Am 15. Oktober begann ein Gedenk- und Jubiläumsjahr, das der ganze Karmeliterorden in Österreich und in der ganzen Welt feiert. Der Anlass dafür ist der Geburtstag der heiligen Teresa von Jesus, der Gründerin des teresianischen Karmel, die am 28. März 1515, also vor 500 Jahren, in Avila, in Spanien geboren worden ist. Wer war Teresa de Cepeda y Ahumada, wie ihr weltlicher Name lautet?
Teresa entstammt einer zum katholischen Glauben konvertierten jüdischen Familie. „Wir waren drei Schwestern und neun Brüder,“ schreibt sie. Durch das religiöse Klima in ihrer Familie, die Betrachtungen und die geistliche Lektüre reift in ihr langsam die Berufung zum Ordensleben. Während ihre Brüder im gerade erst entdeckten Amerika Ansehen und Reichtum suchen, tritt sie mit 20 Jahren im Jahr 1535 in das Kloster der Menschwerdung in Avila ein.
27 Jahre lang lebt sie glücklich in diesem Kloster und zieht dort immer mehr die Aufmerksamkeit der Mitschwestern und vieler weltlicher Leute auf sich. Sie macht große Fortschritte in der Praxis der Tugenden und erreicht nach Jahren intensiven geistlichen Kampfes eine eminent menschliche und geistliche Reife. Als sie mit 47 Jahren die Berufung, die der Herr ihr schenkt, nämlich der Kirche durch Gebet und Abgeschiedenheit zu dienen, deutlich erkennt, gründet sie 1562 das Kloster vom heiligen Josef in Avila.
Dieser Gründung folgen weitere, insgesamt 16 Frauen- und zwei Männerklöster.
Teresa fährt zu diesen Gründungsorten nicht mit dem Auto über asphaltierte Straßen, sondern in Eselskarren über die damals steinigen Wege von Kastilien und Andalusien, bei eisiger Kälte und glühender Sonnenhitze, immer wieder auch krank und vom Fieber geschüttelt. In ihren wenigen freien Momenten schreibt sie Bücher und unzählige Briefe.
Völlig aufgezehrt in ihrem Leib, doch in ihrem Geist ganz in Gott versunken, stirbt sie am 4. Oktober 1582 im Kloster von Alba de Tormes. In ihrer Geburtsstadt Avila erinnert jeder Stein an Teresa. Niemand hat ein so großes Gedächtnis in der Geschichte dieser Stadt hinterlassen wie „La Santa“. Ihr Leben und ihr Werk ist mit Avila verbunden, und wenn sie auch mit dem Namen Teresa de Cepeda y Ahumada geboren wurde, so wird sie heute in der ganzen Welt Teresa von Avila genannt.
Am 27. September 1970 hat Papst Paul VI. Teresa den Titel eines Doctor Ecclesiae (Kirchenlehrerin) verliehen.
Das lässt uns nun auch fragen: Welche Bedeutung hat sie als Kirchenlehrerin für die ganze Kirche und jeden von uns, die wir zu dieser Kirche gehören? Sie ist Lehrerin dadurch, dass sie durch ihr Leben aufzeigt, was Beten und geistliches Leben bedeuten. Denn Teresas Leben ist ihr Beten, ihr Beten ist ihr Leben – und das ist auch ihre Lehre.
Wie schaut die Gebetslehre unserer Heiligen nun konkret aus? Teresa hat keine Gebetstechnik entwickelt. Beten ist für sie ein Beziehungsgeschehen. Sie beschreibt ihre Art, sich dem Herrn Jesus Christus zuzuwenden: „Ich bemühte mich, so gut ich konnte, mir Jesus, unser Gut und unseren Herrn, in meinem Inneren zu vergegenwärtigen; das war meine Art zu beten… Es ging mir damit an jenen Stellen besser, wo ich ihn am einsamsten erlebte. Mir schien, dass er mich, wenn er einsam und niedergeschlagen war, als einer, der in Nöten ist, zu sich lassen müsste.“ (Vida 9,4)
Teresa hat in Jesus nicht einfach ein moralisches Ideal gesehen. Sie hat Ihn vielmehr als einen wahren Menschen geliebt im eigentlichen und lebendigen Sinn des Wortes. Sie sagt: „Wir sehen ihn ja als Menschen und erleben ihn in Schwachheiten und Leiden, er leistet uns Gesellschaft.“(Vida 22,10)
Beten ist für sie also kein Moralismus, weil man dazu verpflichtet ist oder etwas erreichen möchte; Christsein ist auch nicht einfach eine Ethik, sondern in erster Linie eine Beziehung – Leben in einer lebendigen Beziehung mit dem Mensch gewordenen Gott. Sich um diese Art des Betens zu bemühen, das ist inneres Beten, das ist Freundschaft mit Gott, wie Teresa sie lebt und für die sie wirbt: „Meiner Meinung nach ist inneres Beten nichts anderes als Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft allein zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, dass er uns liebt“ (Vida 8,5).
