VISION 20002/2016
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Herausgefordert ist unser Glaube

Artikel drucken Höchste Zeit, einen realistischen Blick auf den Islam zu werfen (Von Weihbischof Andreas Laun)

Gefragt, was er über Islam und Muslime denkt, hätte vor rund 300 Jahren wohl jeder Katholik geantwortet: „Der Islam ist eine falsche Religion, die Muslime sind unsere Feinde. Hätten sie Wien erobert, wäre es eine Ka­tastrophe für ganz Europa gewesen.“ Wie aber lautet die „katholische“ Antwort heute?

Die Antwort gibt es nicht, nur viele Antworten, die sich teilweise widersprechen: Der Islam – eine Religion, die wir achten und ehren; eine Brutstätte des Terrors; eine „abrahamitische Religion“, die Christen sehr nahe steht; eine Weltkultur; der Islam, eine Wurzel Europas und jetzt bei seiner „Rückkehr“ eine Bereicherung…
Die Hauptschwierigkeit beim Reden über den Islam scheint die Frage zu sein, wovon die Rede ist und was wir auf die Waagschale der kritischen Prüfung legen: die Texte des Koran? Die Scharia, das, was im Namen des Islam weltweit geschieht? Das Leben des Mohammed? Die Geschichte des Islam? Die Motive heutiger Terroristen? Berichte über Todesurteile und Auspeitschung Unschuldiger? Saudi-Arabien oder die Türkei: Welcher Staat ist mehr „genuin moslemisch“?
Oder ist der Maßstab des Urteils das Verhalten der Mehrheit? Darf man bei dieser Prüfung auf die schrecklichen Dinge verweisen, die im Namen des Islam geschehen sind, heute noch geschehen und als „muslimisch authentisch“  verteidigt werden? Oder genügt es umgekehrt, die Konzilstexte zu lesen, um zu wissen, wie gut der Islam doch eigentlich ist: weil Muslime Gott den „alleinigen, lebendigen, barmherzigen“ nennen, obwohl Er barmherzig nur zu den Muslimen sein will und auch ein ganz anderes Bild von Abraham, Jesus und Maria hat als Christen? Ist er wirklich eine irgendwie gute Religion? Oder nur teilweise oder vielleicht nur scheinbar?
Eine andere Möglichkeit wäre zu sagen: „Der Islam“ mag sein, wie er will, „den Islam“ gibt es ohnehin nicht, uns heute interessiert nur der „real existierende Islam“, das heißt, wichtig ist nur, welche Muslime heute das Sagen haben, wie sie sich benehmen, was sie denken, welche Ziele sie verfolgen und womit wir Christen in den nächsten Jahrzehnten rechnen müssen. Vielleicht mit einer Islamisierung Europas, wie sie der französische Schriftsteller Michel Houellebecq  in seiner politischen Fiktion Die Islamisierung Frankreichs im Jahre 2022 als Unterwerfung gerade auch der atheistischen Elite  beschrieben hat? Fragen über Fragen.
Es gibt aber noch einen ganz anderen Zugang: Im Licht des Glaubens gesehen, sind Muslime Menschen. Sie kommen mit der Erbsünde zur Welt, sind der Erlösung bedürftig, Gott hat ihnen Sein Gesetz „ins Herz geschrieben“. Durch Christus sind sie gerufen zur Gemeinschaft mit Gott. Es gibt keinen Menschen –  daher auch keinen Muslim –, der nicht im Heiligtum des Gewissens ständig Gott begegnete und an dessen Herz nicht die Gnade Gottes ständig anklopfte. Kein Wunder, dass die Muslime manches von Gott erkannt haben, das der Wahrheit entspricht und uns mit Freude erfüllen soll, wie es uns auch das Konzil nahe legt.
Gott will, dass ich die Muslime als meine Brüder und Schwestern – nicht im Glauben, aber als Menschen –  liebe „wie mich selbst.“ Außerdem verpflichtet mich Gottes heiliges Gesetz dazu, ihnen die Freiheit zu lassen, nach ihren religiösen Vorstellungen zu leben, auch jenen, die falsch sind, solange dies nicht Verbrechen ein­schließt wie Tötung von Nicht-Muslimen oder Muslimen, die Christen geworden sind.
