Ihr setzt Euch seit vielen vielen Jahren für einen Aufbruch der Familien in Österreich ein. Wie seid Ihr zu diesem Engagement gekommen?
Robert Schmalzbauer: Wir leben in einer tollen Phase der Geschichte, denn wir haben einen Papst Johannes Paul II. erlebt. Er hat etwas eingeleitet, wovon wir jetzt profitieren: Wenn man sich ansieht, was er geschrieben und gesagt hat, erkennt man, es gibt eine neue Gnade für Ehe und Familie in unserer Kirche. Man denke an seine Katechesen zur Theologie des Leibes, an seinen Brief an die Familien. Als wir 1995 geheiratet haben, verstanden wir – wie viele andere auch – nicht so recht, was Ehe und Familie sind. Die Größe und Schönheit dieser Berufung ist uns erst nach drei Jahren Ehe aufgestrahlt. Wir waren damals sehr aktiv in der Charismatischen Erneuerung und haben einiges an Aufbrüchen durch die neuen Gemeinschaften in Österreich miterlebt und waren dadurch sehr beschenkt worden, vor allem durch die persönliche Beziehung zu Jesus. Aber was Ehe und Familie betrifft, das wurde nicht als besondere Berufung gesehen. Im dritten Ehejahr sind wir dann nach Frankreich gegangen und haben dort bei der Gemeinschaft „Le Verbe de Vie“ eine für uns überwältigende neue Erfahrung gemacht. Dort haben wir am Gemeinschaftsleben teilgenommen, aber in einem eigenen Wohnbereich – wir hatten damals schon zwei Kinder – gelebt.
Michaela Schmalzbauer: An einem Einkehrwochenende bin ich zu spät zum Essen gekommen und der Platz neben Robert war schon besetzt. Dort saß eine Ordensfrau. Als ich mich anderswohin setzen wollte, ist diese aufgestanden, um den Platz neben Robert freizumachen. Mir war das unangenehm und ich habe abgewunken. Sie aber hat darauf bestanden und die Hausverantwortliche stellte klar: „Der Platz neben Robert gehört dir.“ Eigentlich eine Kleinigkeit. Aber sie hat uns etwas bewusst gemacht, was wir dann auch bei einem Familienwochenende erlebt haben, nämlich als die gottgeweihten Mitglieder der Gemeinschaft uns als Familie mit Hingabe gedient haben: dass wir allein durch unser „Sein als Familie“ wertvoll sind – und nicht nur durch das, was wir tun. Damals haben wir erkannt, wie wertvoll unsere Berufung zur Familie ist.
Habt Ihr diese Einsicht dann nach Österreich „importiert“?
Robert: Uns war wichtig, diese Erfahrung weiterzugeben, eine Wahrheit, die von Gott kommt: dass die Familie für unsere Zeit eine ganz große Bedeutung hat. So hat auch Johannes Paul II. gesagt, dass der Weg der Kirche über die Familie führe. Die Familie ist das Herz der Neuevangelisation. Als wir in Österreich zurück waren, haben wir 2001 unsere ersten Schritte mit Veranstaltungen für Familien gemacht und versucht, hier umzusetzen, was wir in Frankreich erlebt hatten: den Familien geistliche Nahrung zu vermitteln – und zu dienen. Wir haben also nicht Einkehrtage für Männer oder Frauen veranstaltet. Das geht noch relativ einfach. Uns ist es um die ganze Familie gegangen. Familien, insbesondere mit kleinen Kindern, als Familien zu empfangen, das erfordert allerdings einen großen Aufwand. Es war anstrengend, das hier in unserem Haus zu entwickeln und aufzubauen. Aber das war uns ein Anliegen: die Familien hier auf eine Weise zu empfangen, dass sie erleben, wie besonders sie sind, wertvoll einfach durch ihr „Sein“: dass sie eine gute Ehe leben, offen für das Leben sind und es weiterschenken, dass sie sich bemühen, ihre Kinder gut zu erziehen. All das ist eine grandiose Leistung, die in unserer Gesellschaft fast übersehen wird. Nach und nach haben wir immer mehr Leute gefunden, die verstanden haben, wie wichtig es ist, den Familien zu dienen, und die uns bei unseren Bemühungen geholfen haben.
