VISION 20003/2015
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Eine große Verwirrung

Artikel drucken Zur Debatte über Geschiedene, die zivil wieder heiraten (Sr. M. Michaela Mayer ISA)

Geschiedene, die zivil wieder ge­heiratet haben, soll man zur Kommunion zulassen. Weithin erschallt diese Forderung. Die Kirche wäre sonst unglaubwürdig. Der folgende Beitrag sieht dies differenzierter.  

Um es gleich vorwegzunehmen: Wenn ich es mir erlaube, als Ordensfrau meine Gedanken zu diesem Thema kundzutun, dann deshalb, weil ich ein bisschen aus eigener Erfahrung mitsprechen kann und durch die Begleitung von Menschen in der Situation von Trennung, Scheidung, Wiederverheiratung viele verschiedene Perspektiven gewonnen habe. Ich durfte so manchen Einblick in Familienbiografien nehmen. Mir wurde dabei viel Schmerz anvertraut. Manchmal haben wir gemeinsam geweint über zerbrochene Lebensträume und Hoffnungen.
Der erste schwere Schritt ist immer das „Annehmen“, was aus meinen Träumen, Hoffnungen, aus meiner Liebe geworden ist. Zeit und Geduld sind erforderlich, bis dieser Schritt gegangen werden kann. Noch schwieriger ist diese „Annahme“, wenn Kinder vom Scheitern betroffen sind. Wenn Menschen erleben müssen, dass ihre Kinder diese Last kaum zu tragen vermögen. Ja, dass sie selber durch das Zerbrechen der Ehe ihnen gleichsam eine Hypothek auf die Schultern gelegt haben. Manches Zerbrechen setzt sich in der nächsten Generation fort.
Offen gestanden erzürnt mich die Art der Diskussion zu diesem Thema! Sie ist im deutschsprachigen Raum derart enggeführt, dass es der großen Not nicht gerecht wird. Denn die Not ist groß! Verfolgt man die Auseinandersetzung in den meisten Medien und in vielen Gesprächen, so könnte man den Eindruck gewinnen, dass das einzige Problem beim Scheitern einer Ehe die Frage der Kommunion ist.
Hier beginnt ja schon die große Verwirrung! Denn viele denken tatsächlich, sie seien allein durch das Scheitern der Ehe von der Kommunion, ja sogar von der Kirche ausgeschlossen. Diese Angst begegnet mir im Rahmen meiner Arbeit recht häufig, und vor meiner Bekehrung und Berufung dachte ich ja selbst so. Hier herrscht große Unwissenheit!
Ich erinnere mich an eine Diskussion mit einem älteren Priester – ich würde ihn als persönlich „frommen Mann“ bezeichnen –, bei der ich mich am Ende der Tränen nicht erwehren konnte. Er hatte zur Frage der „Josefs-Ehe“ vehement verteidigt, man könne doch von einem jungen Mann nicht verlangen, dass er zölibatär lebe, wenn seine Ehe zerbrochen sei und er in einer neuen Beziehung lebe. Verlangt die Kirche da wirklich Unmögliches?
Ich frage mich an dieser Stelle, wie denkt ein gottgeweihter Mensch denn über sein eigenes zölibatäres Leben, wenn er gegen eine vermeintliche  Diskriminierung des Mannes (oder auch der Frau) eintreten muss? Ich war offen gesagt zutiefst erschüttert.
An der Diskussion beteiligt war ein Paar, das genau in so einer „Josefs-Ehe“ seit vielen Jahren glücklich lebt. Sie berichteten, dass sie durch die Katechese eines anderen Priesters aufgerüttelt worden waren. Ihnen sei vorher nicht bewusst gewesen, dass sie in ihrer Lebenssituation irregulär und in Sünde lebten. Nach vielen Gesprächen mit diesem Priester, der ihnen in großem Respekt, aber eben auch in der Wahrheit der Lehre der Kirche begegnet sei, wäre in ihnen die Sehnsucht gereift, ihr Leben mit Christus und im Rahmen Seines Evangeliums zu ordnen.
Inzwischen leben sie seit vielen Jahren als „Bruder und Schwester unter einem Dach“.  Ich erlaubte mir den Mann zu fragen, wie er denn diese Veränderung erlebt habe. Ob es nicht eine Zumutung sei. Er antwortete mir in aller Schlichtheit: „Ja, es ist anfangs schon schwer gewesen, aber der Priester hat mir angeraten, monatlich zur Beichte zu gehen. Und das war meine größte Hilfe.“
Ich frage mich, warum hört man davon landauf, landab nichts? Müssten wir Ordensleute und die Priester das nicht aus eigenem Erleben wissen, dass es ohne enge Bindung an Christus nicht möglich ist, zölibatär zu leben? Und müssten wir nicht den Mut haben, den Menschen zu sagen, dass sie kaum den Geboten Gottes gehorsam leben können, wenn sie, wie der Durchschnittsbürger, über drei Stunden täglich vor der Glotze verbringen, während es allgemein als Zumutung empfunden wird, dass der Sonntagsgottesdienst eine Pflicht sein soll? Müssten wir ihnen nicht sagen, dass sie besser beraten wären, sie würden eine Stunde täglich vor dem Allerheiligsten verbringen? (…)
Mir scheint, wir sollten den Menschen doch mehr zutrauen als nur die Befriedigung des Triebes. Und es geht ja auch nicht um „unchristlichen Rigorismus“ oder darum, den Menschen „unerträgliche Lasten aufzubürden“. Sondern es geht darum, zunächst einmal selbst zu glauben, dass Jesu Worte wahr und damit auch lebbar sind.
Und es geht auch darum, den Blick zum Kreuz Jesu zu erheben. Wo steht denn geschrieben, dass ein Opfer uns nicht zugemutet werden kann? Und warum reduzieren wir den Raum, in dem Gott einem Menschen sehr konkret begegnet, eigentlich auf die Kommunion? Wie klein denken wir Christen denn inzwischen von Gott? Kein Wunder, wenn wir nicht mehr ernst genommen werden.  

Sr. Michaela gehört zu den Immakulataschwestern vom Serpahischen Apostolat.

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