VISION 20001/2017
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Claire de Castel­bajac

Artikel drucken Botschaft an uns (Von Dom Antoine Marie osb)

Claire de Castelbajac wurde am 26. Oktober 1953 als letztes Kind einer fünfköpfigen Familie in Paris geboren. Bei ihrer Taufe wurde sie dem Schutz der heiligen Klara und der Unbefleckten Gottesmutter anheimgestellt. Die ersten fünf Jahre ihres Lebens verbrachte sie mit ihrer Familie in Rabat in Marokko, bis sie 1959 nach Frankreich zurückkehrten. Ihre Mutter brachte ihr sehr früh bei, wie man das Kreuzzeichen macht und betet. Auf ihren Spaziergängen kehrte Claire oft in der Kirche ein, um ein kurzes Gebet zu sprechen, denn sie wusste, dass die Kirche das „Haus Jesu“ war.
Schon bald enthüllte sich das Ungestüm ihres Charakters: Sie kannte keinerlei Maß in dem, was sie liebte, wünschte oder schenkte. Sie litt unter heftigen Wutanfällen, denen jedoch ebenso heftige Anwandlungen von Reue folgten. Trotz aller Lebhaftigkeit wurde das Kind bald von einer Krankheit heimgesucht: Mit vier Jahren wurde es von einer Toxikose an die Schwelle des Todes gebracht. Bald darauf machte eine Darminfektion, gefolgt von einer Angina eine Behandlung mit Spritzen notwendig.
Jedesmal, wenn Claire die Krankenschwester erblickte, verwandelte sie sich regelrecht in eine Furie, schrie und geriet völlig außer sich. Vor ihrer Erstkommunion begriff sie dann, was es bedeutet, sein Leid Jesus als Opfer darzubieten, und sie lernte nach und nach, sich zu beherrschen und Schmerz zu ertragen.
Ab 1959 wohnt Claire am alten Familiensitz in Lauret (im Südwesten Frankreichs), in dem „großen, ganz zerbrochenen Haus“, wie sie sagte. Im Juni 1959 empfing Claire die heilige Eucharistie zum ersten Mal, nachdem sie sich für die Vorbereitung große Mühe gegeben hatte. Ihr Großmut, mit dem sie sich Gott in kleinen Dingen zum Opfer darbot, dauerte auch in den folgenden Jahren fort.
Sie notierte zum Beispiel: „1.) Ich habe kein Wasser genommen;  2.) Akt der Liebe; 3.) Ich habe Mama schnell gehorcht; 4.) Ich habe nicht über mein Bauchweh geklagt“ usw... Für ihre erste Beichte wollte Claire ihr Gewissen sorgfältig erforschen, nahm ihr Gebetbuch für Kinder und betrachtete „alle Sünden auf der Liste“ aufmerksam; dann sagte sie zu ihrer Mutter: „Ich verstehe nichts davon, daher weiß ich nicht, ob ich diese Sünden begangen habe. Erkläre sie mir ... Auch wenn ich all diese Sünden kennen würde, würde ich keine von ihnen mehr begehen, weil ich Jesus keinen Kummer bereiten möchte.“
Diese lebendige Frömmigkeit war allerdings nicht ohne Kämpfe. Eines Tages sagte sie brutal zu ihrer Mutter: „Warum hast du mich geboren? Warum hast du mich so früh zur Erstkommunion gehen lassen?“ Und sie beklagte sich über die Mühen, die sich daraus für ihr Leben ergaben...
Claires Grundausbildung hatte zu Hause unter der Aufsicht ihrer Mutter stattgefunden; 1964 kam sie in ein Internat zu den Ordensschwestern vom Sacré-Coeur nach Toulouse, wo sie große Lebensfreude, leidenschaftliche Selbstlosigkeit und eine besondere Vorliebe für die Angelegenheiten Gottes an den Tag legte.
