Seitdem der „Islamische Staat“ im Irak und in Syrien wütet, Hunderttausende auf der Flucht sind, Frauen vergewaltigt, Kinder ermordet, Kirchen geschändet wurden, steht die Frage im Raum: Sind hier einfach Verrückte am Werk, die den Islam missdeuten und ihn als Vorwand für ihre unmenschlichen Taten vor sich her tragen oder handelt es sich hier um eine Gruppe von Menschen, die einfach umsetzen, was der Koran aussagt?
Die Medien hierzulande werden nicht müde zu betonen, die erste Sichtweise treffe zu. Der Koran verkünde eigentlich einen barmherzigen Gott, der viel Ähnlichkeit mit dem Gott der Bibel habe. Auch in der Kirche spricht man von den drei monotheistischen Religionen, die Abraham als gemeinsamem Stammvater ansehen. Viele tun sich schwer, da klar zu sehen. Ihnen sei das Buch Islam – Christentum von Leo Tanner zur Lektüre empfohlen.
Leo Tanner ist Pfarrer in der Schweiz. Er entfaltet eine sehr aktive Evangelisationstätigkeit mit Glaubenskursen und setzt zu diesem Zweck auch gekonnt mediale Mittel ein. Ausgelöst durch die Debatten rund um die Volksabstimmung über den Bau von Minaretten in der Schweiz (mit dem Ergebnis: keine Minarette), stand damals in unserem Nachbarland ganz allgemein die Frage des Islam und dessen Bewertung im Raum. Zwar geisterte das Thema ja schon durch die Medien, aber wirklich informiert sind immer noch nur wenige.
Wer nun Tanners Buch zur Hand nimmt, erhält eine gut fundierte, leicht leserliche umfassende Information, die Christentum und Islam gegenüberstellt und vergleicht – nüchtern, unpolemisch, mit vielen weiterführenden Hinweisen. Es beginnt mit der Darstellung des Lebens von Mohammed, das von zwei Phasen, zunächst von einer friedfertigen, später von einer brutal kämpferischen, geprägt war.
Ausführlich ist die Darstellung der Grundlagen des Islam: Deutlich wird auf die Zwiespältigkeit des Koran hingewiesen: „Der Islam kann zugleich friedfertig und kriegerisch sein. Wenn z.B. islamistische Fanatiker im Namen des reinen und wahren Islam oder im Namen des Korans unschuldige Kinder, Frauen und Männer brutal umbringen, kann ihnen niemand im Namen des Korans dies verwehren. Man kann höchstens sagen: Wir verstehen das anders.“
Von besonderem Interesse sind heute, im Zeitalter des Dialogs der Religionen, die Kapitel „Theologische Unterschiede“ und „Umgang mit Muslimen“. Zur Illustration ein paar Zitate zu den Themen aus Tanners Buch:
„Im Mittelpunkt des Christentums steht eine Person, Jesus Christus; im Mittelpunkt des Islam dagegen ein Buch, der Koran.“
„Zusammenfassend kann man sagen: Ein Christ hält an Jesus Christus fest, ein Muslim an der Scharia.“
„Die unantastbare Würde jedes Menschen beruht auf der Schöpfungswirklichkeit des Menschen, der von Gott als Partner und als sein Abbild geschaffen ist… Anders ist es im Islam. Dort ist der Mensch zwar auch ein Geschöpf Gottes, doch er ist nicht Partner und auch nicht Abbild Gottes, sondern als Gottes Geschöpf ein Gott unterworfenes Wesen.“
„Während der Islam behauptet, die Religion Abrahams wiederhergestellt zu haben, ist für das Christentum Abraham von großer Bedeutung wegen der Verheißung, die er empfangen hat. Er gilt als Vater des Glaubens. Aufgrund dieser unterschiedlichen Auffassung kann man nur bedingt von Juden-, Christentum und Islam als den drei abrahamitischen Religionen sprechen…“
Ausführlich behandelt Tanner schließlich die Frage: Wie sollen wir mit den Muslimen umgehen? Das Wissen um die Unterschiede im Glauben darf Christen keinesfalls abhalten, den Muslimen Respekt und Wertschätzung entgegenzubringen, das Gespräch mit ihnen zu suchen und freundschaftliche Beziehungen einzugehen. Niemals darf dabei aber vergessen werden, dass wir Christen berufen sind, Andersgläubigen die Frohe Botschaft von Jesus, dem auferstandenen Sohn Gottes, nahezubringen.
Islam – Christentum. Eine aktuelle Herausforderung. Von Leo Tanner. WeG-Verlag, 160 Seiten mit Bildern, 19,95 Euro.