Nach seiner Priesterweihe 1901 verbrachte Charles de Foucauld den Rest seines Lebens bis zu seiner Ermordung 1916 als Einsiedler unter Muslimen in Algerien – unscheinbar, aber dennoch missionarisch.
Für ihn gab es keinerlei Zweifel: Seine Anwesenheit unter den muslimischen Völkern, denen gegenüber er eine moralische Verpflichtung verspürte, war nur insofern sinnvoll, als sie auf Evangelisation abzielte. Und so trug er tatsächlich auch ein brennendes Verlangen in sich, diese „Ungläubigen“ zu bekehren – nicht aus politischer Berechnung, sondern weil er sie liebte. Er feierte Messen in dieser Intention und verwarf die weitverbreitete Vorstellung, Muslime seien unbekehrbar.
Eine solche Sichtweise – er warf sie den französischen Verantwortlichen vor – lief seiner Ansicht nach darauf hinaus, die Muslime als „mindere Wesen“ anzusehen, unfähig „die Wahrheit zu erkennen und sich zur wahren Kultur zu erheben.“ Er sah dies als unerträglichen Mangel an Barmherzigkeit an.
Obwohl er kein Islamexperte war – er zog die Heiligkeit der Wissenschaft vor und suchte eine Beziehung des Miteinander zum anderen, indem er dessen Sprache, Traditionen und Bräuche erlernte –, kannte Bruder Karl die Vorbehalte des Korans gegenüber dem Christentum. Aus diesen hatte er folgenden Schluss gezogen: Allein die Nachfolge Christi in allem und jedem (Geradlinigkeit, Gerechtigkeit, Güte, Übung der Tugenden, Demut, Dienstbereitschaft, unbedingte Selbstlosigkeit) würde das Herz der Muslime für die Erkenntnis des in Seinem Wort offenbarten Gottes öffnen können.
In seiner Mitteilung vom 29. Juli 1916 erläuterte er seine „Methode“: „Mein Leben besteht also darin, so viel wie möglich in Beziehung zu dem, was mich umgibt, zu stehen und alle Dienste zu leisten, die ich zu erbringen vermag. In dem Maß, wie sich Vertrautheit einstellt, spreche ich dann – stets unter vier Augen – kurz vom lieben Gott. Dabei teile ich jedem mit, was er zu tragen vermag: das Meiden der Sünde, einen Akt der vollkommenen Liebe, der vollkommenen Reue, die zwei großen Gebote der Gottes- und Nächstenliebe, die Gewissenserforschung, die Meditation der letzten Dinge (...) Dabei gebe ich jedem so viel, wie er zu tragen vermag und gehe langsam und vorsichtig vor.“
Indem er vollkommen die von ihm erwählte verborgene Spiritualität von Nazareth lebte, hat Charles de Foucauld auf diese Weise nie seine Identität verschwiegen noch das, was ihn zur Wahl seines radikalen Weges veranlasst hatte: „Das Bild des Kreuzes, des Heiligsten Herzens ließ schon von weitem erkennen, welchem Glauben dieser weiße Mann anhing. Niemand konnte das übersehen,“ hält Charles Biograph Bazin fest.
Er zitiert General Laperrine, einen Freund des Eremiten, der geschrieben hatte, „dass seine Bekleidung eine Predigt darstellte.“ „Er gab ein diskretes, demütiges Zeugnis, das jedoch eindeutig und klar erkennbar war,“ hält seinerseits Jean-Mohamed Abdeljalil, ein bekehrter Marokkaner, der Franziskaner geworden war, fest.
Auszug aus L'homme nouveau v. 12.11.05