Während der Unruhen im Mai 1968 hörte Claire aufmerksam zu und dachte viel nach. Sie war von dem politischen und gesellschaftlichen Durcheinander, dessen Zeugin sie wurde, sehr betroffen und sah nur ein einziges Mittel dagegen: Das Beten zu Unserer Lieben Frau nach den Forderungen von Fatima. Aus eigenem Antrieb brachte sie die Schülerinnen ihrer Klasse dazu, einen Brief an alle Bischöfe Frankreichs zu schreiben: „Euer Hochwürden, Unsere Liebe Frau hat 1917 um folgende Dinge gebeten: den täglichen Rosenkranz, die Hingabe an ihr Unbeflecktes Herz und die Kommunion zur Versöhnung an jedem ersten Samstag im Monat ... Aus diesem Grunde flehen wir Sie inständig an, Euer Hochwürden, bitten Sie Ihre Priester, all ihren Pfarrkindern die Botschaft Unserer Lieben Frau zu übermitteln ...“
Mit dem ganzen Ungestüm ihrer 15 Jahre empörte sich Claire gegen den Wind des Protestes, der der Kirche entgegenwehte und der die Vergangenheit restlos fortzufegen drohte. Sie litt so stark, dass sie darüber krank wurde und die Sekunda zu Hause beenden musste. Als sie in ihrem Heimatdorf bemerkt hatte, dass die Jugendlichen dort kaum Gelegenheit hatten, zu gemeinsamen Vergnügungen zusammenzukommen, organisierte sie zuerst einen Chor; dann nahm die Gruppe zwei Theaterstücke in Angriff, um die Bewohner des nahegelegenen Altenheims, Behinderte oder die Bewohner der Gemeinde zu unterhalten.
Dann wurde Claires Mutter krank. Sie kam ins Krankenhaus und blieb über ein Jahr lang ans Bett gefesselt. Claire besuchte sie jeden Abend in der Klinik. Sie litt grausam unter dieser familiären Heimsuchung: „Ich habe es satt ..., und nochmal satt ...“, schrieb sie an eine ihrer Schwestern; doch sie fügte hinzu: „Auf jeden Fall gehe ich aus dieser traurigen Zeit gereifter und erwachsener hervor, denn ich habe gesehen, dass man nicht für sich selbst lebt, sondern für die anderen und dass jeder dazu da ist, für die anderen zu leben und sie glücklich zu machen. Das ist wirklich schwer, aber auch schön, wenn es gelingt.“
Im April 1971 musste Claire wegen eines Ischiasleidens selbst ins Krankenhaus. Im August wurde nach fünfmonatigem Leiden eine Wirbelsäulenoperation beschlossen und erfolgreich durchgeführt. Claire kam zwar rasch auf die Beine, doch die Ischiasanfälle kehrten in Abständen wieder. Drei Wochen nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus bestand sie erfolgreich das Abitur; anschließend entschied sie sich dafür, Restaurateurin für Bilder und Fresken zu werden.
Claire beschloss, sich zur Aufnahmeprüfung am Zentralen Institut für Restauration in Rom anzumelden, einem staatlichen Institut, an dem jedes Jahr drei Plätze für ausländische Studenten reserviert waren. Sie bestand die Prüfung als dritte der aufgenommenen Ausländer. Sie war hingerissen, doch bald zeichneten sich in Rom neue Kämpfe ab. „Die Hand Gottes beschützt mich nach wie vor,“ schrieb sie an ihre Eltern. „Was mich ärgert, ist mein, glaubt mir, unbeabsichtigter Erfolg bei den Jungs. Einer ist ganz verliebt in mich. Dann gibt es einen Libanesen, der sehr zuvorkommend ist...; ich möchte noch zwei Italiener dazuzählen, die besondere Komplimente machen. Nach neun Tagen ist das viel ... “
Einige Tage später fügte sie hinzu: „Ich beeile mich, mich richtig einzurichten, damit ich meine Briefe schreiben und jeden Tag eine halbe Stunde geistlicher Lektüre widmen kann. Mein Rosenkranz ist beschlossene Sache durch die zwei- oder auch viermal 15 Minuten, die ich in der U-Bahn zubringe. Ich brauche eure Gebete ... Je besser ich die Leute kennenlerne, desto mehr bin ich enttäuscht… Das einzige, was sie interessiert, ist das Vergnügen in all seinen Formen. Das deprimiert und entmutigt mich ein bisschen.
