Das Ziel der Sühne ist Versühnung: Versöhnung des verletzten, gering geschätzten, beleidigten und leidenden Du. Wieder hergestelltes Vertrauen. Eine gereinigte, wohltuende, zum Guten führende Atmosphäre.
Denn so geht es im Leben: Wilhelm Schamoni berichtet das Beispiel des Generalvikars Pascali: „Damals erfuhr ich eine besonders schwer kränkende Beleidigung von einem Menschen, der mir gegenüber sowohl Freundschaft wie Verpflichtungen hatte. Der Ärger darüber war so stark, dass ich nicht nur nichts zu Mittag essen konnte, sondern auch schon den Entschluss gefasst hatte, mein Amt aufzugeben und aus dieser Stadt fort zu ziehen. Um mich abzulenken und den bedrückten Geist zu erleichtern, verließ ich das Haus, um einen weiten Gang zu machen . . .
In meine Wohnung zurückgekehrt, hörte ich kurz danach an die Tür klopfen, und zu meiner Überraschung erblickte ich die Person, von der ich die Beleidigung empfangen hatte. Sie näherte sich mir mit beschämtem Angesicht, dass ich schon meinte, sie sei gekommen, mich mit neuen Beschimpfungen zu überfallen. Als wir in das Kaminzimmer eingetreten waren, sehe ich, wie sie sich vor mir auf die Knie wirft, meine Hand ergreift, sie küsst und mich um Verzeihung bittet für die Kränkung, die sie mir angetan habe, und fleht, diese zu vergessen und in Zukunft mit größtem Vertrauen über sie zu verfügen in allem, was mir begegnen würde, und dass ich einen Freund in dem finden würde, der mein ungerechter Beleidiger gewesen sei.
Ich hob ihn auf, umarmte ihn, und über eine Stunde verbrachten wir in vertrautem Gespräch. Alle Bitterkeit erlosch in mir, der Gedanke, diese Stadt zu verlassen und mein Amt aufzugeben, verschwand, ich speiste mit Zufriedenheit zu Abend und schlief dann in vollkommener Ruhe.“
So geschieht Sühne und bewirkt Versöhnung und neue, tiefere Freundschaft.
Der Täter schadet
sich selbst
Nicht jeder Beleidiger leistet solche Genugtuung. Viel Unrecht, Bitterkeit und Schaden bleiben bestehen und fressen sich zerstörend weiter. Während er den anderen beleidigt, verletzt der Täter dabei auch seine eigene Ehre. Ein Sohn zum Beispiel, der seinen Vater grob beschimpft, belastet damit nicht nur diese Beziehung und die ganze Atmosphäre der Familie. Er schadet zugleich sich selbst in den Augen vieler, die nun bei ihm weitere Ausbrüche für möglich halten. Sünden gegen die Liebe und Ehre eines Du stören eine elementare, naturgegebene Ordnung und das Grundvertrauen, den Boden jeder gesunden Beziehung.
Und je höher die verletzte Person, je stärker und reiner ihre Liebe und Ehre, desto schwerer sind die Folgen gerade für den, der verletzt hat. Auch die verursachte Störung zieht dann um so weitere Kreise – ähnlich einem blinden Terroranschlag, der zum Unterschied von anderen schlimmen Verbrechen ein ganzes Volk schockiert. Darum ist es so nötig, die höchste und wichtigste Ordnung wieder herzustellen: durch die Sühne für alle Geringschätzung oder gar Verachtung gegen Gott – und ebenso gegen die uns von Ihm geschenkten höchsten Personen auf Erden, Jesus und Seine Mutter Maria.
Stellvertretung - ein göttlicher Ausweg
Dazu gewährt Gott als gnädige Einrichtung die stellvertretende Sühne. Die tiefe Störung, die jede Sünde hinterlässt und die den Sünder selbst schwer schädigt, wird so geheilt. Wo einer verhärtet bleibt und nicht sehen will, was er angerichtet hat, darf ein anderer für ihn eintreten und die Wirkung der Sünde löschen. Im Grunde hat Jesus das für uns alle getan. Er nimmt die Schuld von uns allen auf sich. Er ist für alle gekommen und hat eine ewige Erlösung bewirkt.
Die stellvertretende Sühne, die Menschen für einander tun, nimmt nun diese göttliche Liebe auch für andere, die sie noch ablehnen, in Empfang.
Einfluss auf das
Weltgeschehen
Welches Potenzial von Versöhnung und Frieden! Welches Angebot Unserer Lieben Frau von Fatima an unsere heutige Zeit! Die Christen von Portugal haben es begriffen und genützt. Nach ersten Zweifeln und Prüfungen hat das einfache Volk den Kindern und damit der Gottesmutter Glauben geschenkt. Nach dem großen Sonnenwunder am 13. Oktober 1917 wuchs die Bereitschaft zum täglichen Rosenkranz und zur Sühne und überwand die herrschende Feindschaft gegen Glaube und Kirche. Portugals Bischöfe entsprachen dem Wunsch Marias und weihten das Land ihrem Unbefleckten Herzen. So blieb ihm der Zweite Weltkrieg erspart.
Ein Angebot
Die Einladung des Himmels ist zugleich einfach und klar. Maria hat durch die Seherin Lucia eine solche Sühne von uns erbeten, die es in diesem 100. Jahr zu erneuern gilt. Sie bestärkt zuerst unsere Hoffnung auf den Himmel und verspricht, allen in der Todesstunde beizustehen, die fünfmal nacheinander am ersten Monats-Samstag
– in der Beichte Gottes Vergebung erbitten,
– die heilige Kommunion empfangen,
– den Rosenkranz beten
– und noch eine Viertelstunde seine Geheimnisse betrachten, ganz bewusst als Sühne und Wiedergutmachung aller Kränkungen und Missachtung gegen Gott und gegen ihr unbeflecktes liebendes Herz, das ja nichts anderes will, als uns zu Ihm hin zu führen.
Dabei geht es nicht nur um grobe Schmähungen. Noch mehr muss es Maria weh tun, wenn ihr Sohn nur als bloßer Mensch gilt und man vergisst oder leugnet, dass in Ihm Gott selbst auf unsere Erde gekommen ist: das höchste und rettende Geschenk an die verlorene Welt.
Maria ist Mutter Gottes!
So bewegt uns das Fatima-Jubiläum zur Mitwirkung am großen Plan, die Menschheit in ihrem weltweiten Zusammenwachsen vor ihren Irrwegen zu bewahren und den Blick auf das Ziel zu richten, auf eine mit Gott versöhnte Familie aller Nationen und Kulturen. Denn das ist Gottes Vision für uns und wird immer deutlicher in den Propheten und Psalmen, in der Liturgie und im Gebet. Die einfache, praktische Einladung der Gottesmutter ergeht an jeden, der ihre Worte liest und hört. Auch eine Beichte nach längerer oder langer Zeit fällt nicht mehr so schwer im Blick auf den liebevollen Schutz, den wir dabei gemeinsam empfangen und noch vielen Suchenden vermitteln dürfen.
Der Autor ist Mönch in der Abtei Seckau. Zum Thema Fatima siehe auch Beitrag S. 24-25.