Die Kalasantiner, in Österreich vor 125 Jahren gegründet, erlebten in den letzten Jahrzehnten nach einer Krise einen neuen Aufschwung: Gespräch mit dem ehemaligen Ordensoberen über seine Berufung.
Wie sind Sie auf den Orden der Kalasantiner gestoßen?
P. Gottfried Großsteiner: Ich bin ein gebürtiger Oberösterreicher, aus Waldhausen im Mühlviertel, habe neun Geschwister und bin der Zweitälteste. Wir waren eine normal-katholische Familie auf dem Land: Sonntagsgottesdienst, samstags haben wir Rosenkranz gebetet. Meine Eltern wollten, dass jeder einen Beruf erlernt. Ich wollte Koch oder Krankenpfleger werden. Da sich da keine Lehrstelle gefunden hat, kam ich mit 15 als Lehrling nach Wien in eine kleine Fabrik für Maschinen- und Gerätebau. Dann aber habe ich mir gedacht: Irgendetwas möchte ich dazulernen. So habe ich mich bei einer Abendschule angemeldet: eine HTL für Maschinenbau. Ich war also sehr beschäftigt. Gewohnt habe ich im Kolpingheim, in der Nähe des Ordens. In dieser Zeit hat mich der spätere P. Christian vor der Berufsschule angesprochen und mir die „Glaubensbriefe“ von Dr. Madinger angeboten. Beim Lesen dieser Briefe habe ich Feuer gefangen. Bei einem dieser Briefe gab es eine Einladung für die Sonntagabend-Messe. Das hat mir gut gepasst, denn die Woche über habe ich gelernt, Samstag Abend bin ich in die Disco – und da passte diese Messe am Sonntag Abend gut.
Sie sind also auch in Wien in die Sonntagsmesse gegangen?
P. Gottfried: Ja. Und diese Abendmesse hat mich überrascht: Die Kirche war gesteckt voll, rhythmische Lieder, lauter junge Leute und die haben nicht vorbereitete Fürbitten formuliert – etwas, was ich nicht kannte. Das hat mich beeindruckt. In die Gebetsgruppen während der Woche konnte ich nicht gehen, habe mich aber für die Angebote an den Wochenenden interessiert: Fußwallfahrten, Sommer- und Winterlager… Bei einem „Jünger-Seminar“ im Frühjahr gab es Lobpreis und Lebensübergabe. Am Ende des Seminars war vorgesehen, dass man einen Vorsatz fasst und etwas, der Lebenssituation Angepasstes verspricht.
Und was war Ihr Vorsatz?
P. Gottfried: Ich habe gesagt, ich sei schon mit Terminen eingedeckt und könne nichts zusätzlich versprechen. Da hat mir P. Christian vorgeschlagen, ich könnte Jesus ja mein Leben übergeben. Etwa: „Jesus, mach Du das Beste aus meinem Leben!“ Da habe ich mir gedacht: Eine zusätzliche Leistung ist nicht drin, aber das kann ich schon machen… Das Vertrauen, dass Jesus etwas aus meinem Leben machen kann, hatte ich ja. Mit zwei anderen, die neben mir gekniet sind, habe ich das dann bei der Abschlussmesse gesagt. In diesem Moment habe ich vor meinem geistigen Auge gesehen, wie eine alte Steinmauer umfällt – ich springe über den Steinhaufen drüber und vor mir liegt ein blühendes Land. Im gleichen Moment hatte ich die Intuition: In den Orden eintreten und Priester werden.
Gleichzeitig beide Eindrücke?
P. Gottfried: Ja. Ich hatte eine sehr große Freude und die totale Sicherheit. So ist es: Wenn ich 100 Prozent von meinem Leben will, muss ich diesen Weg gehen. Ich habe das dem Pater gesagt, der mir darauf geantwortet hat: „Mach zuerst einmal die Schule fertig. Wenn Du dann immer noch glaubst, dass das ein Ruf war, so komm.“ Ich hatte noch ein Jahr bis zur Matura – und es ist dabei geblieben. Zur Ehre Gottes muss ich sagen: Ich habe nie an meiner Berufung gezweifelt.
Von da an also ein ebener Weg?
P. Gottfried: Einen Monat nach diesem Erlebnis hatte ich einen schweren Motorradunfall. Eigentlich hätte ich tot sein müssen: Ich bin mit 80 km/h gegen ein entgegenkommendes Auto gefahren, im Fußballdress, mit dem Kopf auf dem Asphalt aufgeschlagen… fast Genickbruch, aber nur eine Rippe gebrochen. Vier Tage ohne Bewusstsein. Als mir klar wurde, was da passiert war, habe ich begriffen: Gott ist stärker. Trotz des Unfalls habe ich die Matura mit Auszeichnung bestanden und bin eine Woche später ins Kloster eingezogen, 1982.
Was ist besonders schön am Ordensleben?
P. Gottfried: Dass es so interessant ist, dass man Zeit für Jesus hat. In der Früh haben wir eine Stunde Anbetung. Dann die Aufgaben: so vielfältig, ebenso die Begegnungen mit den Menschen. Vor allem aber: Der Heilige Geist ist mein Ein und Alles.
Welche Rolle spielt für Sie die Gemeinschaft?
P. Gottfried: Sie liegt mir sehr am Herzen, obwohl oft zu wenig Zeit für das gemeinschaftliche Leben bleibt. Wir wirken sehr stark nach außen und dann bleibt zu wenig Zeit zum Austausch. Man muss sich immer wieder darum bemühen. Hier in der Pfarre Reindorf haben wir eine gut funktionierende Hausgemeinschaft: Wir kommen nicht nur zum Gebet, sondern auch zu den Mahlzeiten zusammen. Für diesen Austausch bin ich sehr dankbar. Sie waren Ordensoberer.
Können Sie uns etwas über den Ordensnachwuchs sagen?
P. Gottfried: Da hat sich die Situation geändert. Früher wurde sehr viel Mission auf den Straßen gemacht. Durch sie kamen damals relativ viele junge Menschen mit dem Orden in Kontakt und einige von diesen sind dann in den Orden eingetreten. Das geschieht heute viel seltener.
Machen Sie heute noch Straßenwerbung?
P. Gottfried: Ja, schon auch, aber es ist schwieriger geworden. Man muss viel mehr Leute ansprechen, um überhaupt mit jemandem ins Gespräch zu kommen. Die Bereitschaft, sich in ein Gespräch einzulassen, war in den siebziger Jahren einfach größer. Ich habe jahrelang am Urban-Loritz-Platz Werbung gemacht und musste feststellen: Die jungen Leute haben sich immer mehr vom Glauben entfernt. Jesus, die Bibel, das Vaterunser – all das ist kein Begriff mehr. Die Kluft ist sehr groß geworden. Unsere primäre Aufgabe ist es aber nicht, Ordensmitglieder zu werben, sondern Menschen zum Glauben an Jesus zu führen. Mit solchen Menschen kommen wir heute meist dadurch in Kontakt, dass Leute, die uns kennen, unsere Angebote weiterempfehlen.
Das Gespräch hat Christof Gaspari geführt.