Die im Oktober zu Ende gegangene Bischofssynode zum Thema Ehe und Familie war meinem Eindruck aus folgendem Grund bemerkenswert: Ein Kritiker der kirchlichen Lehre über die Zulassung zivil wiederverheirateter Geschiedener hatte seine Argumentation vorgelegt. Kardinal Walter Kasper hatte seine Sichtweise in dem Buch Das Evangelium von der Familie formuliert.
Dieses Werk hat eine Fülle interessanter, das Wissen über die Bedeutung der Familie vertiefender Reaktionen ausgelöst, von denen ich die beiden folgenden zur Lektüre empfehlen möchte: Das wahre Evangelium der Familie von Juan José Perez-Soba und Stephan Kampowski sowie das von Robert Dodaro OSA herausgegebene Buch In der Wahrheit Christi bleiben: Ehe und Kommunion in der Katholischen Kirche.
Letzteres ist ein Sammelwerk, in dem sich die Kardinäle Walter Brandmüller, Gerhard Müller, Carlo Caffarra, Velasio de Paolis und Raymond Burke sowie Erzbischof Cyril Vasil und zwei Fachwissenschafter P. Paul Mankowski SJ und John M. Rist zu Wort melden und sich mit einzelnen von Kardinal Kasper angeschnittenen Themen kritisch auseinandersetzen. Wer sich für die wiederkehrenden Debatten zum „heißen Eisen“ des Umgangs mit den „Wiederverheirateten“ rüsten möchte, dem sei die Lektüre dieses Buches empfohlen.
Es spricht eine Fülle von Themen an und macht unter anderem einsichtig, warum die „Barmherzigkeit Gottes keine Dispens von den Geboten Gottes und den Weisungen der Kirche“ sein kann. Es zeigt auf, dass die Praxis der Orthodoxen Kirche, „Zweitehen“ zu segnen, historisch durch staatlichen Druck zustande gekommen, nicht einheitlich ist und einer gediegenen theologischen Fundierung entbehrt. Es bietet einen umfassenden historischen Rückblick, der zeigt, dass die lateinische Kirche durchgehend für die Unauflöslichkeit der Ehe eingetreten ist und für sie gekämpft hat…
Schon im Titel bringt Das wahre Evangelium der Familie das Anliegen zum Ausdruck, Kardinal Kaspers Aussagen zurechtzurücken, vor allem aber sind die Autoren – beide lehren am „Päpstlichen Institut Johannes Paul II. für Studien über Ehe und Familie“ in Rom – bemüht, das Thema umfassend zu betrachten und in den Kontext des gesellschaftlichen Lebens unserer Tage zu stellen (siehe auch den Auszug aus dem Buch auf Seite 24).
Man dürfe nicht nur gebannt auf das Problem der „Wiederverheirateten“ blicken, stellen die Autoren fest. Die Fixierung auf dieses Thema sei fatal. Denn: „Im Falle der Familie ist es besonders notwendig, sich nicht von den Problemen, sondern vom Evangelium leiten zu lassen. Das bedeutet einen radikalen Wechsel der Perspektiven in der Familienpastoral.“
Es gehe darum zu zeigen, wie viel Erfüllung und Leben in einer christlich geprägten Familie erfahren werden kann. Sie sei der Raum, in dem Gottes Liebe jetzt und hier offenbar werden soll und kann. „Im Fall der Unauflöslichkeit der Ehe geht es um die Offenbarung einer als Geschenk empfangenen Liebe, etwas, was nicht in der Macht dessen steht, der sie empfängt. Es handelt sich um eine Wahrheit, die uns vorausgeht…“
Aus diesem Geschenk gelte es zu leben und die Kirche stehe vor der Herausforderung, die Größe dieses Geschenks attraktiv zu verkünden. Dies sei die eigentliche pastorale Herausforderung. Mit den Worten der Autoren: „Deshalb ist es die wichtigere Frage für die Familienpastoral heute: Wie kann man sicherstellen, dass Ehen gültig geschlossen werden?, und nicht: Wie kann man zusätzliche Möglichkeiten finden, um die wiederverheirateten Geschiedenen (…) zur Kommunion zuzulassen.“
Obwohl ich mich seit Jahrzehnten mit dem Thema Familie beschäftige, habe ich beim Lesen der Bücher sowohl mein Wissen erweitert wie auch manche Einsicht vertiefen können. Bis zur nächsten Synode im Herbst 2015 wird das Thema Ehe und Familie weiter im Blickfeld des öffentlichen Interesses sein. Wer sich also in den kommenden Debatten selbst zurechtfinden und anderen wertvolle Denkanstöße vermitteln will, dem bieten die beiden Bücher gute „Nahrung“.
In der Wahrheit Christi bleiben: Ehe und Kommunion in der katholischen Kirche. Von Robert Dodaro OSA (Hrsg). Echter-Verlag, Würzburg 2014, 244 Seiten, 19,90 Euro.
Das wahre Evangelium der Familie. Die Unauflöslichkeit der Ehe: Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Mit einem Vorwort von Kardinal George Pell. Von Juan José Perez-Soba und Stephan Kampowski. Media Maria Verlag, Illertissen 2014, 240 Seiten, 19,95 Euro.