Im Dezember wurden an vielen Orten weltweit im Rahmen des „Außerordentlichen Jubiläums der Barmherzigkeit“ „Heilige Pforten“ eröffnet. Der folgende Beitrag will jenen, die dorthin Wallfahrten organisieren, Anregungen bieten. Er beleuchtet, die große Chance der Erneuerung, die das Jahr eröffnet, und ermutigt, diese zu nutzen.
Die Heilige Pforte als Symbol
Die „erste“ Heilige Pforte ist das für uns am Kreuz geöffnete Herz Jesu. Alle haben immer Zugang zur Barmherzigkeit Gottes. In den Jubiläumsjahren zuvor wurde nur in Rom eine Heilige Pforte geöffnet. Jetzt ist dieser Brauch ausgeweitet auf alle Ortskirchen, damit alle Gläubigen diese geistliche Erfahrung machen können.
• Die Pforte als Ort, der durchschritten wird. Drei Schritte:
A) Wir gehen aus von unserer konkreten Lebenswirklichkeit.
B) Wir rechnen mit der Möglichkeit von Veränderung.
C) Wir rechnen damit, dass es „hinter der Pforte“ (jenseits unserer Erfahrung) neue Möglichkeiten geben könnte, überraschende Entdeckungen, die wir bisher noch nicht erkundet haben.
Vielleicht kann es nach jahrelanger Abstinenz aufgrund negativer Beichterfahrungen mit inkompetenten Priestern zu einer ganz neuen Entdeckung jenes Sakramentes kommen, mit dem Gott ununterbrochen uns Seine Barmherzigkeit zudienen will.
Nachdem wir die von Gott her ungeschuldete und von uns her unverdiente Barmherzigkeit erfahren haben, können wir entdecken, dass auch wir uns auf einen Prozess der Vergebung auf tiefer Ebene einlassen und mit dem Herzen, nicht nur mit dem Willen, allen unseren bekannten und unbekannten „Feinden“ vergeben, also allen, denen wir etwas vorzuwerfen haben, allen, die uns etwas angetan haben oder von denen wir glauben, sie hätten uns etwas angetan.
Und das „funktioniert“ auch über den Tod hinaus; denn selbst der Tod ist keine Grenze für unsere Barmherzigkeit.
• Das Durchschreiten der Pforte lädt zu neuen Haltungen ein: Wir nehmen Abschied von geistlicher Selbstgenügsamkeit oder gar Verhärtung und erbitten Erneuerung: z. B. eine besondere Gnade oder eine neue Beziehung zu Gott Vater und zu den Mitmenschen. Unsere antwortende Liebe zu dem, „der uns zuerst geliebt hat“ (1Joh 4,10), lässt uns bewusst werden, wie sehr wir geliebt sind und wieviel uns geschenkt ist. Wir erkennen, wie sehr wir den Urheber unseres Lebens aus unserem Leben hinausgedrängt haben. Es keimt der Wunsch, Ihn nun zum Mittelpunkt und zum Zielpunkt unseres Lebens zu machen.
• Nach dem Durchschreiten der Heiligen Pforte sind wir eingeladen, uns im Gebet zu sammeln und die letzten, inneren Schritte des Pilgerweges zu gehen; dazu bedarf es eines aufnahmebereiten Herzens, damit die Gnade Früchte tragen kann. Wir sprechen das Glaubensbekenntnis und ein Gebet für den Papst und seine Anliegen. Letzteres ist zumindest ein Vaterunser, es sollte aber nach Möglichkeit mehr als das sein. Im Geiste dieses besonderen Heiligen Jahres bietet sich das von Papst Franziskus eigens verfasste Gebet an. Zum Abschluss dieser persönlichen Gebets- und Betrachtungszeit bietet sich die Anrufung der göttlichen Barmherzigkeit an, beispielsweise mit dem Satz „Barmherziger Jesus, ich vertraue auf Dich.“
• Die Pforte ist immer offen: Die Öffnung und Schließung der „Heiligen Pforte der Barmherzigkeit“ könnte den Trugschluss nahelegen, als gäbe es in diesem Jahr eine besondere oder mehr Barmherzigkeit als vorher und nachher. Das stimmt nicht. Sondern dieses Jubiläumsjahr soll uns bewusst machen, dass es so etwas gibt wie Barmherzigkeit, die wir aber entweder falsch verstehen oder nicht wahrhaben wollen.