Ich darf nicht über sie urteilen, aber abgesehen von zwei Leuten sind alle, mit denen ich spreche, so. Sie leben alle mehr oder weniger mit einem ‚Partner' zusammen ... Alle Jungs sind hinter mir her! Nur ruhig Blut! Ich laufe nicht im Minirock herum ... und lasse Kälte und Bosheiten auf die niederprasseln, denen man aus dem Wege gehen muss. Doch je mehr ich davon versprühe, desto hartnäckiger werden sie ... Momentan habe ich vor mir selber am meisten Angst… Wenn ich diejenigen betrachte, die mich umgeben, sage ich mir, es dürfte nicht unangenehm sein, so zu handeln wie sie ... Dann bete ich und bete, dass ich den Mut habe, manchmal könnte ich sogar sagen, den Heldenmut, Widerstand zu leisten, keinen ‚Partner' vor meiner Hochzeit zu haben ...“
Claire be­rauschte sich mehr und mehr an ihrer Freiheit. Mitte März 1973 zog sie mit zwei Freundinnen in eine eigene Wohnung. Sie begannen, Besuche zu empfangen und abends auszugehen, amüsierten sich viel, indem sie reichlich „Blödsinn“ machten, wie Claire sagte, und arbeiteten wenig. „Wenn ich vom Unterricht nach Hause komme, ist die Wohnung voll von Freundinnen, und wir fallen erst gegen Mitternacht oder ein Uhr morgens todmüde ins Bett. Meine Sicht der Dinge ändert sich: Wer wird meinen Lebensdurst stillen?“
Bei dieser Lebensführung wurden die Noten Claires im „Restauro“ immer schlechter; sie stand kurz davor, einen Verweis zu bekommen. Einer ihrer Onkel machte ihr eines Tages Vorhaltungen: „Deine Eltern tun mir leid, vor allem dein betagter Vater, weil du dein Leben so vergeudest ...“ Sie erwiderte: „Das ist mir so was von egal!“
Doch insgeheim war sie mit sich unzufrieden. Ihr geschärfter Sinn für Gott, ihr Beinahe-Scheitern im Studium und die Überlegung einer Mitstudentin bewirkten schließlich einen heilsamen Schock: „Du wirst schon sehen, mein armes Kind, du wirst dich unserem Atheismus noch an­schließen. Ich gebe dir kein Jahr mehr, bis du so bist wie wir ...“
Der Sommer brachte glückliche Ferien in Lauret mit sich, unterbrochen von der nationalen Wallfahrt nach Lourdes. Anfang Oktober fuhr sie mit neuem Arbeitseifer nach Rom. Sie schrieb an ihre Eltern: „Ich erkenne, bis zu welchem Punkt der Eitelkeit und des leichtfertigen Egoismus ich gesunken bin unter dem trügerischen Ruf der Emanzipation ...“ Gott stand erneut im Mittelpunkt ihres Lebens trotz gelegentlicher „geistiger Auflehnung“.