Das ist noch nicht alles: Gott sagt mir zudem, ich soll ihnen das Evangelium verkünden. Wie das, wenn sie sich, wie die Erfahrung zeigt, weigern, die christliche Botschaft auch nur anzuhören? Wahrscheinlich ist die richtige Antwort diese: Wenn sie schon das Wort des Glaubens nicht hören wollen – das Wort der geduldigen, unermüdlichen, grenzenlosen christlichen Liebe, Verkündigung wie jene Mutter Teresas also, werden viele doch  verstehen und so zu Christus finden.
Natürlich, wir dürfen nicht aufhören, nach Wegen zu suchen, um auch ihnen das Wort Christi unmittelbar zu verkünden. Aber solange wir diese „Wege“ nicht finden oder sie schlechthin ungangbar zu sein scheinen, dürfen wir die große Mehrheit der Muslime der Barmherzigkeit Gottes anheim geben: Seine Gnade wird auch für sie Mittel und Wege finden, um viele von ihnen zu retten – „Mittel und Wege“, die wir nicht kennen und nicht verwalten können.
Auch die Muslime sind ja vor allem Seine geliebten Kinder, nicht unsere, Er ist ihr Erlöser und ihr Hirte, wir nur Seine „unnützen Knechte“. Für die Bekehrung der Muslime zu Christus gilt wohl ähnliches wie das, was die Kirche für die Juden erwartet: Zu einer „Gott allein bekannten Stunde“ werden die Juden in Jesus den von ihnen so lange schon ersehnten Messias entdecken und die Muslime werden begreifen, dass Christus und nicht Mohammed „der Prophet“ war und mehr als ein Prophet ist, nämlich der „Sohn Gottes“, der um unseres Heiles willen Fleisch und „einer von uns“ geworden ist.
Sind diese Betrachtungen im Licht des Glaubens alles, was wir über die Muslime denken und sagen können? Nein, keineswegs. Es bedarf einer großen Erneuerung, und dazu gehören:
Wahrhaftigkeit: Die Liebe ist keine „Rosabrille“, sie rechtfertigt weder Wunschdenken noch Blauäugigkeit. Wahre Liebe ist Wahrheit und will Wahrheit. Wahr aber ist: Im Koran gibt es viele „Schläfer“-Texte: Unschädlich, wenn sie niemand beachtet, aber wenn man sie „weckt“, also wörtlich nimmt und danach handelt, sind sie hoch gefährlich. Über diese Texte muss man reden, ebenso über manche Taten des Mohammed, weil er den Muslimen als absolutes Vorbild gilt, und reden muss man auch über so manche Bestimmungen der Scharia.
Realismus: Christen sollten sich keinen Illusionen hingeben: Werden die Muslime den christlichen oder laizistischen Europäern es auf Dauer überlassen, was in Europa geschieht? Die Erfahrung der Geschichte belegt ein unerbittliches Gesetz: Diejenigen, die die Macht haben, setzen als Sieger ihre Macht auch ein und zwar ihren Vorstellungen entsprechend und  ohne Rücksicht auf die Unterlegenen!
Da die Macht in Europa demokratisch verteilt wird, heißt das: Sobald die Muslime die Mehrheit bilden oder durch Koalitionen die Macht erringen können, werden  sie nach den Prinzipien der demokratischen Gerechtigkeit das Natürlichste der Welt tun: Sie werden das verlogene Gerede von „europäischen Werten“ ignorieren und Europa im Sinne des Islam umbauen.
Ist das eine These, die Muslime diskriminiert oder ihnen gegenüber Feindschaft ausdrückt? Keineswegs, wenn darin Kritik enthalten ist, dann Kritik an den Europäern: Wenn diese nämlich fortfahren, trotz allen drohenden Unheils sich selbst auszurotten und die Vernichtung der nächsten Generationen mit Steuergeld zu bezahlen, solange sie ihren Kampf gegen Gottes Schöpfungsordnung mit ihrer Gender-Ideologie vorantreiben und jede Unmoral zur Verhöhnung Gottes verherrlichen, ist ihr Schicksal besiegelt, Europa wird ein muslimischer Kontinent werden, die Menschen werden sich der Scharia unterwerfen müssen, Europa wird das Schicksal des einst christlichen Nordafrika ereilen, seine Heiligtümer werden umgewidmet oder zerstört.
