Ihr seid Gesprächspartner Gottes! Seit Ihr in der Taufe zu Christus gehört, hat Gott Euch in Christus zu seinen Söhnen und Töchtern adoptiert. Seid Euch dieser hohen Würde bewußt! Verspielt nicht diese große Ehre! Gott hat mit jedem von Euch einen ganz persönlichen Plan. Sein Auge ist jedem liebend zugewandt. Er schenkt allen immer sein Ohr. Wie ein treusorgender und feinfühliger Vater ist Er Euch nahe. Er gibt Euch das, was Ihr zum neuen Leben braucht: Seinen Heiligen Geist.
Mit Eurer Eingliederung in die Kirche habt Ihr nicht nur den Namen "Christen", "Gesalbte" erhalten, sondern auch die Salbung des Heiligen Geistes. Deshalb sollt Ihr nicht nur Christen heißen, sondern es in Wahrheit sein.
Der Geist Gottes ruht auf Euch. Denn der Herr hat Euch gesalbt (vgl. Lk 4, 18). Im neuen Leben, das der Taufe entspringt und sich durch das Wort und die Sakramente entfaltet, finden die Gnadengaben, die Ämter und die verschiedenen Formen des gottgeweihten Lebens ihre Nahrung.
Schon der Völkerapostel Paulus hat im Blick auf die Gemeinde von Korinth festgestellt: "Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur einen Geist" (1 Kor 12, 4). Neue Berufungen sind auch heute möglich durch den Heiligen Geist. Dafür muß man eine Umgebung schaffen, die dem Hören auf Gottes Anruf förderlich ist.
Große Bedeutung kommt dabei den Pfarrgemeinden zu. Wenn dort eine Haltung wahrer Treue zum Herrn gelebt wird und ein Klima tiefer Religiosität und ehrlicher Bereitschaft zum Zeugnis herrscht, ist es für einen Berufenen leichter, mit "Ja" zu antworten. Die Lebendigkeit einer Pfarrgemeinde wird ja nicht nur an der Anzahl ihrer Aktionen gemessen, sondern an der Tiefe ihres Gebetslebens. Das Hören auf Gottes Wort auf der einen und die Feier und Anbetung der Eucharistie auf der anderen Seite sind die beiden tragenden Säulen, die einer Pfarrgemeinde Halt und Festigkeit geben.
Das Klagen über den Mangel an Priestern und Ordensleuten hilft wenig. Berufungen sind menschlich nicht zu "machen". Berufungen können aber von Gott erbeten werden. Mein Wunsch ist es, daß Ihr den Herrn der Ernte inständig und stetig um neue Berufungen zum Priestertum und zum gottgeweihten Leben bittet.
... Nicht vergessen möchte ich die christlichen Eheleute. Auch Eure Lebensform ist eine Berufung! Ich spreche Euch mein Lob aus und ermutige Euch in allen Euren Anstrengungen, aus der Gnade des Ehesakramentes zu leben. Eure Familien mögen "Hauskirchen" sein, in denen die Kinder lernen, den Glauben zu leben und zu feiern. Ihr Väter und Mütter seid die erste Schule für Eure Kinder. ...
Bittet den Herrn, daß Eure Kinder einmal den Weg wählen, den Gott mit ihnen plant! Laßt ihnen auch die Freiheit, in die radikale Nachfolge Jesu Christi zu treten, wenn sie Gottes Ruf dafür verspüren. Kinder sind kein Besitz. Sie sind Euch von Gott für eine bestimmte Zeit anvertraut. Eure Sendung besteht darin, sie in die Freiheit hineinwachsen zu lassen, aus der heraus sie sich verantwortlich binden können.
Auszug aus der Predigt des Papstes bei der Heiligen Messe in St. Pölten am 20.6.1998