Wenn Gott dich auf einen Weg der Nachfolge ruft, drückt Er dir nie sofort eine fertige Landkarte mit eingezeichneter Route in die Hand. Er sagt am Anfang nicht viel mehr als: „Zieh weg aus deinem Land!“, so wie es der biblische Abraham zu hören bekam.
So ahnte auch ich im Herbst 1998, als ich von zu Hause in das Spätberufenenseminar „Canisiusheim“ im niederösterreichischen Horn aufbrach, nie und nimmer, dass ich einmal bei den Franziskanern landen sollte. Überhaupt lag das Ordensleben außerhalb meines Horizontes, wollte ich doch damals einfach nur „Priester werden“. Davor aber lag schon ein längeres, keineswegs immer „frommes“ Stück Lebensgeschichte:
Hineingeboren wurde ich in eine „ganz normale“, überhaupt nicht überdurchschnittlich religiöse Familie im oberösterreichischen Mühlviertel, nicht weit vom Dreiländereck Österreich-Tschechien-Deutschland. Mein Vater ist (mittlerweile pensionierter) Maurer, meine Mutter betreute früher fast ohne maschinelle Hilfen unsere winzige Landwirtschaft und ist Näherin in Heimarbeit. Ich habe eine um 1 ½ Jahre jüngere Schwester, eine gelernte Textilverkäuferin und Fußpflegerin, die verheiratet ist und mittlerweile drei Kinder hat. Am Sonntag gingen wir mit der Mutter wie selbstverständlich in die Kirche – der Vater hatte irgendwann mit diesem „Brauch“ aufgehört. Aber zu Hause brachten uns nur äußerst selten schwere, nächtliche Sommergewitter zum Beten, wenn die Mutter mit uns Kindern allein zu Hause war, weil der Vater von Montag bis Freitag auf seinem Arbeitsplatz im fernen Linz weilte. Im Alter von zirka 16 Jahren fragte ich mich immer öfter, was ich sonntags eigentlich noch in der Kirche verloren hätte, wo doch ohnehin immer die gleichen Leute nur die selben eintönigen Lieder singen würden. Die Reste meines Kinderglaubens schwanden endgültig dahin.
Prägend war aus heutiger Sicht, dass meine Schwester und ich gut mit den Kindern einer Familie in unserem Dorf befreundet waren, in welcher der Glaube recht intensiv gelebt wurde. So kam es auch, dass meine Schwester eines Tages gemeinsam mit ihnen an einer christlichen Jugendfahrt zu verschiedenen Orten in Frankreich teilnahm. Ihre Motivation ergab sich dabei eindeutig aus der Gelegenheit zur „Reise in ein fernes Land“, nicht etwa aus dem Glauben. Doch die vielen Erlebnisse mit der Jugendgruppe, das gemeinsame Beten und Singen und das unterwegs Gehörte veränderten sie. Begeistert kam sie nach Hause zurück und besorgte als erstes eine Bibel – ein Buch, das es in unserem Haus bis dahin nicht gegeben hatte. „Was da drinnen steht, ist gar nicht so schlecht!“, meinte sie dazu. Obwohl ich in dieser Beziehung grundsätzlich eher kritisch war, nahm auch ich ein Jahr später an einer anderen Fahrt zum Jugendfestival in Medjugorje teil: Die Tausende junger, gläubiger Menschen aus der ganzen Welt, berührend gestaltete Hl. Messen, die abendliche Eucharistische Anbetung im Freien und meine erste Beichte nach der Firmung brachten etwas ganz Neues in mein Leben. Gott hatte hier nicht wie daheim mit ödem Brauchtum zu tun, auch nicht mit langweiligem Religionsunterricht oder einem, der „schimpft“, wenn man nicht „brav“ ist, wie uns als Kinder manchmal gesagt worden war. Hier erlebte ich Gott als eine Person, als Jesus Christus, als ungeheuer faszinierendes „Du“, das mir zuhört und zu mir etwas sagen möchte. Das erweiterte und bereicherte meinen bisherigen Horizont ungemein.
