Daniel Brottier wurde am 7. September 1876 als zweites Kind einer einfachen, tiefgläubigen Familie in Ferté-Saint-Cyr bei Orléans geboren. Er war von lebendigem Verstand, rechtem Urteil und liebendem Herzen, doch auch ein mutwilliger, ausgelassener Junge, der keinem Streit aus dem Wege ging. Mit fünf Jahren erklärte er seiner Mutter, er werde Papst. „Da musst du zuerst Priester werden“, erwiderte sie. „Dann werde ich eben Priester!“
In der Schule gehörte Daniel zu den Klassenbesten. 1887 empfing er mit 11 Jahren die Erstkommunion: Diese erste persönliche Begegnung mit Jesus prägte ihn nachhaltig, und er fühlte sich in seiner Berufung zum Priesteramt bestätigt. „Der Himmel ist ein Erstkommunionstag, der nie zu Ende geht!“, schrieb er später einmal. Im folgenden Oktober kam der Junge auf die bischöfliche Schule von Blois, wo er aufgrund seiner Fröhlichkeit und Tatkraft, aber auch aufgrund seiner Marienfrömmigkeit sehr beliebt war. Bereits damals dachte er daran, Missionar zu werden. 1892 durfte er beim Übertritt auf das Priesterseminar die Soutane anlegen. Obwohl er oft unter heftigen Kopfschmerzen litt, ließ er sich nicht beirren und setzte sein Studium fort. Nach seiner Priesterweihe am 22. Oktober 1899 wurde er an das Collège von Pontlevoy entsandt. „Sie sind der geborene Erzieher“, versicherte sein Bischof. Abbé Brottier kam bei den Jugendlichen sehr gut an. Doch seine Berufung zum Missionar ließ ihm keine Ruhe.
Auf den Rat seines Beichtvaters hin bewarb er sich 1901 um Aufnahme in die Missionsgesellschaft vom Heiligen Geist, die sich vor allem in Schwarzafrika engagierte. „Ich kann es kaum erwarten, mein Leben und mein Blut für die Verbreitung der Guten Nachricht darzubringen ...“, schrieb er. Gegen seine Berufung gab es reichlich Widerstand: sowohl von seinem Bischof, der keinen beliebten Geistlichen verlieren wollte, als auch von seiner Familie.
Daniel wurde 1902 in das Noviziat aufgenommen. Nach seiner Profess bekam er seinen Einsatzort mitgeteilt: Zu seiner Enttäuschung war es nicht der Busch, sondern eine Pfarrgemeinde in Saint-Louis im Senegal. Er gewöhnte sich dort rasch an das Klima und an die Einwohner. Im Auftrag des leitenden Pfarrers der Gemeinde, P. Jalabert, sollte sich P. Brottier um die Rettung der Jugendlichen bemühen. 1911 erlitt P. Brottier eine Knie- und Kopfverletzung, die ihn monatelang auf Pflege angewiesen sein ließ und seine Kopfschmerzen so unerträglich machte, dass die Ärzte ihm zur Rückkehr nach Frankreich rieten. Er sah Afrika nie wieder, sammelte jedoch bis zu seinem Tode auf Bitten seines ehemaligen Pfarrers, Mgr. Jalabert, der zum Bischof von Dakar ernannt worden war, Spenden zur Errichtung einer Kathedrale in Dakar.
Am 2. August 1914 kam es zur Kriegserklärung Deutschlands an Frankreich. P. Brottier meldete sich freiwillig für den Dienst in der Militärseelsorge und wurde ein vorbildlicher Militärpfarrer: In den vier Kriegsjahren war er stets an vorderster Front zu finden und stand dort französischen wie deutschen Verletzten und Sterbenden bei. Daneben führte er einen regen Briefwechsel und betreute auf diesem Wege Kriegerwitwen und Mütter, die ihren Sohn verloren hatten. In seiner Freizeit spielte er gern Karten mit den Offizieren und Soldaten, denn er sah darin einen Weg, die Leute in ihrem Herzen und in ihrer Seele zu erreichen. Zum Osterfest 1915 gelang es ihm, eine ganze Kompanie – Offiziere wie Soldaten – zur Beichte zu bewegen.
