Viele kennen und beten gern jenes Gebet, das als „Lieblingsgebet“ von Pater Rupert Mayer überliefert ist:
„Herr, wie du willst, soll mir gescheh’n, /und wie du willst, so will ich geh’n, /hilf, deinen Willen nur versteh’n.
Herr, wann du willst, dann ist es Zeit, / und wann du willst, bin ich bereit, / heut und in alle Ewigkeit.
Herr, was du willst, das nehm ich hin, / und was du willst, ist mir Gewinn, / genug, dass ich dein Eigen bin.
Herr, weil du’s willst, d’rum ist es gut, / und weil du’s willst, d’rum hab ich Mut, / mein Herz in deinen Händen ruht.
Am 27. August 1941 schrieb er dieses Gebet an eine Ordensschwester. Er war zu der Zeit im Kloster Ettal interniert. „In schwerster Zeit hat mir dieses Gebet viel Trost bereitet. Hoffentlich bietet es Ihnen auch etwas Freude“, schrieb er dazu. Schwerste Zeiten hat Pater Rupert Mayer in der Tat mitgemacht. Doch als Widerstandskämpfer im Hitler-Reich ließ er sich seinen Mund nicht verbieten, seinen Glauben und sein Gottvertrauen nicht nehmen. „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“, diesen Spruch des Apostels Paulus nahm er sich auch selbst zu eigen.
Unerschrocken trat er als Prediger und Volksmissionar auf, widersetzte sich dem nationalsozialistischen Regime und half den Menschen, wo er nur konnte. Am 1. November letzten Jahres jährte sich sein Todestag zum 70. Mal.
Geboren wurde P. Rupert Mayer am 23. Januar 1876 als Kaufmannssohn in Stuttgart. Mit seinen fünf Geschwistern erhielt er eine religiöse und weltoffene Erziehung. Nach seinem Abitur studierte er Philosophie und Theologie in München, Fribourg und Tübingen. Seine Priesterweihe erhielt er am 2. Mai 1899 in Rottenburg. Er entschied sich, Ordensmann zu werden und wollte dem Jesuitenorden beitreten.
Da dieser damals in Deutschland verboten war, wurde er in Feldkirch in Österreich am 1. Oktober 1900 in diesen Orden aufgenommen. Ab 1906 wirkte er als Volksmissionar in Deutschland, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden. 1912 wurde er nach München berufen, um sich als Seelsorger um die vielen Zuwanderer zu kümmern. In seinen charismatischen Predigten, die ihn rasch berühmt machten, rief er zu innerer Erneuerung auf und nahm zu politischen und gesellschaftlichen Themen klar Stellung.
Als der Erste Weltkrieg ausbrach, wirkte er zunächst als Sanitätshelfer, später als Feld- und Divisionsgeistlicher. Seine nüchterne, unpathetische Art verschaffte ihm leicht Zugang zu den Soldaten. Wie selbstlos und unerschrocken er war, zeigt die Tatsache, dass er sich bei einem Gefecht im rumänischen Sultatal schützend über einen anderen Soldaten warf. Dabei erlitt er eine Verwundung, die zur Amputation seines linken Beines führte. Für diese Heldentat erhielt er als erster Priester des Reiches das Eiserne Kreuz, das er nicht ohne Stolz trug.
Als sich in den 1920er Jahren in Deutschland nach und nach die NS-Ideologie verbreitete, durchschaute er diese rasch und warnte in seinen Predigten unerschrocken davor. Er setzte sich entschieden für die Rechte der Kirche und die Religionsfreiheit ein und erklärte öffentlich, ein Katholik könne nicht Nationalsozialist sein. Er rief die Menschen zur inneren Erneuerung auf und half ihnen in ihrer praktischen Not, wo er nur konnte.
Unzählige Menschen strömten zu dieser Zeit nach München, um Unterkunft, Arbeit und Nahrung zu suchen. Viele fanden aber auch hier nur Armut und Elend. Er half den Notleidenden, wo er konnte, leitete Bittsteller weiter an Behörden und Ämter, teilte „Gutscheine“ aus, die ein Bäckermeister gegen Brot umtauschte. In der Zeit des ärgsten Hungers erbettelte er in der „Krautmetropole“ Ismaning für hungernde Münchner eineinhalb Zentner Krautköpfe.
Als 1935 die Caritassammlung verboten wurde, stellte er sich aus Protest mit der Sammelbüchse vor die St.-Michaels-Kirche. Er kümmerte sich neben dem leiblichen auch um das seelische Wohl seiner Mitmenschen. Kardinal Michael von Faulhaber ernannte ihn 1921 zum Präses der Marianischen Männerkongregation in München, die unter seiner Leitung zu einem Zentrum einer neuen Großstadtseelsorge wurde. Oft hielt er 70 Predigten im Monat.
1925 erfand er die legendären Bahnhofsgottesdienste. Sonntags, wenn die einen an ihrem arbeitsfreien Tag zu Ausflügen in die Umgebung aufbrachen, die anderen aber gerade an dem Tag arbeiten mussten, hielt er bereits um 3.20 und um 4.05 Uhr morgens eine heilige Messe in einer Halle des Hauptbahnhofs und richtete es so ein, dass dort den ganzen Tag über heilige Messen besucht werden konnten. Schon bald galt er als „Apostel Münchens“ und „15. Nothelfer Münchens“ und war überall geliebt und verehrt.