Inwiefern ist das aufwendiger als andere Veranstaltungen?
Michaela: Beispielsweise das Kinderprogramm – wir sagen ganz bewusst nicht Kinderbetreuung. Denn auch die Kinder sollen ja im Prinzip dasselbe empfangen wie die Eltern. Da gibt es eine eigene Katechese, eigenes Gebet, Spiel, Spaß, Sport, Abenteuer… Dazu braucht man natürlich Leute, die das organisieren.
Robert: Wir haben mit einer Handvoll Familien hier im Haus begonnen. Mit monatlichen Treffen in Mödling bei der Gemeinschaft Immaculata. Als dann aber der Wunsch entstand, auch eine intensivere Form des Zusammenkommens zu entwickeln, haben wir uns an die Jugendtreffen in Pöllau – als Mitorganisatoren hatten wir dort schon Erfahrung gesammelt – „angehängt“. So sind die Jungfamilientreffen entstanden. Am ersten Treffen nahmen 35 Familien teil. Es war eine gewaltige Herausforderung. Aber Gott hat uns Stück für Stück auf diesem Weg weitergeführt. Wir waren ein gutes Team, sehr gut von P. Leo Liedermann begleitet, der uns mit seinem weisen, großen Blick viel Mut gemacht hat. Im Rückblick können wir feststellen: Auf diesem Weg ist bei vielen Familien etwas Neues entzündet worden…
Und was wurde da entzündet?
Michaela: Viele könnten das gar nicht so im einzelnen erklären. Aber in ihnen ist das Bewusstsein entstanden und gewachsen, dass sie als Familie wichtig sind, dass es ein Umfeld gibt, das sie wertschätzt. In ihrem normalen Alltag machen sie ja andere Erfahrungen, besonders wenn sie mehrere Kinder haben. Da wird man ja nicht unbedingt willkommen geheißen. Es ist, wie wir schon gesagt haben: Sie erkennen den großen Wert ihres Lebens als christliche Familie mit allen Sorgen, Nöten und Herausforderungen und dass dies eine wunderschöne Berufung ist.
Hat das vielen Mut zum Kind gemacht?
Robert: Es gab in Pöllau dann eine rasante Entwicklung und die Leute haben uns gesagt: „Es ist das erste Mal, dass wir mit unseren „lästigen“ Kindern willkommen sind. Unsere Buben sind wirklich schlimm, aber hier haben wir gemerkt, wir dürfen einfach so sein, wie wir nun einmal sind. Und das tut gut.“ Das mag banal klingen. Aber machen wir uns bewusst: In der Familie werden große Leistungen erbracht. In Pöllau erfahren die Familien, wie Gott über sie denkt, welchen Platz sie im Herzen Gottes haben. Bis zu 25 Priester nehmen sich dort Zeit für sie. Und allein 180 Helfer haben heuer mitgewirkt: Kinderprogramm, Küchendienst, Ärztedienst, Stillbereich, Buschenschank…, um den 185 Familien freiwillig zu dienen.
Und trägt sie das weiter durch ihr Leben ?
Robert: Die Gemeinschaft, zu wissen, dass man nicht allein ist, das ist ganz wichtig, besonders für die Kinder. Es gibt ja auch Orte, wo man sich weiterhin treffen kann. Zu unseren Familiennachmittagen kommen mittlerweile bis zu 50 Familien. Dann gibt es die Kinderseminare, die „Tage mit Jesus“, die „Heldenwochen“ für Jugendliche, Ehemänner- und Ehefrauenwochenenden, also Stationen unter dem Jahr, wo man zusammenkommt, wo man die in Pöllau erhaltene Stärkung erneuern kann. Ja, man braucht über das Jahr hinweg diese lebendige Gemeinschaft – auch wenn sie nicht auf einen bestimmten Raum konzentriert ist. Jetzt waren wir auf Kinderwallfahrt in Assisi, da waren 80 Kinder und Jugendliche mit, auch aus Vorarlberg und dem Burgenland. Die Kinder kennen sich, schließen Freundschaften, sind durchs Internet in Verbindung.