Am Vorabend einer von vornherein zum Scheitern verurteilten Offensive begab er sich einmal auf eigene Faust zum Führungsstab, überzeugte die Offiziere von der Aussichtslosigkeit des Vorhabens und rettete so Hunderte von Menschenleben. Seine Haltung war eine große Stütze für die Moral der Soldaten. „Und dennoch habe ich genauso Angst wie jeder andere!“, versicherte er. Da er offenkundig unter einem besonderen Schutz des Himmels stand – er hätte hundertmal umkommen können – nannte man ihn das „Glückskind unter den Geistlichen“. Er kehrte mit vielen Auszeichnungen aus dem Krieg zurück. Bischof Jalabert erklärte später, er habe sein Foto in ein doppelt gefaltetes Bild von Schwester Therese vom Kinde Jesus gesteckt und „Behüte meinen P. Brottier, ich brauche ihn“ darauf geschrieben. Der Pater selbst verehrte seine Beschützerin mit besonderer Inbrunst. „Wenn sie seliggesprochen wird, verspreche ich, dass ich ihr eine schöne Kapelle errichten werde“, erklärte er voller Dankbarkeit.
1923 wurde P. Brottier zum Leiter des Waisenwerkes „Oeuvre d’Auteuil“ in Paris berufen. Das 1866 gegründete Werk hatte anfänglich alle vier Monate eine neue Gruppe von Kindern von der Straße geholt und auf die Erstkommunion vorbereitet. Nach und nach war eine humanitäre Dimension hinzugekommen: eine Berufsausbildung für die Waisenkinder. Zwei Tage nach der Übernahme der Leitung beschloss P. Brottier, das Versprechen an seine Beschützerin in den Kriegstagen einzulösen und ihr eine Kapelle zu errichten.
Die Waisen wurden zu einer Gebetsnovene eingeladen, und der Pater setzte seine Beschützerin richtig unter Druck: „Ich habe in Zusammenhang mit unserer Kapelle eine Audienz beim Kardinal beantragt. Wenn dir etwas an unserem Projekt liegt, schick mir ein Zeichen: vor dem Besuch 10.000 Francs. Sonst gebe ich den Plan auf.“ Die Novene ging zu Ende, die Stunde der Audienz rückte näher. Nichts. Doch als der Pater ins Taxi stieg, um zum Erzbischof zu fahren, wurde ihm ein Umschlag mit dem gewünschten Betrag überreicht! Der Kardinal billigte den Bau, wandte jedoch ein: „Meinen Sie nicht, dass für die Jungen ein junger männlicher Heiliger besser geeignet wäre als eine kleine Heilige?“ – „Nein, Eminenz: Diese Kinder haben in ihrer frühesten Kindheit keine Mutterliebe erfahren und fühlen eine große Leere in ihrem Herzen; sie werden es sicherlich bald an diese junge Heilige hängen, der sie alles verdanken. Sie wird ihre kleine Mutter sein.“
Bereits 1925, dem Jahr von Thereses Heiligsprechung, waren die Bauarbeiten so weit fortgeschritten, dass Generalsuperior Le Hunsec zu Weihnachten eine Pontifikalmesse in der Kapelle feiern konnte. 1930 schließlich wurde das Gebäude von Kardinal Verdier eingeweiht. Den Pater ließ trotz aller Freude die Sorge um das Schicksal der Waisen nicht zur Ruhe kommen. Die Räume mussten erweitert werden, um möglichst viele Kinder vor den Gefahren der Straße, vor physischem und moralischem Elend bewahren zu können. „Diese Kinder sind meine kleinen Wilden,“ pflegte er zu sagen. Er wollte sie zu Gott führen und litt darunter, dass er sie nicht alle aufnehmen konnte. Er ging betteln und konnte so in vier Jahren die Aufnahmekapazität des Heimes verdoppeln. Bei seinem Tod 1936 gab es 1475 Lehrlinge.
Im März 1932 wurden Mgr. Le Hunsec und P. Brottier von Papst Pius XI. zu einer Audienz empfangen; der Papst segnete den Pater: „Wir müssen die wohltätigen Einrichtungen für unsere lieben Kinder ausbauen,“ sagte er und überreichte eine namhafte Spende, die die Ausbreitung des Hilfswerks in die Provinz anstieß: Fortan wurden jedes Jahr ein oder zwei Häuser eröffnet.