Zurück zum Glauben: Die Katholiken (hoffentlich auch die anderen Christen) müssten sich endlich darauf besinnen, was sie sind, nämlich Menschen, die alles glauben, was Jesus Christus durch die heilige, römisch-katholische Kirche lehrt; Menschen, die ihr Leben der Geschichte Gottes mit den Menschen be­wusst einfügen. Ohne wirkliche Umkehr, ohne die Bereitschaft, zuerst die Balken im eigenen Auge herauszuziehen, bevor sie die Splitter aus den Augen ihrer muslimischen Brüder zu entfernen suchen, wird es nicht gehen. Stark genug und fähig zur Begegnung mit dem Islam, ohne die eigene Identität zu verlieren, sind nur Christen – Laizisten und Gotteshasser sind es nicht.
Liebe zum Leben: Die Christen müssen sich für eine „Option für das Leben“ entscheiden, so nämlich, dass, während sich die agnostisch-atheistischen Laizisten weiter selbst ausrotten, Katholiken und alle Christen genauso viele Kinder haben wie die Muslime, ja sogar mehr. Nur dann können sie den Dialog, den uns das Konzil ans Herz gelegt hat, „auf Augenhöhe“ führen. Denn ohne diese Gleichrangigkeit verwandelt sich der Dialog, mitbestimmt von der Höhe der Geburtenrate, sehr rasch in ein Diktat. Wenn die Katholiken diese „Option für das Leben“ annehmen, werden sie merken, wie weit sie sich gerade auf diesem Gebiet schon verirrt hatten.
Eucharistie, Gebet und Umkehr: Vor allem, wieder und wieder und so würdig wie möglich bedarf es der Feier der heiligen Messe und der Anbetung, also des „offenen Himmels“ auf Erden, der wichtigsten Begegnung zwischen Gott und Mensch. Und natürlich bedarf es aller anderen Sakramente und eines Gebetssturmes.
Die Muttergottes in Fatima hat versprochen: Durch das Gebet, und sie nennt dabei vor allem den Rosenkranz, könnt ihr selbst die nächste drohende Katastrophe verhindern, die Katastrophe nämlich, die die logische Folge des großen Abfalls von Gott, von seiner Schöpfungsordnung und von seinen Geboten wäre.
Weder der Glaube noch die Liebe in der Ehe, zu den Kindern, zum Leben lassen sich befehlen. Retten können uns nur noch die Umkehr und damit die Gnade Gottes.
Mission an den Muslimen: Achtung vor den Menschen und Achtung vor dem Guten, das sich auch bei den Muslimen findet! Aber keinen wirklichen Respekt vor dem Erbe Mohammeds! Nochmals: Respekt für jeden Menschen, aber nicht für den Irrtum, nicht für eine Offenbarung, die keine ist und die Mohammed selbst am Anfang für möglicherweise teuflischen Ursprungs hielt! Was wir den Muslimen schulden, ist das, was wir für  jeden Nicht-Christen tun wollen: Ihm Christus verkünden und ihn zu Christus führen! Nicht mit Gewalt, vielmehr mit Geduld, mit Vertrauen auf Gottes Gnade, ohne die es keinen Glauben gibt, mit Behutsamkeit, mit der zärtlichen Liebe eines guten Hirten, also Mission im katholischen, biblischen Sinn des Wortes!
Mein persönliches Vorbild dabei ist der Apostel Andreas: Er spricht seinen Bruder Simon an, erzählt kurz von seiner Begegnung mit Jesus und dann macht er nur eines: Andreas führt seinen Bruder Simon zu Jesus und dann überlässt er ihn Jesus selbst, dessen Blick, dessen Wort und dessen Heiligkeit!

Dieser Artikel ist eine vom Autor überarbeitete Fassung seines Beitrags in VISION 1/06

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