Selbstlosigkeit) würde das Herz der Muslime für die Erkenntnis des in Seinem Wort geoffenbarten Gottes öffnen können.

In einer Nachricht vom 29. Juli 1916 erläuterte er Bazin seine “Methode": “Mein Leben besteht darin, so viel wie möglich in Beziehung zu meiner Umbegung zu stehen und alle Dienste zu leisten, die ich zu erbringen vermag. In dem Maß, wie sich Vertrautheit einstellt, spreche ich dann - stets unter vier Augen - kurz vom lieben Gott. Dabei teile ich jedem mit, was er zu tragen vermag: die Sünde zu meiden, einen Akt vollkommener Liebe, vollkommener Reue zu setzen, die zwei großen Gebote der Gottes- und der Nächstenliebe zu leben, das Gewissen zu erforschen, die letzten Dinge zu meditieren (...) Dabei gebe ich jedem so viel, wie er tragen kann, gehe langsam und behutsam vor."

Indem er die von ihm erwählte verborgene Spiritualität von Nazareth lebte, hat Charles de Foucauld also weder seine Identität verschwiegen noch das, was ihn zur Wahl seines radikalen Wegs veranlaßt hatte: “Das Bild des Kreuzes, des Heiligsten Herzens ließ schon von weitem erkennen, welchem Glauben dieser weiße Mann anhing. Keiner konnte das übersehen", so Bazin, der General Laperrine zitiert, einen Freund des Eremiten, der geschrieben hatte, “daß allein seine Bekleidung eine Predigt darstellte".

“Er gab ein diskretes und demütiges Zeugnis, das gleichzeitig eindeutig und klar erkennbar war", hält seinerseits Jean-Mohammed Abdeljalil, ein bekehrter Marokkaner, der Franziskaner geworden war, fest.

Und so liebten ihn die Muslime, ihn, ihren christlichen “Marabut".

Annie Laurent

Charles de Foucauld ist am 13.11.2005 in Rom selig gesprochen worden. Auszug aus “L'homme nouveau" v. 12.11.05

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