Der Weg begann früh, er begann mit meiner ersten Kommunion. Diese Gnadenaugenblicke sind mir in wacher, lebendiger Erinnerung. Wir wurden mit viel Liebe auf das Fest vorbereitet und ich war voller Erwartung. Den Empfang des heiligsten Leibes habe ich gewaltig und zugleich unendlich mild empfunden.
Nach dem Empfang beteten wir Kinder: Jesus, Du lebst nun in mir und ich lebe in Dir... Dieses Wort: "Du lebst in mir und ich lebe in Dir" hat mich überaus ergriffen und durchdrungen. Es hat bis heute nichts von seiner unbeschreibbaren Kraft verloren. Es war eine tiefe persönliche Begegnung mit Jesus. Er hat mich erfaßt und an sich gezogen.
Mein Jugend (es war Krieg) wurde entscheidend geprägt von vielen stillen Stunden vor dem Tabernakel. Fast immer war es am Abend nach der Arbeit. Sie sind mir unvergeßlich in ihrer Vertrautheit mit Jesus. Das Leben verlief äußerlich, wie es unter den damaligen Umständen verlaufen konnte. Manchmal wurde mir bewußt, daß ich in meiner Welt allein war.
In diese Zeit fiel eine außergewöhnliche Gnadenstunde vor dem Altar in der Basilika in Mariazell. Wir machten mit unserem Kaplan eine Wallfahrt, wegen der politischen Situation etwas gewagt. Ich selbst hatte damals gewisse Schwierigkeiten mit der Muttergottes, weil ich sozusagen keinen "Umweg" in meiner Beziehung zu Gott machen wollte. Es bedrückte mich und ich litt darunter. Wie ich dann vor dem Gnadenaltar wortlos kniete, traf mich plötzlich ihr Blick. Es ist unmöglich zu beschreiben, welche wortlose Liebe von ihrem Blick ausging. Als ich hinausging und im nächtlichen Dunkel an der Kirchenmauer lehnte, weinte ich vor Ergriffenheit. Jeglicher Widerstand war weg, eine unglaubliche Milde zog mich an.
In der Folge las ich dann das Buch von Grignon von Montfort über die Weihe an die Muttergottes. Eine wundervolle Weite eröffnete sich mir. Was ich dazu aus der Heiligen Schrift geschenkt bekam, war so, daß Jesus mir Seine Mutter bekannt machte und welche Freude es Ihm bereitet, wenn wir uns auf Seine Mutter einlassen. Am tiefsten berührte mich das Wort, das Er am Kreuz zu Johannes sagte: "Siehe, deine Mutter." Es erschütterte mich immer wieder, wie stumpf wir Seinem "letzten Willen" gegenüber sind, wenn Er uns als Vermächtnis in qualvoller Stunde Seine Mutter gibt. - Wenn ich an Seine Menschwerdung denke und nachsinne, z.B. beim Rosenkranzgebet oder beim Lesen der Schrift: Wie unauslotbar ist die göttliche Liebe, wenn sie sich dem Ja einer jungen Frau überläßt, um Mensch zu werden und uns aus der Verlorenheit zurückzuholen.
Ich weihte mich Maria an einem 8. Dezember. Sie wurde mir die Mutter der schönen Liebe, die Schwester im Glauben. Ihr verdanke ich alles, weil sie mir Jesus schenkt.
Als ich dann nach dem Ende des Krieges zum Studium nach Wien ging, machte ich einmal Exerzitien. In diesen Tagen erkannte ich sehr klar, daß es mich zu Jesus hinzieht, und ich mich ganz an Ihn binden möchte im Geist der evangelischen Räte. Ich übergab Jesus diesen Entschluß im Gelübde.
Schon in früheren Jahren kam ich zur Überzeugung, daß ein sozialer Beruf, den ich anstrebte, nicht die eigentliche Erfüllung sein kann. Das menschliche Herz braucht zu seiner Erfüllung das persönliche Du. Das Du des Partners in der Ehe oder wenn der Herr ruft, um Seiner Liebe willen auf die Ehe zu verzichten. Es erfüllte mich ein ganz tiefes Glück. Nun wußte ich: Mein Leben gehört Gott, meine Liebe ist Ihm geweiht. Aus dieser Quelle lebt mein Dienst an den Menschen.
Mein Studium war in der letzten Phase. Ich bereitete mich auf die Staatsprüfung vor. Ich weiß noch genau Ort und Stunde, wo ein weiterer Ruf mich traf. Ich sollte die Verborgenheit suchen und verstand darunter, daß ich in einem Leben des Gebetes in Verborgenheit, sozusagen im Herz-Inneren der Kirche, ganz für das Wirken des Heiligen Geistes in den Menschen verfügbar sein soll. Denn was einen Menschen im Guten fördert, muß als Anstoß, als Impuls in seinem Herzen zuerst da sein. Diese Impulse sind Geschenke, die füreinander erbetet werden können. So sehe ich meinen Dienst an den Menschen, daß vor allem, was "getan" werden kann für den anderen, es zuerst dieser Bewegung des Herzens bedarf.
