Eigentlich merkwürdig: Den Aposteln, die Jesus Christus ausgesandt hat, gelang ein unfassbares Werk, nämlich die Ausbreitung des Glaubens an ihren Herrn in Afrika, Asien und Europa – und dennoch wissen selbst Christen meist recht wenig über diese herausragenden Persönlichkeiten der Weltgeschichte. Dem will das Buch Der Aposteleffekt von Hinrich E. Bues – Dozent für Evangelisation und missionarische Spiritualität an der Hochschule in Heiligenkreuz – abhelfen. Insbesondere geht der Autor der Frage nach, was diesen geschichtlich einmaligen Erfolg ausgemacht hat. Denn: „Das Team der zwölf Apostel ist zweifelsohne das erfolgreichste Gründerteam der Weltgeschichte.“ Von ihnen könnten wir alle heute, insbesondere wenn es um Neuevangelisierung und Mission geht, viel lernen.
„Wie man heute neue Christen ,fischt’, das möchte ich vermitteln,“ beschreibt Bues die Intention seines Werkes, das interessant und verständlich geschrieben ist (siehe auch die zitierten Passagen auf Seite 13). Und er beschreibt das Vorgehen der Apostel in einer Terminologie, die der Wirtschaftswelt entliehen ist, leitet aus deren Tun Erfolgsstrategien für Unternehmungen ab.
Einige Kapitelüberschriften illustrieren das: „Visionen entwickeln, Ziele setzen“, „Führungskräfte finden“, „Wie Führungskräfte reifen“, „Keine Erfolge ohne wirksame Netzwerke“, „Grenzenloser Erfolg mit dem Schneeballeffekt“…
Das sollte Leser, die nicht mit Wirtschaftstheorie vertraut sind, nicht abschrecken. Denn tatsächlich erfährt man über die Apostel viel Neues. Wer im Neuen Testament liest, lernt eigentlich nur Petrus und Paulus näher kennen. Dennoch wisse man sehr viel über die anderen Apostel, wie Bues versichert. Nur hätten Theologen und aufgeklärte Wissenschaftler „in den letzten 200 Jahren versucht, einen dichten Schleier der Verwirrung und Zweifel über die historischen Fakten“ gebreitet. Dank neuerer Forschung „in Archäologie, Papyrologie und neuer Betrachtung der Quellen aus den ersten Jahrhunderten lässt sich das Charisma der Apostel wieder neu entdecken.“
So erfährt der Leser etwa, dass der Apostel Philippus, nachdem er zunächst in Israel und Samarien gewirkt hatte, südlich des Schwarzen Meeres zahlreiche Gemeinden gegründet hat. „Phrygien in der heutigen Zentraltürkei gilt als gut bezeugtes Missionsgebiet von Philippus.“ Mit 87 Jahren habe er unter Kaiser Domitian den Märtyrertod am Kreuz gefunden, in der Nähe einer „baumwollweißen Burg“, „wie es in einem alten Bericht heißt“. Das wurde lange Zeit als Märchen abgetan, bis im Jahr 2011 ein Team von Archäologen eine bemerkenswerte Entdeckung machte: „Nur 40 Meter vom Ort, wo der Überlieferung nach der Apostel gestorben war, stießen die Forscher … auf Reste der alten Basilika von Hierapolis“ und „auch das vollständig erhaltene Totenhaus, wo die sterblichen Überreste des Apostels vor 2000 Jahren aufgebahrt worden waren.“
Ein großes Kapital sei die Unterschiedlichkeit der Apostel gewesen. Bues beschreibt die Begeisterungsfähigkeit des Philippus, das Sachwissen und das Feuer des Konvertiten Paulus oder den großen Mut des Judas Thaddäus. Entscheidend aber war das, was sie gemeinsam hatten: Sie wissen genau, „für wen, für welchen Namen sie ihr Leben riskieren. Gemeinsam ist ihnen die Leidenschaft und Leidensbereitschaft für ihren Herrn Jesus Christus. Gemeinsam ist ihnen auch das Wissen um die Liebe Gottes und die Dynamik des Heiligen Geistes. Gemeinsam ist ihnen ihre Liebe zur Kirche, zu der ihnen aufgetragenen Botschaft, die sie kompromisslos vertreten, weil sie wahr ist.“
Ja, genau das ist es auch, was unseren Glauben und unser Leben, was die Christenheit in unseren Tagen prägen müsste. Dann wäre auch kein Grund zur Sorge, dass die Kirche in unseren Breitegraden verdorren könnte.
Der Aposteleffekt – Lernen von den erfolgreichsten Gründern der Weltgeschichte bietet jedenfalls eine Fülle von Anregungen für einen missionarischen Aufbruch in unseren Tagen. Eine empfehlenswerte, ermutigende Lektüre.
Der Aposteleffekt – Lernen von den erfolgreichsten Gründern der Weltgeschichte: Motivation, Mentalität und Mission der 12 Apostel. Von Hinrich E. Bues, fe-Medienverlag, 237 Seiten, 12,80 Euro.