Ein Jahr danach fuhr Claire mit einer Gruppe junger Leute unter der Leitung eines Dominikanerpaters für drei Wochen ins Heilige Land. „ Marschieren stundenlang in der Wüste. Große Müdigkeit und Hunger. Askese: Unübertrefflich für die Reinheit, das stimmt.“ Sie schrieb an ihre Eltern: „Ich bin dabei, mich völlig zu bekehren, meinen Glauben zu vertiefen, seinen wahren Sinn zu finden. Ich lerne unentwegt das ABC meiner Religion, speichere möglichst viele Elemente der Inbrunst, der Frömmigkeit, des Vorbilds und der geistigen Armut in mir, damit ich in Rom mein Leben so einrichten kann, wie ich es jetzt vorhabe, und nicht so, wie ich es früher tat.“
Einige Tage nach ihrer Rückkehr aus dem Heiligen Land wurde Claire nach Assisi entsandt, wo sie an der Restaurierung der Fresken in der St. Franziskus-Basilika mitwirken sollte. Sie kam bei Benediktinerinnen unter und berichtete: „Ich werde ein klösterliches Leben führen: Nach dem Abendessen schlafen gehen, jeden Morgen um 7 Uhr 30 Messe, um 8 Uhr zur Arbeit. Was wir machen, ist für mich das Höchste! … Der Überschwang, den Ihr an mir kennt, erstrahlt in vollem Glanz ... Die Studienleiterin lässt mich frei überall auch dort hingehen, wo am nächsten Tag die Bretter entfernt werden, um den letzten Pinselstrich anzubringen … Wie ist das Leben schön!“
Claire kam am 18. Dezember für die Weihnachtsferien nach Lauret. Ihren Angehörigen erschien sie ganz verwandelt. Am 30. Dezember verbrachte sie den ganzen Tag in Lourdes. Sie lag auf Knien vor der Grotte und berührte mit ihrer Stirn den Boden; so verharrte sie lange unbewegt. Als sie sich erhob, war ihr Antlitz ganz anders, wie abwesend, unendlich fern; zwischen der Unbefleckten Mutter Gottes und ihr war etwas vorgefallen ...
Am 4. Januar kündigte sich bei Claire eine tödliche virale Hirnhautentzündung an. Am 17. empfing sie bewusstlos die Krankensalbung. Am 19. sagte sie plötzlich, während sie zu schlafen schien, deutlich und laut: „Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade ...“; dann hielt sie erschöpft inne. Ihre Mutter setzte das Gebet fort; am Ende eines jeden Ave Maria murmelte Claire: „Und dann ... und dann ...“, um ihre Mutter zum Weiterbeten zu bewegen. Am Abend des 20. fiel sie in ein immer tieferes Koma. Dem Ruf Gottes folgend ging sie am 22. Januar 1975 gegen fünf Uhr nachmittags in die Ewigkeit ein.
Sie wurde 21 Jahre und drei Monate alt. Die offizielle Untersuchung für ihre Seligsprechung ist 1990 eröffnet worden.
Claire wollte „geradewegs in den Himmel kommen“.1970 hatte sie an eine Freundin geschrieben: „Findest du wirklich, dass die immer wachsende Nähe zum Tod beängstigend ist? Ich glaube es nicht; man darf den Tod nicht fürchten. Der Tod ist nur der Übergang von einem Leben – das de facto lediglich eine Prüfung ist – voller Freuden und kleiner Unglücke ... zum vollkommenen Glück, zum ewigen Schauen Des­jenigen, der uns alles geschenkt hat. Der Tod beängstigend? Nein, das darf er nicht sein, sondern erhofft und erwartet (und folglich auch vorbereitet ...) Erinnerst du dich daran, dass im Sacré-Coeur mehrere Mädchen (darunter auch du) mir vorhergesagt haben, dass ich jung sterben werde? Und zwar ohne vorherige Absprache? Also, ich sage dir, dass mir das vollkommen egal ist, denn was sind schon 50 Jahre irdisches Leben mehr oder weniger in der Ewigkeit?“

Der Autor ist Abt der Abtei Saint-Joseph-de- Clarival. Claires Seligsprechungsprozess ist auf diözesaner Ebene abgeschlossen und in Rom anhängig.
Siehe: www.clairval.com

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