Die missverstandene
Barmherzigkeit
Falsch verstandene Barmherzigkeit als Nicht-Ernstnehmen von schuldhafter Realität, z. B. „Nun wollen wir mal ,die Fünf gerade sein lassen’“, „Schwamm drüber, vergessen wir’s“, oder Barmherzigkeit als große Generalamnestie, bis hin zur Rechtfertigung ungeordneter Lebensverhältnisse. Das Nicht-wahrhaben-wollen von Barmherzigkeit zeigt sich im Unschuldswahn, wofür der Zusammenbruch der Beichtpraxis ein Beweis ist. Sind wir schon alle so vollkommen in der Nachfolge Jesu oder ist uns aufgrund mangelnder Katechese, falscher Beichtvorbereitung die Sündenerkenntnis abhandengekommen? Da empfiehlt sich die Lektüre Gotteslob 593 (Das Sakrament der Buße und der Versöhnung).
Was Barmherzigkeit ist
Überraschend: Barmherzigkeit ist etwas, was wir eigentlich gar nicht hören wollen, weil sie unsere pastorale Behaglichkeit und Wohlfühl-Mentalität stört. Gottes Barmherzigkeit ist nämlich nur zu verstehen als Kehrseite des gerechten Zornes Gottes, von Gericht und Strafe, gewollt und ausgelöst durch unsere Sünden.
Damit aber haben wir gründlich aufgeräumt. Also kann es auch keine richtig verstandene Barmherzigkeit geben. Aber erst, wenn wir (auf dem Hintergrund des Gottesbildes eines uns liebenden Vaters) die Abscheulichkeit unserer Sünde und die Schrecklichkeit ihrer Folgen („Sündenstrafen“) erkennen, sie Gott bekennen und um Vergebung bitten, dann erst können wir auch seine Barmherzigkeit nicht nur erkennen, sondern erfahren.
Wo wir aber unsere Sünden verleugnen, schönreden, bagatellisieren oder sogar rechtfertigen, da erfahren wir vielleicht eine Form von Gewissensberuhigung, aber niemals die Barmherzigkeit Gottes. Gericht und Barmherzigkeit Gottes sind zwei Seiten einer Medaille. In dem Augenblick, da ich die Erkenntnis meiner Sünde zulasse, erfahre ich gleichzeitig und sofort die Barmherzigkeit Gottes als das Gegenteil seines Zornes, den ich gerechterweise verdient habe. Das ist die Wahrheit des Sprichwortes: Gnade vor Gericht ergehen lassen. Es ist zu befürchten, dass – wenn wir nicht zu diesen verdrängten Wahrheiten vorstoßen – das „Jahr der Barmherzigkeit“ zu einem liturgisch festlich inszenierten und grandiosen kirchlichen Selbstbetrug wird.
Unterscheidung: echte und falsche Schuldgefühle
Schuldgefühle haben keinen guten Ruf, sie stehen unter Generalverdacht, und darum ist es am besten, sie gar nicht zu haben. Irrtum. Echte Schuldgefühle verweisen mich auf eine echte Schuld, die ich auf mich geladen habe und konkret in Raum und Zeit festmachen kann. Sie machen mich aufmerksam auf meine Sünde, führen mich zur Reue, zum Bekenntnis und treiben mich so direkt in die Arme des Barmherzigen Vaters. Echte Schuldgefühle führen von mir weg und in den Lobpreis: Mein Gott, wie gut bist du!
Falsche Schuldgefühle lassen sich nicht an einer konkreten, persönlichen Schuld festmachen, sondern haben damit zu tun, dass mir diese Schuldgefühle eingeredet worden sind und als „strenger innerer Richter“ mein Selbstbild bestimmen.
Unterscheiden: „sich schuldig fühlen“ – „schuldig sein“
So kann man sich schuldig fühlen, ohne schuldig zu sein. Falsche Schuldgefühle sind auch daran zu erkennen, dass sie mit zwar heftiger, aber fruchtloser Selbstanklage einhergehen, wobei der Mensch um sich selbst kreist: Wieso bin ich so schlecht?! Hier wäre die Beichte kontraproduktiv, weil dadurch der Beichtende in seiner irrtümlichen Selbsteinschätzung bestätigt würde; hier geht es vielmehr um Heilung der negativen Erfahrungen und Erinnerungen.
Der Ablass
Zum Jubiläumsjahr gehört der Ablass. Es ist nicht sinnvoll, aufgrund protestantischer Missverständnisse oder falscher ökumenischer correctness diese richtig verstandene katholische Wahrheit zu verschweigen. Um den Ablass als das zu verstehen, was er ist, müssen wir „Sünde“ und „Sündenstrafen“ unterscheiden. Schon beim Begriff „Sündenstrafen“ stellen sich katastrophale Missverständnisse ein. Wir denken sofort an die Strafen, die uns nach begangener Untat auferlegt wurden. Genau darum geht es aber nicht.
