In den hitzigen Debatten über das Problem der vielen Scheidungen von kirchlich Getrauten wird meist das Thema Ehevorbereitung ausgeblendet. Und dabei wäre eine Verbesserung dieser vielfach mangelhaften Vorbereitung wohl ein entscheidender Ansatzpunkt für eine Erneuerung. Im Folgenden ein Gespräch mit Österreichs Familienbischof:
Das Thema „Geschieden und zivil wieder verheiratet“ wird wohl wieder im Brennpunkt des Interesses bei der kommenden Bischofssynode stehen. Wer die Praxis der Ehevorbereitung in der Katholischen Kirche kennt, fragt sich: Ist nicht die äußerst oberflächliche Art, Paare auf die Ehe vorzubereiten, mitschuldig an der großen Scheidungsmisere?
Bischof Klaus Küng: Die Häufigkeit der Scheidungen ist sicher nicht nur eine Frage der Ehevorbereitung. Die wichtigste Ehevorbereitung sollte in der Familie geschehen. Um sie ist es schlecht bestellt, weil nur wenige Familien dem christlichen Glauben entsprechend leben und selbst christliche Familien häufig überfordert sind. Bei der Ehevorbereitung im engen Sinn haben wir mit verschiedenen Problemen zu kämpfen: Der Großteil der Paare lebt bereits zusammen, viele haben wenig Bezug zur Kirche, ein sehr dürftiges Glaubenswissen und wenig oder keine Glaubenspraxis.
Die Ehevorbereitung im Sinn von Kursen ist eine relativ junge Einrichtung in der Kirche. In den 60-er, 70-er Jahren wurden Ehevorbereitungskurse eingeführt. Sie bestanden im Wesentlichen aus Vorträgen eines Priesters, eines Arztes und eines Juristen, meist ein Halbtagsprogramm. Vor fünf Jahren hat die Österreichische Bischofskonferenz für die Ehevorbereitung neue Standards festgelegt: Die Mindestdauer wurde von ursprünglich 4 Einheiten (ein Halbtag) auf 8 Einheiten (in einem Tag möglich) hinaufgesetzt. Auch die Inhalte wurden neu festgelegt. Diese sind durchaus anspruchsvoll, aber es hapert bei der Vermittlung. In mehreren Diözesen gibt es alternativ auch längere Angebote, leider werden sie nur von sehr wenigen in Anspruch genommen. Die Kurse sind verpflichtend und es nimmt ein relativ hoher Prozentsatz (zwischen 60 und 70 %) jener, die heiraten, daran teil. Viele der Teilnehmer kommen zunächst mit Skepsis, äußern aber am Ende, dass sie doch positiv überrascht sind. Besser sind die Ergebnisse der längeren Kurse von Schönstatt oder ICF, die beim Paar oft eine Art inneren Prozess auslösen…
Was ist damit gemeint?
Bischof Küng: Die Paare beginnen, über die verschiedenen Themen miteinander zu reden, beschäftigen sich damit auch zwischen den Einheiten, die über mehrere Monate hinweg im Abstand von 14 Tagen gegeben werden, und es kommt zu einer besseren Identifizierung mit der Lehre der Kirche.
Sind damit die Anforderungen an eine angemessene Ehevorbereitung erfüllt?
Bischof Küng: Mir scheint, dass nach dem nun fünf Jahre zurückliegenden Versuch, eine Reform anzustoßen, ein weiterer Schritt – auch auf Ebene der Bischofskonferenz – notwendig ist. Ich hoffe, dass diesbezüglich auch von der Synode im kommenden Herbst Impulse kommen werden. Es sollten meines Erachtens in allen Fällen als Ehevorbereitung verpflichtend fünf bis sechs Nachmittage bzw. Abende festgelegt werden. Bei allen Paaren, die zwar getauft sind, aber kirchlich nicht praktizieren, braucht es zusätzlich weitere zwei bis drei Nachmittage oder mehr, um die wichtigsten Glaubenszusammenhänge darzulegen: Erklärung der Sakramente, des Zusammenhanges zwischen Ehesakrament und der in Taufe und Firmung grundgelegten christlichen Berufung, der besonderen Beziehung zwischen Ehesakrament und Eucharistie, der Bedeutung des Bußsakramentes. Die Theologie des Leibes sollte in allen Kursen dargelegt werden, sodass die Aussagen der Enzyklika Humanae Vitae bzw. das päpstliche Rundschreiben Familiaris Consortio verständlich werden. Sehr wichtig ist das Mittun eines erfahrenen Priesters, der zum Gebet und zum Empfang der Sakramente hinführt, auch Gelegenheit zum Empfang der Sakramente bietet. Eine sehr wichtige Frage ist, geeignete Referenten zu finden bzw. dafür auszubilden.