Ist Gebet für uns, auch wenn es persönliches Beten ist, nicht oft eine „Einbahnstraße“, in der wir die Handelnden sind und unseren Blick und unser Wort an Gott richten? Gott ist dabei der passive Zuschauer, der das Gebet annimmt, zuhört und möglicher Weise unsere Bitten erfüllt.
Teresa widerspricht dieser Vorstellung, indem sie uns das Gebet als Verweilen bei einem Freund vorstellt. Darin liegt eine Dynamik der Beziehung, in der beide, sowohl Gott als auch der Mensch, gleich aktive Partner sind. Für die Kirchenlehrerin Teresa gelten auch in der Beziehung zu Gott die Gesetze einer Freundschaft.
Jede Freundschaft muss gepflegt und gehütet werden. Sie braucht Räume der Begegnung, Kontinuität und schließlich ein immer tieferes Kennenlernen des anderen und der eigenen Person. Was ist uns denn in einer Freundschaft wichtig? Miteinander Zeit verbringen zu können, miteinander Interessen und Pläne, Freuden und Hoffnungen, aber auch Nöte und Ängste teilen zu können; zu wissen, dass der Freund aufmerksam und einfach da ist… Eben das sind die Erfahrungen, die Teresa mit Gott macht. Im täglichen Umgang mit Ihm entdeckt sie in Ihm einen wahren Freund, der immer an ihrer Seite ist.
Diese Erfahrungen konnte sie machen, weil sie sich auf die Freundschaft mit Gott eingelassen, Ihm Zeit und Raum in ihrem Leben geschenkt hat. Dazu hat Teresa immer wieder die Einsamkeit aufgesucht. Sie ist der Ort der Begegnung, der Intimität und der geteilten Geheimnisse. Hier kann der Mensch im Angesicht seines Geliebten er selbst sein.
Die Einsamkeit, von der Teresa spricht und die von den Mystikern aller Zeiten gesucht wird, ist jene innere Haltung, die es möglich macht, die Beziehung der Liebe zu leben. Das Herz, das liebt, ist das Herz, das sich von allem befreien möchte, was die Hingabe behindert.
Der Weg des Gebets ist ein wahrer Weg der Befreiung: An erster Stelle muss sich der Betende von allem frei machen, was ihn hindert, eine Zeit und einen Raum zu finden, um sich in Stille bei Gott zurückzuziehen. An zweiter Stelle beginnt Gott den Menschen im Gebet von allem zu befreien, was ihn hindert, die wahre Freiheit und Hingabe zu leben.Oft meinen wir ja, wir müssten etwas für Gott leisten, mit unserer eigenen Kraft und unseren eigenen Fähigkeiten etwas für Ihn tun...
Nach jahrelangem Kampf suchte Teresa Jesus mit Radikalität und warf sich Ihm zu Füßen. In ihrer Erfahrung von tiefer Einsamkeit und Armut, in der sie ihr Vertrauen nur mehr auf Gott setzte, kam Jesus ihr nahe und schenkte ihr den Beginn eines neuen Lebens mit Ihm. (Vida 9)
Erst in dem Moment, in dem der Mensch seine eigene Wahrheit und die Wahrheit Gottes zu begreifen beginnt (die Sünde des Menschen – die Barmherzigkeit Gottes) wird er dazu bereit, die Liebe Gottes zu empfangen. „Berührt und ergriffen von Gottes Liebe“ können auch wir den Weg des Gebetes gehen, den Weg einer Freundschaft, die immer mehr wachsen und reifen möchte.
Teresa legt uns ans Herz, uns auf die Pflege dieser Freundschaft einzulassen und zwar auf dem Weg des inneren Betens. Das sei die Tür, so meint sie, die uns offen sein lässt für Gott. Wenn diese Tür verschlossen ist, können wir die vielfältigen Erfahrungen der Gegenwart Gottes nicht empfangen. Teresa wirbt geradezu dafür, uns auf diese Liebesbeziehung mit Gott einzulassen, wenn sie sagt:
„Über das, was ich aus Erfahrung weiß, kann ich sprechen, und das ist, dass jemand, der mit dem inneren Beten begonnen hat, es ja nicht mehr aufgeben soll, mag er noch so viel Schlechtes tun, denn es ist das Heilmittel, durch das er sich wieder bessern kann, während ohne es alles sehr viel schwieriger wird. (…) Hier gibt es nichts zu verlieren, sondern nur zu gewinnen; (…) und wenn er durchhält, dann hoffe ich auf das Erbarmen Gottes, dass ihn noch nie jemand zum Freund erwählt hat, dem er es nicht vergolten hätte. Ich verstehe nicht, mein Schöpfer, warum nicht alle Welt darauf aus ist, dir durch diese besondere Freundschaft nahe zu kommen.“ (Vida 8,5.6)
Tatsächlich konnte Teresa schon zu ihren Lebzeiten viele Menschen für diesen Weg des inneren Betens gewinnen. Ihr Charisma lebt jedoch weiter in den Klöstern, die von ihr oder nach ihrem Tod gegründet wurden.