VISION 20004/2016
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Gott vergibt, vergibt…

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Gott wird nicht müde zu vergeben; wir sind es, die müde werden, um Vergebung zu bitten. Gott wird nicht müde zu vergeben, auch wenn Er sieht, dass es Seiner Gnade anscheinend nicht gelingt, starke Wurzeln im Erdreich unseres Herzens zu schlagen; wenn Er sieht, dass die Straße hart und steinig ist und voller Unkraut. Das ist einfach so, weil Gott kein Pelagianer ist, und darum wird Er nicht müde zu vergeben. Er sät immer wieder neu Seine Barmherzigkeit und Seine Vergebung aus und wiederholt es, wiederholt es, wiederholt es… siebzigmal siebenmal.
Dennoch können wir bei dieser Barmherzigkeit Got­tes, die immer „größer ist als unser Sündenbewusstsein“, noch einen Schritt weiter gehen. Der Herr wird nicht nur nicht müde, uns zu vergeben, sondern Er erneuert auch den „Schlauch“, in dem wir Seine Vergebung empfangen. Für den neuen Wein Seiner Barmherzigkeit benutzt er einen neuen Schlauch, damit dieser sich nicht wie ein geflicktes Kleid oder wie ein alter Schlauch verhält. Und dieser Schlauch ist Seine Barmherzigkeit selbst: Seine Barmherzigkeit, insofern sie in uns selbst erfahren wird und insofern wir sie in die Tat umsetzen, wenn wir den anderen helfen.
Das Herz, das Barmherzigkeit empfangen hat, ist nicht ein geflicktes Herz, sondern ein neues, neu erschaffenes Herz. Das, von dem David sagt: „Erschaffe mir, Gott, ein reines Herz und gib mir einen neuen, beständigen Geist!“ Dieses neue, neu erschaffene Herz ist ein guter Behälter.
Die Liturgie bringt das innere Empfinden der Kirche zum Ausdruck, wenn sie uns jenes schöne Gebet sprechen lässt: „Allmächtiger Gott, Du hast den Menschen wunderbar nach Deinem Bild erschaffen und noch wunderbarer erneuert und erlöst.“ Diese zweite Schöpfung ist also noch wunderbarer als die erste. Es ist ein Herz, das weiß, dass es dank der Verschmelzung seiner Erbärmlichkeit mit der Vergebung Gottes neu erschaffen worden ist, und darum ist es „ein Herz, das Barmherzigkeit empfangen hat und Barmherzigkeit schenkt“.
Und so erfährt es die Wohltaten der Gnade auf seiner Wunde und seiner Sünde und spürt, dass die Barmherzigkeit seine Schuld aussöhnt, seine Trockenheit mit Liebe überflutet und seine Hoffnung neu entflammt. Wenn es darum dem vergibt, der ihm etwas schuldet, und sich gleichzeitig und mit ein und derselben Gnade derer erbarmt, die wie er Sünder sind, dann verwurzelt sich diese Barmherzigkeit in einem guten Boden, in dem das Wasser nicht verrinnt, sondern Leben spendet. Bei der Übung dieser Barmherzigkeit, die das Böse des anderen wiedergutmacht, kann niemand besser zu dessen Heilung beitragen als derjenige, der die Erfahrung lebendig hält, in Bezug auf das gleiche Böse selbst Barmherzigkeit empfangen zu haben.
Schau auf dich selbst; erinnere dich an deine Geschichte; erzähle dir deine Geschichte, und du wirst dort sehr viel Barmherzigkeit finden! Wir sehen, dass unter den in der Suchtbekämpfung Tätigen diejenigen, die sich selbst von der Abhängigkeit befreit haben, gewöhnlich die sind, welche die anderen am besten verstehen, ihnen helfen und sie zu fordern wissen. Und der beste Beichtvater ist gewöhnlich der, der selbst am besten beichtet. So können wir uns fragen: Und ich, wie beichte ich? Fast alle großen Heiligen waren (zuvor) große Sünder, oder sie waren sich wie die kleine heilige Theresia bewusst, dass sie es nur dank der zuvorkommenden Gnade nicht gewesen sind.
Auszug aus der zweiten Exerzitienpredigt von Papst Franziskus in der Basilika Santa Maria Maggiore zum Jubiläum der Priester und Seminaristen am 2.6.16

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