VISION 20006/2016
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Schweigen, um Gottes Stimme hören zu können

Artikel drucken († Christine Ponsard)

In welcher Phase unseres Lebens wir uns auch befinden mögen, so ist doch jeder von uns zu einer intimen, persönlichen Beziehung mit Gott berufen – im Inneren seines Herzens. Gott liebt die Menschen je einzeln, nicht als  Masse. Er versammelt uns zwar als Volk, aber dieses Volk besteht aus einmaligen Personen. Mit jedem will Gott eine ganz einmalige Liebesgeschichte. Er liebt uns nie mit einer Liebe „von der Stange“. (…)
Gott lässt jedem das zukommen, was gut für ihn ist – und zwar für ihn allein und auf die Stunde genau. Unser ganzes Leben hindurch offenbart Er uns geduldig und diskret das, was wir imstande sind aufzunehmen. Er lässt uns in dem uns eigenen Rhythmus voranschreiten und dieser muss in keiner Weise mit dem der anderen verglichen werden. Und wir müssen auch keineswegs das, was Gott in uns wirkt, erfassen können – und schon gar nicht im Griff haben. Sehr oft geschieht das ohne unser Wissen: niemals ohne uns, niemals gegen unseren Willen, aber auf so diskrete Weise, dass wir es nicht merken.
Wenn wir also beten, ist das Wichtigste nicht das, was man von außen sieht, ja nicht einmal das, was wir innerlich wahrnehmen: Die größte Bedeutung hat die stille Arbeit Gottes in unserem Inneren, „uns innerlicher als wir uns selbst.“ (hl. Augustinus)
Gott drängt sich nicht auf. Er wendet sich immer mit größter Diskretion an uns, um unsere Freiheit zu respektieren. Niemals wird er uns in eine Falle locken, uns zu etwas nötigen. „Ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem werde ich eintreten, und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir.“ (Offb 3,20) Wenn niemand aufmacht, bleibt Gott an der Tür stehen: Er zwingt uns nie, Ihn aufzunehmen.
Niemand weiß, ob ich dem Herrn meine Tür geöffnet habe – und wie weit. Ebenso wenig weiß ich, ob die anderen es getan haben, selbst wenn sie mir nahestehen: Ehegatte, Kinder, Freunde…
Gott gebärdet sich nie laut, um uns nicht zu erschrecken. Er versteckt sich nicht, aber er macht sich ganz klein, um den, an den Er sich wendet, nicht zu demütigen. Um sich uns zu offenbaren, wird Er Mensch, „gütig und von Herzen demütig“ (Mt 11,29). Sein Wort ist nicht donnernd, sondern „ein sanftes, leises Säuseln“ (1Kön 19,12)
Um es zu hören, müssen wir daher schweigen, uns in die „Kammer“ unseres Herzens zurückziehen. „Du aber geh in deine Kammer, wenn du betest, und schließ die Tür zu; dann bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist.“ (Mt 6,6)
Allerdings ziehen wir uns nicht in unser Heim zurück, um uns dort in Klausur zu begeben, in uns verschlossen oder in ein gemütliches Tête à tête mit Gott gekuschelt. Wir ziehen uns in uns zurück, um dort das zu empfangen, was es uns ermöglicht, für unsere Brüder zu handeln, sie zu lieben im konkreten Alltagsleben, um ihnen Lust auf dieses innerliche Leben zu machen, das ausschlaggebend ist, obwohl man es nicht sieht.
Ferien und Urlaube sind geeignete Zeiträume, um die Schönheit der Stille zu entdecken: bei einer Bergwanderung beispielsweise. Oder wenn man einen Moment der Einsamkeit in der Natur erlebt, etwa beim Fischen an einem Fluss oder beim Blumengießen bei Einbruch der Dunkelheit. Oder beim genüsslichen Lesen, in einer Ecke des Dachbodens, weitab vom Trubel des Haushalts. Es ist oft gut, wenn man einfach nichts zu tun hat, statt von einer Aktivität zur anderen zu hetzen.  

Famille Chrétienne v. 27.7.02

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