Auch nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wirkte er unbeirrt weiter. Schließlich wurde er aufgrund seiner „staatsschädigenden Reden“ mit Predigtverbot belegt, das er aber nicht beachtete. „Trotz des gegen mich verhängten Redeverbotes werde ich weiterhin predigen“, sagte er. Er konnte und wollte sich dem in seinen Augen ungerechten Naziregime nicht beugen und seine Gebote nicht befolgen, weil er sie als ungerecht erkannte: „Nie dürfen wir für einen faulen Frieden eintreten. Wenn es um Dinge geht, die Gott gebietet, müssen wir durchhalten, auch wenn es Kampf und Streit gibt. Wo die Interessen Gottes in Frage stehen, hört der Frieden auf.“
1937 wurde er durch die Gestapo verhaftet und am 5. Januar 1938 aufgrund „heimtückischer Angriffe auf Partei und Staat“ und „Kanzelmissbrauchs“ zu sechs Monaten Haft verurteilt und in die Strafanstalt Landsberg eingewiesen. Durch eine Amnestie Hitlers kam er noch vor Ende der Haft frei.
Bei seiner Entlassung ließ er demonstrativ sein Eisernes Kreuz in der Zelle zurück und bestieg sofort wieder die Kanzel. Eine erneute Verhaftung brachte ihn im November 1939 in das KZ Oranienburg-Sachsenhausen. Neun Monate verbrachte er dort. Am Ende wog er nur noch 50 Kilo und schwebte in Lebensgefahr.
Da die NS-Machthaber für den Fall seines Todes Unruhen in München befürchteten, wurde er im April 1940 entlassen, aber unter der Bedingung, dass ihm die Kirche Predigtverbot erteile und ihn ins Kloster Ettal verbanne. Kardinal Faulhaber sprach dieses Verbot auch tatsächlich aus. P. Rupert kam am 7. August 1940 nach Ettal und durfte das Kloster bis zum Ende des Krieges nicht verlassen, keine Besuche empfangen, keine Seelsorge ausüben und nur in der Hauskapelle zelebrieren. „Seitdem bin ich lebend ein Toter, ja, dieser Tod ist für mich ... viel schlimmer als der wirkliche Tod, auf den ich schon so oft gefasst war.“
Dem so begnadeten Seelsorger waren die Hände gebunden, doch wusste er in dieser Zeit zu beten: „Herr, wie du willst, soll mir gescheh’n...“ Erst nach Kriegsende durfte er im Mai 1945 nach München zurückkehren. Obwohl selbst krank und erschöpft nahm er sich sofort der Not seiner Mitmenschen an. Er half der ausgebombten Bevölkerung durch Beschaffung von Unterkünften und Lebensmitteln. „Christus müssen wir in den Armen sehen“, war seine Lebenseinstellung und nichts tat er lieber, als für die Menschen da zu sein, sich aufzuopfern für ihr Wohl und Heil. Dabei wurden seine eigenen Kräfte jedoch völlig erschöpft.
Am Allerheiligentag 1945 predigte er noch in München. Während der Predigt erlitt er einen Schlaganfall und verstarb noch am selben Tag. „Der Herr“, waren die letzten Worte seiner abgebrochenen Predigt – Worte, die gleichzeitig Mitte, Sinn und Ziel seines Lebens markieren. Durch seine Beinprothese blieb er auch im Sterben stehend – ein wunderbares Symbol für seine Standhaftigkeit, die er sein ganzes Priesterleben hindurch bewies. „Nicht einmal im Tod fiel er um“, sollten die Münchner später über ihn sagen. Zehntausende Menschen gaben ihm das letzte Geleit, als er zunächst auf dem Klosterfriedhof in Pullach beigesetzt und Jahre später am 23. Mai 1948 in den Untersaal der Bürgersaalkirche überführt wurde. Am 3. Mai 1987 wurde der Apostel Münchens durch Papst Johannes Paul II. selig gesprochen. Seine Zivilcourage und sein soziales Engagement wurden als beispielhaft hervorgehoben.
Auch heute ist seine Ausstrahlung ungebrochen. Sein Grab ist zu einer Pilgerstätte geworden. Unzählige Kerzen brennen vor der Bronzebüste des Jesuitenpaters, die schon von Millionen Händen abgegriffen ist. „Wir werden mutig, wenn wir uns in Gottes Hand geborgen wissen“, ist ein Wort des Seligen, das uns überliefert ist. Tapfer und unerschrocken wusste er auch in schweren Zeiten zu leben und zu wirken. Wieviel Trost kann uns sein Gottvertrauen auch heute noch schenken! Sein Leben will uns Ansporn sein, auch selbst zu Gott in den guten wie schweren Zeiten unseres Lebens zu beten: „Herr, weil du’s willst, d’rum ist es gut, und weil du’s willst, d’rum hab ich Mut, mein Herz in deinen Händen ruht.“