Damit war die Wirkungsordnung klar und ich dachte nach, in welcher Ordensgemeinschaft ich das verwirklichen kann. Ich meinte, es könnte der Karmel sein, also suchte ich nach Abschluß der Prüfungen einen solchen auf und wurde am 15. August aufgenommen. Nach einigen Monaten zeigten sich aber Krankheitserscheinungen, die mit den schweren Erkrankungen zum Kriegsende zusammenhingen. Über dringende ärztliche Empfehlung wurde ich entlassen, da der Arzt meine Gesundheit nicht für ausreichend hielt.
Das traf mich schwer. Ich war mir aber ganz sicher, daß Gott nicht zurückgibt, was Ihm einmal übergeben war. Es kann sich also nur um eine andere Form des Lebens handeln. Mit dieser inneren Sicherheit überstand ich die äußeren Belange mit der Rückkehr in die Welt.
So arbeitete ich in meinem Beruf, aber das Gebet hatte den ersten Stellenwert. Mit den Psalmen konnte ich all die Not, die mir im Dienst begegnete, vor Gott zur Sprache bringen. Ich dachte, Gott werde mir zeigen, wann ich die richtige Ordensgemeinschaft finden kann. Ein solches Zeichen erschien mir, als ein Priester mir anbot, die finanzielle Verpflichtung, die ich für meinen jüngsten Bruder hatte, zu übernehmen, um mir den Weg ins Kloster freizumachen.
Ich trat bei den Benediktinerinnen ein und kam mir gesund genug vor. Die Brücken hatte ich abgebrochen, der Schritt war für mich ein endgültiger. Umso schmerzlicher traf mich eine massive Gelenkserkrankung, die wiederum nach einem halben Jahr, liturgisch dieselbe Zeit wie bei der Entlassung aus dem Karmel, auch hier nach ärztlichem Ermessen die Entlassung veranlaßte. Ich war untröstlich und die Schwestern weinten mit mir.
In mir und vor mir war pechschwarze Nacht. Wie soll es weitergehen? Was denkt sich Gott dabei? "O Gott, zeige mir Deiner Weisungen Weg..." (Ps 118)
Nun arbeitete ich wieder in meinem Beruf, hatte Erfolge, Schwierigkeiten gab es genug. Nebenbei engagierte ich mich in der kirchlichen Jugendarbeit. Zwischendurch dachte ich über das eine oder andere Säkularinstitut nach, aber es kam zu keinen erkennbaren Weisungen. Die Nähe der Muttergottes war oft greifbar, sie läßt nicht im Stich. Das Suchen nach einer geeigneten Lebensform ging weiter. Zweifel tauchten auf über meine Lebensentscheidung. Das betende Fragen blieb ohne Antwort...
Es hat lange gedauert, Jahre, bis der innere Anstoß mir beibrachte, das Fragen aufzugeben und mich mit vorbehaltlosem Vertrauen der Führung Gottes zu überlassen. Erst dieses Loslassen des Fragens brachte den vollen inneren Frieden. Ich war zufrieden, ohne es zu verstehen.
In meinem Beruf arbeitete ich sehr viel, gewann viel an Erfahrung, vor allem, wenn ich die Menschen, die zu mir kamen oder ich zu ihnen, im Gebet meditierte. Ich hatte die innere Gewißheit, daß Gott treu ist.
Es vergingen Jahre, Jahrzehnte. Nach Ausbruch der Herzerkrankung ging ich in Pension. Viele Kontakte blieben und nach einiger Zeit ließ ich mich auf einige Beratungsdienste ein. Nach einigen Jahren stand die Pflege meiner Mutter im Vordergrund. Ihre letzten Lebensjahre waren für mich eine große Bereicherung. Nach ihrem Tod erwartete ich eine beschauliche Zeit.
Es kam jedoch anders. Der Ausbruch des Krieges am Balkan und das Hereinbrechen des Flüchtlingselends ließen kein Überlegen zu: Wir alle waren gefordert angesichts dieses namenlosen Elends. Dann kam das Briefbombenattentat mit allem, was dem vorausging und folgte. Das Verlassen meiner Heimat war schwer, aber es mußte sein.
Damit begann das Leben in Wien. Erfordernisse an Hilfe für Flüchtlinge und andere Menschen in Not traten heran und gaben den Weg vor. Schwere Erkrankungen waren Hilfe nach innen.
Schließlich erkannte ich langsam mit Sicherheit, daß Gott mich ganz im Herzen der Kirche haben will, im "Haus der Liebe" des dreieinen Gottes. Ich legte mein Versprechen in die Hand des Bischofs und erhielt die Weihe. Der sein Kreuz für uns trug, ruft täglich, mit Ihm zu gehen.