P. Brottier pflegte als Erster zum Morgengebet in der Kapelle zu erscheinen, noch bevor er die Messe las; den Rest des Tages verbrachte er in seinem Büro mit dem Schreiben von Artikeln und Briefen (zuweilen waren es an die 100) sowie mit der Beratung von Jugendlichen und Menschen in Not. Zu Letzteren gehörte auch Louis Delage, ein Großindustrieller, der viele Jahre in Saus und Braus gelebt und nie erwogen hatte, ein christliches Leben zu führen. Als sein Haus von einer finanziellen Katastrophe heimgesucht wurde, verfiel er in tiefe Mutlosigkeit. Auf Anraten eines Freundes suchte er P. Brottier auf. Diese Begegnung verwandelte ihn in einen wahren Christen. „Als ich ihn verließ,“ berichtete Louis Delage, „ergriff der Pater meine Hände und sagte: ‚Haben Sie Vertrauen, kämpfen Sie weiter. Ich weiß nicht, ob Ihr Haus gerettet wird; aber sagen Sie sich, dass der Wille des lieben Gottes stets zu Ihrem Besten ist. Und jedes Mal, wenn Sie die Kräfte schwinden fühlen, Ihre Gedanken um Ihre vermeintlichen Fehler zu kreisen beginnen, halten Sie inne und beten Sie aus ganzem Herzen ein Vaterunser.’ Und ich, der ich der Kirche so fernstand, habe ohne das geringste Bedauern allen Beziehungen und mondänen Anlässen Lebewohl gesagt... Ich kann sagen: Ich habe zwar ein großes Vermögen verloren, aber ein viel größeres gefunden: den Glauben!“
Im Herzen P. Brottiers herrschte ein vollkommener Glaube – ohne Zaudern, schlicht und fest: Er war bereit, sein Leben dafür zu opfern. Quelle seines Glaubens waren die unendliche Wahrhaftigkeit Gottes und Christi sowie die Beständigkeit und Unfehlbarkeit der Kirche. „Wer sind wir“, fragte er, „dass wir mit Gott hadern? Können wir uns nicht einfach demütig fügen, wenn Gott etwas offenbart hat?“
P. Brottier konnten die Irrlehren des Modernismus, der großen Häresie, die in den ersten Jahren seiner Priesterschaft die Kirche heimgesucht hatte, nie erreichen. Er klagte offen über „jene selbsternannten Doktoren, die auf dem Gebiet des Glaubens mehr wissen wollen als der Papst,“ und setzte grenzenloses Vertrauen in die göttliche Vorsehung: „Man darf nicht an ihr zweifeln. Beten und handeln: Damit kann man Berge versetzen.“
1933 zwang ein schwerer Herzanfall P. Brottier, zwei Monate lang die Leitung des Waisenhauses aus der Hand zu geben. Danach verschlechterte sich sein Gesundheitszustand zunehmend. Am 2. Februar 1936 organisierten die Waisen eine kleine Feier, um den Pater dafür zu entschädigen, dass er der Einweihung der Kathedrale in Dakar nicht beiwohnen konnte, obwohl er sich so für sie eingesetzt hatte. Er war tief gerührt und richtete ein letztes Mal das Wort an sie: „Mein Glück finde ich bei euch. Manch einer hat sich gewundert, dass ich nicht nach Dakar gereist bin, um Lorbeeren zu ernten. Aber ich bin nicht mehr in einem Alter, in dem man nach menschlichem Glück strebt.“
Am folgenden Tag erkrankte er an einer doppelten Lungenentzündung. Am 12. Februar empfing er die Sterbesakramente und wurde in ein Krankenhaus eingeliefert, wo er am Morgen des 28. Februar 1936 im Alter von 60 Jahren seine Seele an Gott zurückgab.
P. Brottier wurde 1984 aufgrund der von ihm bewirkten Heilungswunder, Bekehrungen usw. von Johannes-Paul II. seliggesprochen. „Daniel Brottier arbeitete, als hinge alles von ihm ab, obwohl er wusste, dass alles von Gott abhängt“, sagte der Papst. „Er hat die Kinder von Auteuil der heiligen Therese vom Kinde Jesus anvertraut, die er ganz unbefangen zu Hilfe rief; er war sich sicher, dass sie allen wirksam beistehen würde, für die sie ihr Leben geopfert hatte.“