Nach Hause zurückgekehrt, gründeten wir eine kleine Jugendgebetsgruppe, die bald wuchs und zu einem entscheidenden Freundeskreis wurde. Wir trafen uns am Sonntagabend; jedes Mal bereitete jemand anders die Gebetszeit vor und anschließend gingen wir meist Pizza-Essen oder Ähnliches. Neben diesem „Aufbruch“ im Glauben traten in jenem Alter für mich selbstverständlich auch andere „Neuentdeckungen“ auf: der erste Rausch, der Moped-Führerschein und damit in einer ländlichen Gegend endlich die Möglichkeit, an Samstagabenden die Discos zu frequentieren, erste, ernsthaftere Verliebtheiten und vieles mehr. Aber auch an meiner Lehrstelle – ich bin Bauschlosser – freute mich nach der ersten, sehr harten Zeit, dass ich immer mehr Verantwortung übernehmen durfte und sich auch Erfolgserlebnisse einstellten.
Doch das, was ich im Glauben entdecken durfte, war stark, und ich spürte immer mehr, dass ich es irgendwie weitergeben sollte. Die große Mehrzahl von Leuten meiner Altersgruppe hatte ja nie erfahren dürfen, was mir „zugefallen“ war. „Am besten könnte man den Glauben an Gott als Priester weitergeben“, dachte ich manchmal. Aber dem setzte ich in Gedanken immer blitzschnell verschiedene Einwände entgegen: „Das ist wirklich nichts für dich. Dafür bist du nicht fromm, nicht gescheit genug!“ Außerdem hatte ich mir schon Pläne für ein „ganz normales Leben“ zurechtgelegt und war ziemlich verliebt in ein Mädchen aus der Gebetsgruppe.
Nach dem Bundesheer kehrte in meine Lehrfirma zurück, wo ich zunehmend in der Planung und Arbeitsvorbereitung eingesetzt wurde. Doch der „Gedanke“, Priester zu werden „klopfte“ immer wieder, immer entschiedener bei mir an. Mit 23 Jahren setzte ich endlich den entscheidenden Schritt und begann, wie erwähnt, am Aufbaugymnasium Horn noch einmal die Schulbank zu drücken.
Erst dort lernte ich die Franziskaner kennen: An ihnen faszinierte mich vor allem die Kombination von glaubwürdiger Gottverbundenheit und bodenständigem Realitätssinn. Schrittweise lernte ich auch den Hl. Franziskus immer mehr zu schätzen. Im Matura-Jahr traf ich schließlich die Entscheidung in diesen Orden einzutreten, den ich am Beginn meiner Nachfolge gar nicht gekannt hatte.
Seit gut 10 Jahren versuche ich mittlerweile in den Fußspuren des Franziskus Jesus nachzufolgen – und stelle immer mehr fest, wie weit ich von diesem Ideal entfernt bin. Andererseits wächst das Vertrauen und auch die Erfahrung, dass Gott, der einen auf diese Fährte „gelockt“ hat, nicht enttäuscht. Seit August 2014 bin ich im Franziskanerkloster Maria Enzersdorf. Gemeinsam mit anderen Brüdern gestalten wir hier im Auftrag der Franziskanerprovinz einen Schwerpunkt der Seelsorge für junge Menschen, „La Verna“, benannt nach dem Ort, an dem der Hl. Franziskus die wohl tiefste Glaubenserfahrung gemacht hat, als er die Wundmale Christi empfing. Glaubens- und Gebetskurse, Hilfen in der Suche nach der je eigenen Berufung, Angebote für Verliebte, Pilgern und Ausflugsfahrten… werden wir nach und nach anbieten.
Bitte schenken Sie dem franziskanischen Projekt „La Verna“ ihr Gebet.