Der Wunsch der Paare, kirchlich zu heiraten, bietet ja die Chance, sie für den Glauben zu gewinnen. Wieso hat die Kirche so lange gebraucht, sich auf diesen Weg zu begeben?
Bischof Küng: Ich wiederhole: Die Frage ist komplex, weil die Glaubenspraxis in den letzten Jahren rapid zurückgegangen ist, sich unter den Paaren neue Verhaltensmuster eingebürgert haben, aber auch weil die kircheninternen Probleme im Zusammenhang mit der Annahme bzw. Nichtannahme des universalen Lehramtes bezüglich Empfängnisregelung und Nichtzulassung der wiederverheirateten Geschiedenen zur Kommunion nicht überwunden sind. Wir haben also ein gesellschaftliches und ein kirchliches Problem, auch wenn es gleichzeitig schon auch echte Hoffnungszeichen gibt. So ist in den letzten Jahren gerade auch bezüglich junger christlicher Familien eine echte Sammelbewegung im Gange: Sie sind bemüht, dem Lehramt der Kirche entsprechend zu leben, bejahen wieder mehr Kinder und haben eine positive Ausstrahlung, die auch andere anzieht.
Was müsste also geschehen?
Bischof Küng: Einige wichtige Punkte:
Die gesamte Sakramentenpastoral bedarf dringend einer „Anpassung“ an die heutigen Gegebenheiten, nicht im Sinne einer Nivellierung und Verflachung, sondern in einer positiven, missionarischen Haltung aller, die an der Seelsorge beteiligt sind. Es muss unser Ziel sein, alle anzusprechen, wir müssen aber alles versuchen, um zu erreichen, dass jene, die die Sakramente empfangen, wissen, was sie empfangen, und innerlich zumindest punktuell für den Empfang des jeweiligen Sakramentes die entsprechende Disposition mitbringen, sodass der Empfang fruchtbar ist. Das betrifft Taufe, Firmung, Erstkommunion und Beichte, ebenso das Ehesakrament.
Bei der Sakramentenpastoral für Kinder und Jugendliche: Die Einbeziehung der Familie und das Mitwirken von Gläubigen, die verheiratet, praktizierende Christen und entsprechend ausgebildet sind.
Die Vorbereitung der Kinder für den Sakramentenempfang und die Bemühung, sie in das kirchliche Leben einzuführen, sind eine gute Gelegenheit, deren Eltern anzusprechen, um sie z. B. zu gewinnen, sich mehr auf Gott einzulassen, kirchlich zu heiraten, auch selbst die Sakramente zu empfangen.
Sehr gut bewährt sich die Ausbildung von Ehepaaren zu „Familienassistenten“ oder „Familienbegleitern“, wie sie die Schönstattbewegung, die Familienakademie Salzburg bzw. Initiative Christliche Familie anbieten. Es sind zweijährige Kurse, die dazu führen, dass teilnehmende Ehepaare wirklich zu einem gründlichen Verständnis der Zusammenhänge gelangen. Solche Paare sind meist hervorragend geeignet als Referenten für Ehevorbereitung, Mitarbeiter in der Sakramentenpastoral für Kinder und Jugendliche, als Erwachsenenbildner im Bereich Sexualerziehung für Familien, als Begleiter der jungen Familien, aber auch für Einsätze an Schulen und als Mitarbeiter in den Diözesen.
In allen diesen Belangen haben Priester ihre spezifische Aufgabe, um die Vermittlung der Glaubenszusammenhänge zu ergänzen und zu vertiefen, vor allem aber um für die Feier der Eucharistie, Spendung der Sakramente, geistliche Begleitung zur Verfügung zu stehen. Es handelt sich um einen wichtigen Bereich der Seelsorge.
