Seit dem großen Ereignis des Zweiten Vatikanischen Konzils ging es mit fliegenden Segeln hinaus. Wir haben alle unsere Kräfte aufgewandt. Wir haben gearbeitet, nein, geschuftet. Und jetzt? Müssen wir mit Simon sagen: „Meister, wir haben die ganze Zeit gearbeitet…?“ Nein, die Netze sind nicht leer. Aber der Fang ist klein, zu klein ob der aufgewendeten Mühe. Und jetzt sind viele von uns müde geworden. Was haben wir denn falsch gemacht, Meister?
Fahr hinaus in die Tiefe! Heute geht nur mehr ganz selten etwas in die Tiefe. Wir hören zu viel, wir sehen zu viel, wir erleben zu viel. Was berührt das Herz des heutigen Menschen wirklich noch in der Tiefe? (…)
Auch die Kirche ist in dieses seichte, laue Wasser geraten und treibt dahin. Man muss schon sehr laut rufen, um überhaupt noch gehört zu werden. Und bei der Verkündigung des Wortes sind wir sehr leise geworden. Nur ja niemanden erschrecken mit einer „Drohbotschaft“! Aber auf der anderen Seite macht uns die Frohbotschaft auch nicht mehr recht froh. Wir bleiben an der Oberfläche. Hart wird unser Glaube angegriffen werden in der Zukunft, so hart, dass nur jene die Glaubensprobe bestehen werden, die Tiefgang haben. (…)
Um wieder zu einem tiefen Glauben zu gelangen, schlägt der Heilige Vater (…) vor, das Antlitz Jesu zu betrachten. Die Kirche soll ja, wie das Konzil sagt, „alle Menschen erleuchten durch Seine Herrlichkeit, die auf dem Antlitz der Kirche widerscheint“. „Unser Zeugnis wäre jedoch unerträglich arm, wenn wir nicht zuerst Betrachter Seines Angesichtes wären“..
Das gilt wohl in allererster Linie von uns Priestern und allen, die zur Verkündigung beauftragt sind. Wie könnten wir von Ihm erzählen, wenn wir selber Sein Gesicht nicht kennen! Wir müssen jeden Tag Sein Antlitz suchen, d.h. in das Evangelium schauen…
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Ohne überheblich zu sein, müssen wir uns bewusst bleiben, dass die Kirche der Menschheit etwas anzubieten hat, was sonst niemand geben kann: Christus, das Heil der Welt! Das Evangelium, die Wahrheit mit ihrem Glanz, das Gesetz Gottes, das unserem Leben die Richtung weist und schließlich jenes göttliche Leben, jenes Wasser, aus dem ewiges Leben strömt!
Das ist der Dienst, den die Kirche der Welt zu leisten hat – vor allen anderen „Diensten“, die man vielleicht eher von der Kirche erwarten möchte. Oswald v. Nell-Breuning schrieb: „Der Kirche hat ihr göttlicher Stifter nicht aufgetragen, Kultur zu betreiben und die Welt menschlicher zu machen, sondern das Evangelium zu verkünden; und eben dadurch wirkt die Kirche sozialkritisch, und dies umso mehr, je ernster sie es mit der Befolgung des Evangeliums nimmt.“
Nicht selten müssen wir uns heute gegen die Versuchung wehren, der „Welt“ das zu geben, was sie verlangt: Bestätigung ihres falschen Weges, Beruhigung des schlechten Gewissens, Lossprechung von unbereuter Schuld. Aber der gute Arzt wird dem Patienten das süße Gift der Betäubung verweigern und ihm vielmehr in Güte die Wahrheit sagen und das – vielleicht bittere – Medikament verschreiben. Und das ist auch der erste Dienst, den die Kirche an Europa zu leisten hat: Christus bringen! Es führt kein Weg an Ihm vorbei zum Leben.
Auszüge aus Ein Hirte spricht – Prophetische Worte von Georg Eder. Von Ignaz Steinwender (Hrsg), fe-Medienverlag, 247 Seiten, 10 Euro.