Bei den „Sündenstrafen“ handelt es sich um die den Sünden innewohnenden Folgen. Gott vergibt die Sünden aufgrund der Reue. Die Sündenstrafen/Folgen können nicht vergeben werden, sondern die müssen „abgearbeitet“ werden, hier oder „drüben“ (Fegfeuer). Hier können wir das tun durch das bereitwillige Ertragen von „Kreuz und Leid“, an dem es ja gewöhnlich nicht fehlt. Dabei kommt uns die Kirche zu Hilfe. „Der Ablass wird gewährt durch die Kirche, die kraft der ihr von Jesus Christus gewährten Binde- und Lösegewalt für den betreffenden Christen eintritt und ihm den Schatz der Verdienste Christi und der Heiligen zuwendet, damit er vom Vater der Barmherzigkeit den Erlass der für seine Sünden geschuldeten zeitlichen Strafen erlangt. Auf diese Weise will die Kirche diesem Christen nicht nur zu Hilfe kommen, sondern ihn auch zu Werken der Frömmigkeit, der Buße und der Nächstenliebe anregen“ (KKK 1478).
Den Ablass können sogar die Gefangenen erlangen in den Gefängniskapellen und jedes Mal, wenn sie durch die Tür ihrer Zelle gehen und dabei ihre Gedanken und ihr Gebet an Gottvater richten, so Papst Franziskus in seinem Brief an den Präsidenten des Päpstlichen Rates für die Förderung der Neuevangelisierung, Erzbischof Fisichella.
Klarstellung
Am 13. Dezember berichtete die „Tagesschau“ von der Öffnung der Heiligen Pforte im Liebfrauendom zu München durch Erzbischof Reinhard Kardinal Marx und kommentierte: „Dem Gläubigen, der durch eine solche heilige Tür geht, werden nach katholischem Glaubensverständnis Schuld und Sündenstrafen erlassen“. Das klingt nach Automatismus und Magie, als ob es „billige Gnade“ gäbe, ohne persönliche Umkehr und Bekehrung. Aber so einfach ist das nicht.
Die Gewinnung des Ablasses ist an Bedingungen geknüpft. Der Gläubige muss sich im Stande der Gnade befinden (nach gültiger Beichte). Weiters muss er frei sein von jeglicher Anhänglichkeit an die Sünde, auch die lässliche. Er muss seine Sünden sakramental beichten, die Heilige Messe mitfeiern und die Heilige Eucharistie empfangen sowie nach der Meinung des Papstes beten. Also alles andere als „billige Gnade“.
Wenn die alten und kranken Menschen, die das Haus nicht verlassen können, Krankheit und Leid als Erfahrung der Nähe des Herrn mit Glauben und Hoffnung als Moment der Prüfung leben und die Kommunion empfangen, wird dies für sie die Weise sein, den Jubiläumsablass zu gewinnen, so Papst Franziskus.
Fazit
Das Jahr der Barmherzigkeit ist eine Chance für die Erneuerung der Kirche. Sie ereignet sich jedoch nur insofern, als sich einzelne auf einen Prozess der Bekehrung einlassen. Voraussetzung dafür ist die Bereitschaft, persönliche Schuld anzuerkennen; dann erst kann die Barmherzigkeit Gottes zur Erfahrung werden.
Der Autor ist Missionsbenediktiner von St. Ottilien, zur Zeit im Generalat der Benediktiner in Rom tätig.
Hilfe, um den Jubiläumsablass zu erlangen
Der Folder stellt die drei Hauptmöglichkeiten vor, den Jubiläumsablass zu erlangen: 1. Das Durchschreiten der Heiligen Pforte. 2. Für Kranke und alle, die das Haus nicht verlassen können. 3. Wenn ein Gläubiger ein Werk der Barmherzigkeit tut.
Es geht darum, „negative Spuren“ der in der Beichte vergebenen Sünden zu beheben. „Mehr in der Liebe wachsen als erneut in die Sünde zu fallen“ (Papst Franziskus) ist eine kostbare Wirkung des Ablasses. Wo ein Ablass erlangt wird, da tut sich was. Wir empfehlen den Folder jenen, die ein Ablass annehmen möchten.
Bestelladresse: P. Franz Ornetsmüller OSFS, Ettingshauseng. 1, 1190 Wien, bzw. ornetsmueller@osfs.eu
Weiters: www.osfs.eu