Dass Menschen sterben, wissen wir zwar aus täglicher Erfahrung. Aber irgendwie haben die meisten unbewusst den Eindruck, es würde nur die anderen Leute betreffen, die alten, die Schwerkranken… Und dabei geht es bekanntlich nicht immer nach dem Alter.
Daran erinnert eindrücklich die Fürbitte bei der Beerdigung: „Lasset uns auch beten für den aus unserer Mitte, der zuerst dem Verstorbenen vor das Angesicht Gottes folgen wird.“
Wir werden alle einmal an der Reihe sein, denn wir alle haben eine sterbliche Natur. „Jeder Mensch wird alt wie ein Gewand; es gilt das ewige Gesetz: man muss einst sterben! Gleich wie am grünen Baum der Blätterwuchs, wovon das eine welkt, das andre frisch ersprießt, so sind auch die Geschlechter all von Fleisch und Blut.“ (Sir 14,17 f)
Die Kunst stellt den Tod als Sensemann mit einer Sanduhr dar. Wie der Sand unaufhaltsam rinnt, so vergehen die Tage und Stunden unseres Lebens. Wir erleben die Zeit als flüchtig. Und einmal wird das letzte Körnlein fallen. Dann kommt die große Ernte. „Des Menschen Tage sind wie Gras, er blüht wie die Blume des Feldes. Fährt der Wind darüber, ist sie dahin, und der Ort, wo sie stand, weiß von ihr nichts mehr. Doch die Huld des Herrn währt ewig über allen, die ihn fürchten.“ (Ps 103,15 - 17)
So sicher es ist, dass wir sterben werden, so ungewiss sind Zeit und Umstände. Es ist ziemlich sicher, dass wir in 100 Jahren nicht mehr auf dieser Erde weilen werden. Aber ob wir morgen noch leben werden?
Der hl. Apostel Jakobus warnt vor einer falschen Sicherheit: „Hört doch, die ihr sagt: ,Heute oder morgen werden wir in die und die Stadt reisen, dort ein Jahr verbringen, Handel treiben und Geschäfte machen.' Ihr wisst ja nicht, was morgen sein wird! Denn was ist euer Leben? Ein Hauch seid ihr, der für kurz zu sehen ist und dann wieder verschwindet.“ (Jak 4,13 f)
Es bleibt uns also gar nichts anderes übrig, als einzugestehen, dass unser irdisches Leben sehr zerbrechlich ist. Das ist demütigend für den stolzen Menschen.
An dieser Stelle ist es wichtig zu betonen, dass gar niemand ein Verfügungsrecht über sein Leben hat. Daran erinnert der hl. Apostel Paulus, wenn er sagt: „Nicht euch selber gehört ihr.“ (1 Kor 6,19) Und an anderer Stelle: „Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder sterben, wir gehören dem Herrn.“ (Röm 14,8) Unser Leib und unser Leben sind von Gott und für Gott. In seiner Hand liegt unser Leben und unser Sterben.
Wer Gott als Schöpfer und als Herrn über Leben und Tod anerkennt, wird nicht nur andere nicht töten, sondern er wird auch niemals Hand an sich selber legen, denn so lautet das fünfte Gebot: „Ich bin der Herr, dein Gott. – Du sollst nicht töten!“
Es ist uns sicher nicht erlaubt, über Menschen zu urteilen, die in dunklen Stunden Dummheiten machen, für die wir hoffen, dass sie dafür nicht die volle Verantwortung tragen. Tatsächlich wissen wir ja nicht, welche innere Not sich hinter einer solchen Verzweiflungstat verbirgt und was in den letzten Sekunden seit dem ,Sprung von der Brücke' in einer Seele vorgegangen ist.
Die Sache aber müssen wir klar und deutlich verurteilen. Selbstmord (auch Suizid oder Freitod) ist niemals und unter keinen Umständen zu rechtfertigen! Ebenso verwerflich sind die Beihilfe zum Selbstmord und jede Form von Euthanasie. Es gibt kein unwertes Leben, und weder behinderte noch alte, noch kranke Menschen, noch solche, die sich anmaßen, in deren Namen zu entscheiden, haben ein Recht, durch direkte Tötung oder durch Verweigerung von Flüssigkeitszufuhr oder medizinischer Grundversorgung das Leben zu beenden.
Wir vertrauen darauf, dass auch in dunkelsten Stunden Gott die Kraft gibt, das Kreuz gut und bis ans Ende zu tragen. „ Gott ist getreu. Er wird euch nicht anfechten lassen über eure Kräfte.“ (1Kor 10,13) Eine besondere Kraft im Leiden vermittelt dem, der es gläubig empfängt, das Sakrament der Krankensalbung.
Was muss man tun, um gut zu sterben? Die Antwort ist nicht schwierig: Um gut zu sterben, muss man gut leben. Wer mit Gott verbunden lebt, braucht den Tod nicht sonderlich zu fürchten.
Viele Weltmenschen wünschen sich den Tod vor allem kurz und schmerzlos. Dabei denken sie hauptsächlich an die äußeren Umstände des Sterbens, vergessen aber nur zu gern die inneren Umstände, die doch viel wichtiger sind.
Als Christen bitten wir mit den Worten der Allerheiligenlitanei: „Vor einem plötzlichen und unvorhergesehenen Tode bewahre uns, o Herr!“ Hinter dieser Bitte steht eine wichtige Wahrheit: Nur solange wir leben, haben wir Zeit, Gutes zu tun. Nach dem Tod aber können weder Verdienste gesammelt noch kann geordnet, noch bereut werden. Vielmehr ist es, wie das Sprichwort sagt: „Wie der Baum fällt, so bleibt er liegen.“ (Pred 11,3) Deshalb können die letzten Minuten im Leben eines Menschen außerordentlich wichtig sein.