Wie sind die Erfahrungen jener Gruppen, die intensivere Ehevorbereitung anbieten?
Bischof Küng: Meist sehr positiv. Die teilnehmenden Paare entdecken oft ganz neu den Glauben, manchmal geschieht es auch, dass sie erkennen, doch nicht zusammen zu passen. Die Tätigkeit dieser Gruppen ist in den meisten Fällen Frucht einer jahrelangen Arbeit. Sie verfügen daher über bewährte Referenten mit den erforderlichen Voraussetzungen. Ein großer Vorteil ist auch, dass das Angebot von vornherein klar ist und daher in der Regel nur Paare an diesen Angeboten teilnehmen, die eine intensive Ehevorbereitung wünschen. Dadurch ist auch eine andere Art der Verkündigung möglich. Die Arbeit dieser Gruppen ist grundlegend und eine wichtige Hilfe für die Diözese. Wir brauchen viele engagierte Christen, die sich dafür einsetzen, dass wieder eine christliche Familienkultur entsteht, in der die Sakramente als die große Hilfe Gottes eine entscheidende Rolle spielen. Sie sind Quellen, aus denen das Familienleben Kraft empfängt. Der Eucharistie und dem Bußsakrament kommen dabei eine besondere Bedeutung zu.
Für weltliche Ohren klingt das furchtbar fromm. Darum trauen sich viele nicht, das auch klar zu artikulieren. Aber sollte sich die Kirche nicht endlich explizit zu all dem bekennen?
Bischof Küng: Unbedingt. Das Große jeder kirchlichen Trauung ist ja, dass sie zusammen mit Gott geschlossen wird. Erst aus dieser Tatsache wird es überhaupt möglich, dass der eine zum anderen bedingungslos Ja sagt für das ganze Leben! Er rechnet ja mit dem Beistand Gottes, mit Seiner Vergebung, mit der von Gott kommenden Kraft, selbst zu vergeben. Nur so kann man sich auf diesen Weg einlassen – gerade auch im Bewusstsein der eigenen Fehlerhaftigkeit. Gott wird uns beistehen – dieser Aspekt der kirchlichen Trauung wird viel zu wenig beachtet. Zugleich müssen wir schon versuchen, wirklich alle anzusprechen. Es wird immer auch solche geben, die sich nur beschränkt auf die Verkündigung der Kirche einlassen. Man darf sie nicht einfach links liegen lassen. Immer wird es freilich notwendig sein, all das darzulegen, was zum Verständnis der Ehe und für eine gültige Sakramentenspendung unbedingt Voraussetzung ist. Manchmal kann man nur hoffen, dass später eine tiefere Einsicht zuteilwird.
Bei der Priesterweihe herrscht das Bewusstsein vor, dass es einer Berufung durch Gott bedarf. Gilt nicht dasselbe für die Ehe?
Bischof Küng: Das ist richtig. Diese Einsicht ist an sich so alt und neu wie das Evangelium selbst. Und doch ist sie auch neu. Über Jahrhunderte wurde im Zusammenhang mit dem Wunsch nach einer konsequenten Nachfolge Christi der sogenannte „Stand der Vollkommenheit“ in seiner Bedeutung hervorgehoben, gemeint waren vor allem die Ordensleute mit den Gelübden Armut, Gehorsam und Keuschheit, aber auch die Priester. Die Ehe und „die gewöhnlichen Gläubigen“ wurden als weniger konsequent angesehen. Das II. Vatikanische Konzil hat von neuem daran erinnert, dass alle Getauften und Gefirmten zur Nachfolge Christi, zur Vollkommenheit, ja, zur Heiligkeit berufen sind. In diesem Zusammenhang wird auch bewusst, dass das Ehesakrament eine Konkretisierung der in Taufe und Firmung grundgelegten allgemeinen christlichen Berufung zur Heiligkeit darstellt. Gerade wenn das bedacht wird, wird auch klar, wie wichtig es ist, die verschiedenen Konsequenzen, die sich daraus für Ehe und Familie ergeben, wahrzunehmen.
Das Gespräch hat Christof Gaspari geführt.