Sie waren zwölf, wie die Apostel. Zwölf Apostel des dritten Jahrtausends in Radler-Dress und violetten Helmen, den Rücken über die Lenker ihrer nagelneuen Räder gebeugt, mit strahlendem Lächeln. Zwölf Seminaristen zwischen 18 und 24 Jahren, die am Pfingstsonntag von Saint Paul, Minnesota, aufgebrochen waren. Ihr Anliegen: Berufungen durch Pedaltritte zu fördern. Von ihrer Liebe zu Jesus und Seiner Kirche Zeugnis zu geben. Ihre Freude, Gott nachzufolgen, zu bekunden.
In einer Woche haben sie 1.500 Kilometer zurückgelegt und unterwegs in 18 Pfarren haltgemacht. Bei jedem Aufenthalt sprachen sie vom neuen Sinn in ihrem Leben, von der Gabe, die sie verändert. Und den Jugendlichen, die gekommen waren, um sie zu hören, rieten sie zu hören, ob sie nicht auch eines Tages gerufen sein könnten...
"Wir sind ganz normalen Burschen," stellt Jonathan Meyer, 22jährig, einer der zwölf Studenten am Seminar Saint John Vianney in Saint Paul fest. "Wir haben entdeckt, daß uns das Leben mehr als nur Sex und Geld bieten könnte. Also haben wir Gott eine Chance gegeben durch uns zu wirken. Das ist alles."
In den USA gibt es immer mehr solche "ganz normale Burschen", die vom Heiligen Geist entflammt, bereit sind, alles zu verlassen "um Menschenfischer" zu werden. Wenn auch die Zahl der Berufungen noch nicht ausreicht, um die alten Priester, die in Pension gehen oder sterben, zu ersetzen, so ist doch zum ersten Mal seit fünf Jahren eine steigende Tendenz festzustellen. Heuer sind es 3.386, die sich auf die Weihe vorbereiten, um 228 mehr als im Vorjahr...
In Denver, Colorado, hat Bischof Charles Chaput keine Hemmungen, überall, wo er hinkommt, junge Leute herzlich zum Priesterdienst einzuladen. Man sieht dem Bischof seine 54 Lenze keineswegs an. Sportlich, energiegeladen, ist er ein Überzeugter, des Glauben ausstrahlt. Er hat sich vorgenommen, keine Gelegenheit vorbeigehen zu lassen, um durch sein persönliches Zeugnis treue Diener Gottes zu gewinnen. Und es gelang ihm, seinen "Job" anziehend darzustellen.
Die Früchte dieser Hoffnung sind zahlreich. In nur einem Jahr stieg die Zahl der Seminaristen, die bereit sind, die Nachfolge der 300 Priester der Diözese anzutreten, von 42 auf - 68!
... Andere Initiativen zeigen, welchen Einfluß Hirten, die ihre Mission ernstnehmen, haben können. In New York und Boston haben die Kardinäle O'Connor und Law "Einkehrtage mit dem Kardinal" ins Leben gerufen. Die Idee hatte so großen Erfolg, daß mehrere andere Diözesen sie aufgegriffen haben. Die Inspiration eines Menschen aus Fleisch und Blut - in diesem Fall eines Hirten der Kirche - haben eine unvergleichliche Wirkung, um Berufungen zu stimulieren.
Man kann diese Zunahme in den USA aber nur dann richtig deuten, wenn man den entscheidenden Einfluß Johannes Paul II. berücksichtigt.
Raymond de Souza, ein amerikanischer Seminarist, der in Rom studiert, betont, daß für die meisten seiner Kollegen der Papst - seine Person und seine Schriften - eine zentrale Bedeutung für ihre Entscheidung hatte. "Daß dieser hervorragende Intellektuelle, der zugleich Philosoph, Dichter, Dramatiker, Professor und Diplomat ist, in aller Schlichtheit sagen kann: ,In dieser kleinen Hostie ruht die Lösung für alle Probleme dieser Welt', veranlaßt den abgebrühtesten Jugendlichen, mehr darüber wissen zu wollen. Daß ein Mann wie er so etwas glauben kann, erscheint zunächst so unerhört, daß es Wege zum Glauben eröffnen kann - und zu einer bisher verschütteten Berufung, warum nicht? Und hat nicht Johannes Paul II. auch gesagt: ,Nichts ist für mich wichtiger und nichts schenkt mir mehr Freude, als täglich die Messe zu feiern'?"
... Selbst die "New York Times" mit ihren oft anti-katholischen Artikeln hat zu Ostern in ihrer Sonntagsbeilage einen Bericht gebracht, der den Optimismus und den Eifer der Seminaristen in Mount Saint Mary, Maryland hervorhebt. "Sie scheinen - zu recht oder zu unrecht - davon überzeugt, daß die für Berufungen schwierigen Zeiten vorüber sind", liest man dort, "und daß etwas Neues, Großartiges drauf und dran ist aufzublühen."
Auszug aus "l'homme nouveau" v. 20.6.99