In einer Zeit schwerwiegender Verunsicherung, was die Funktionstüchtigkeit politischer Systeme betrifft, ist es gut, Grundsätze in Erinnerung zu rufen, wie sie der heilige Klaus von Flüe, selbst erfolgreich politisch tätig gewesen, formuliert hat.
Der Staat muss
einig sein
„Haltet zusammen, denn in der Einigkeit seid ihr stark. Hütet euch vor der Zwietracht, denn sie nagt am Marke des Volkes!“ – Nichts scheint so selbstverständlich wie diese Forderung an erster Stelle. Aber nichts ist so schwer erreichbar unter den Menschen. (…)
Der Staat muss
frei sein
„Macht den Zaun nicht zu weit, damit ihr eure sauer erstrittene Freiheit erhalten und genießen könnt!“ – Es ist die Freiheit, die zu erkämpfen die Bürger von Uri, Schwyz und Unterwalden am 1. August 1291 auf dem Rütli vor Gott geschworen hatten („Eidgenossen“). Sie scheinen gewusst zu haben, dass echte Freiheit in Gott ihren Ursprung hat, in der „Freiheit der Kinder Gottes.“ (…)
Der Staat muss
unabhängig sein
„Mischt euch nicht in fremde Händel und verbindet euch nicht mit fremder Herrschaft!“ – Es ist hier das Wort „neutral“ bewusst vermieden. Denn es trifft nicht genau, was Klaus von Flüe meinte. (…) Neutralität heißt für ihn Unabhängigkeit und Selbständigkeit. Daraus hat sich die spätere politische Neutralität der Schweiz gebildet, die sich in den beiden letzten Weltkriegen bewährt hat, weil sie nicht isolationistisch und egoistisch war, sondern allen Nationen zugute kam. (…)
Der Staat muss
wehrhaft sein
„Ohne hochwichtigen Grund fanget nie einen Krieg an. So man euch aber Frieden und Freiheit rauben wollte, kämpft mannhaft für Freiheit und Vaterland!“ Hier gibt uns Klaus die Antwort auf die Frage, wie der Friedensheilige zum Soldatsein steht. (…) Er wusste: Frieden und Freiheit gehören zusammen, und ohne Freiheit gibt es keinen Frieden. (…) Wehrhaftigkeit gepaart mit Friedensliebe! Das ist der Geist der Schweiz, des Landes ohne Kriege. Es ist eben ein großer Unterschied zwischen Pazifismus und wahrer Friedensliebe, zwischen falsch verstandener Gewaltlosigkeit, die sich an Raub und Unrecht mitschuldig macht, und der Verteidigung der Freiheit. (…)
Der Staat muss
christlich sein
„Was die Seele für den Leib, das ist Gott für den Staat. Wenn die Seele aus dem Körper weicht, dann zerfällt er. Wenn Gott aus dem Staat vertrieben wird, dann ist er dem Untergang geweiht.“ – Damit ist mit einer Klarheit und Einfachheit, die auch Kinder verstehen, gesagt, dass der Staat beseelt sein muss. Das hat nichts mit Konfessionalismus und Klerikalismus zu tun. Klaus hat in seinem Brief an die Stadt Bern geschrieben: „Den offenen (=öffentlichen) Sünden muss man wehren und der Gerechtigkeit allwegs beistehen.“
Bruno Bernhard Zieger
Aus: Klaus von Flüe – der Heilige für unsere Zeit. Von Bruno Bernhard Zieger. Verlag aktuelle texte GmbH, 12. Aufl., Heiligenkreuztal 1997, 64 Seiten.