Durch eine aufrichtige Reue kann man, so lange man lebt, noch manches in Ordnung bringen. Denken wir nur an den Räuber am Kreuz, der zu Jesus seine Zuflucht nahm und dessen Vertrauen belohnt wurde mit den Worten: „Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein!“ (Lk 23,43)
Es ist eine große Gnade, den Schritt hinüber in die andere Welt möglichst bewusst und gut vorbereitet tun zu können und mit einem letzten Akt der Liebe und Reue vor den göttlichen Richterstuhl zu treten.
Weil aber der Zeitpunkt des Todes ungewiss ist, mahnt die Heilige Schrift zu steter Wachsamkeit: „Ihr aber, Brüder, seid nicht in Finsternis, dass jener Tag euch wie ein Dieb überfallen könnte.“ (1 Thess 5,4) Vielmehr: „Eure Lenden sollen umgürtet sein, und eure Lampen sollen brennen. Ihr sollt sein wie Menschen, die auf ihren Herrn warten, wenn er von der Hochzeit heimkehrt, damit sie ihm, wenn er kommt und anklopft, sogleich öffnen. Selig jene Knechte, die der Herr bei seinem Kommen wachend antrifft.“ (Lk 12,35 - 37) Es ist gut, die Stunde des Todes mit all ihren Umständen vertrauensvoll in Gottes Hand zu legen. Wir wollen leben in seiner Gnade und bereit sein für den Tag, an dem Er uns ruft.
Ein sehr schönes Gebet um eine gute Sterbestunde ist das „Gegrüßet seist du, Maria“. Darin rufen wir den Beistand und die Fürsprache der Muttergottes an für die beiden wichtigsten Momente unseres Lebens: das „Jetzt“ und die „Stunde unseres Todes“.
Zwar behält das Sterben auch für den Christen eine natürliche Bitterkeit. Die Natur mag sich sträuben und der Abschied Schmerz bereiten. Bei all dem aber überwiegt doch frohe Hoffnung, denn „ der Christ, der sein Sterben mit dem Sterben Jesu vereint, versteht den Tod als Kommen zu Jesus und als Eintritt in das ewige Leben“ (KKK 1020).
So heißt es in der Präfation der Totenmessen: „Bedrückt uns auch das Los des sicheren Todes, so tröstet uns doch die Verheißung der künftigen Unsterblichkeit. Denn Deinen Gläubigen, o Herr, wird das Leben gewandelt, nicht genommen. Und wenn die Herberge dieser irdischen Pilgerschaft zerfällt, wird ihnen im Himmel eine ewige Wohnung bereitet.“ Jesus hat ja selbst gesagt: „Ich gehe hin, euch eine Stätte zu bereiten: Und bin ich hingegangen und habe ich eine Stätte bereitet für euch, dann komme ich wieder und werde euch zu mir nehmen, damit, wo ich bin, auch ihr seid.“ (Joh 14,2 f)
Ganz erfüllt von christlicher Hoffnung und von der Erwartung eines kommenden Frühlings sind die Sterbegebete der Kirche, mit denen sie das Hinscheiden ihrer Gläubigen begleitet: „Fahre hin, christliche Seele, aus dieser Welt, im Namen Gottes, des allmächtigen Vaters, der dich geschaffen hat, im Namen Jesu Christi, des Sohnes, der für dich gelitten hat, im Namen des Heiligen Geistes, der über dich ausgegossen worden ist ... Heute noch sei dir im Frieden eine Stätte bereitet!“
Wie schön ist es, wenn ein Mensch mit Paulus sagen kann: „Für mich ist das Leben Christus und das Sterben Gewinn.“ (Phil 1,21)
Um so trauriger ist es, dass viele Zeitgenossen in religiöser Orientierungslosigkeit ihre Zuflucht zu ganz abwegigen fernöstlichen Vorstellungen nehmen. Die Lehren von Reinkarnation und Seelenwanderung sind heute geradezu in Mode. Sie gehen davon aus, dass nach dem Tod die Seele des Menschen in einem neuen Leib wieder geboren werden kann.
Der hl. Apostel Paulus erteilt solchen Vorstellungen eine klare Absage, wenn er schreibt: „Es ist den Menschen bestimmt, einmal zu sterben, und darauf kommt das Gericht.“ (Hebr 9,27)
Der Glaube an eine Wiedergeburt steht im krassen Widerspruch zum christlichen Menschenbild. Er nimmt weder die Leiblichkeit des Menschen noch seine Willensfreiheit ernst. Die leib-seelische Einheit des Menschen wird bei dieser Lehre aufgelöst und der Leib abgewertet, denn er gehört nicht mehr wesentlich zum Menschen, sondern wird im Kreislauf der Geburten immer wieder ausgewechselt.
Wie ganz anders klingt da der katholische Glaube von der Heiligkeit des Leibes und von der Auferstehung! Die Hl. Schrift mahnt uns, das eine Leben auf Erden gut zu nutzen. In diesem Leben schenkt Gott jedem Menschen alle zum Heil notwendigen Gnaden.
Der Autor leitet die Personalpfarrei hl. Maximilian Kolbe und ist Bischofsvikar für Angelegenheiten der Außerordentlichen Form des Römischen Ritus im Bistum Chur. Sein Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch Die letzten Dinge, Eigenverlag. Siehe auch: www.gottliebtuns.com/
letzte_dinge.htm