Ist Gemeinschaft also der wichtigste Faktor?
Robert: Nein, es ist die Begegnung mit Jesus. Er ist es selbst, der evangelisiert. Sicher, wir bemühen uns, organisieren – aber letztlich ist es Gott selbst, der am Werk ist. Er ist es, der handelt, Er ist es, der bekehrt. Dazu ein Erlebnis: Bei einem Treffen hat das Ehepaar Norbert und Renate Martin über Sexualität gesprochen. Unter den Zuhörern waren zwei Männer, die sich einer Vasektomie unterzogen hatten. Sie haben sich einige Zeit nach dem Treffen gemeldet und gesagt, sie hätten verstanden, dass dies verkehrt gewesen sei und sie hätten den Eingriff, der unfruchtbar gemacht hatte, rückgängig machen lassen. Mittlerweile hat das schon einem Kind ins Leben geholfen. Das sind Wunder, die nur Gott bewirken kann. Und da gibt es viele Aufbrüche, die wir nicht kennen und solche, die man nicht erzählen kann.
Hilft dieser Aufbruch, Kindern halbwegs schadlos über die Jugendzeit hinwegzukommen, ja einen persönlichen Glauben zu entwickeln?
Michaela: Sicher. Sie leben ja in Familien, die beten, die in die Messe gehen, sicher auch mit Unvermögen, jedenfalls aber mit Entschiedenheit. Das ist ein großes Kapital. Und dann eben die regelmäßigen Treffen: Da hat es sich ergeben, dass die größeren Kinder, so ab 14, in die Gestaltung des Kinderprogramms eingestiegen sind. Ohne deren Mithilfe würde das heute überhaupt nicht mehr funktionieren. Und das hilft ihnen wiederum, im Glauben zu bleiben.
Der Dienst am Nächsten hat da eine wichtige Funktion.
Robert: Krisen erleben die Jugendlichen natürlich auch. Aber wenn man mit Freunden den Weg geht, wird man mitgetragen. Die Jugendlichen halten da sehr zusammen. Aus diesem Aufbruch ist eine Gruppe entstanden, die sich „Helden für Ihn“ nennt. Sie sind über ganz Österreich verstreut, kommen aber bis zu zehnmal im Jahr zusammen. Zum zweiten Mal haben sie jetzt ein Theaterstück, eines über Johannes Paul II., eines über Terese von Avila, selbst geschrieben und es dann aufgeführt – mit Witz und Charme. Das macht vielen, die mit kleinen Kindern kommen, Hoffnung. Sie sehen, dass die großen Jugendlichen – einige sind schon über 20 – den Weg mit Jesus gehen.
Michaela: Was wir jetzt nach all den Jahren schon sehen können: Die zum Teil beachtlichen Mühen, die die Familien auf sich nehmen, haben sich gelohnt.
Robert: Es gibt das Wort von der Familie als Subjekt der Neuevangelisierung. Hier gibt es Missverständnisse. Vielfach versucht man, die Familie einzuspannen: Erstkommunion, Firmung, Tischeltern… Natürlich brauchen wir helfende Hände. Aber uns ist wichtig zu vermitteln: Die größte Evangelisation, die ihr machen könnt, geschieht durch euer „Sein“: eine gute Ehe zu führen, miteinander zu beten, sich Zeit für die Kinder zu nehmen, sie im Geiste Christi zu erziehen. Diese Lebenssubstanz gilt es zu pflegen. Das ist nicht egoistisch. Das strahlt aus! Auf diese Weise geschieht Aufbruch der Familien in unserem Land – übrigens nicht nur durch uns, denn es gibt viele ähnliche Bemühungen, etwa durch die Schönstatt-Bewegung, die Salzburger Familienakademie… Auf diese Weise entstehen Lichtpunkte in unserem Land, die zu leuchten beginnen und das Licht Christi an viele Orte bringen, wo es heute dunkel geworden ist. Johannes Paul II. sagt das so schön: „Ihr seid die lebendigen Seiten des Evangeliums heute.“
Das Gespräch führte
Christof Gaspari.