Trotz des Wintermantels friere ich unglaublich an diesem Tag Mitte Jänner in Vogau, in der Südsteiermark. Ich staune, dass der Friedhof dennoch voller Menschen ist, die in der Kälte ausharren. Es ist das Begräbnis von Maria Deutschmann. „Eine große Frau mit einem tiefen Glauben,“ beschreibt sie ihr Enkel Georg. Es sind die liebevollen Worte der Enkel, als Nachruf, als Fürbitte oder im selbstgedichteten Lied vorgebracht, die in mir den Wunsch reifen ließen, ein Portrait dieser kleinen Frau mit dem großen Herzen zu verfassen.
Allerdings hatten mein Mann und ich Frau Deutschmann längst ins Herz geschlossen. Denn mit ihrer Tochter Maria und deren Mann Erwin Fellner sind wir befreundet, seitdem wir ihr Portrait in VISION (6/02) gebracht haben. Und ein Besuch bei Marias Mutter war jedes Mal ein Fixpunkt in unserem Südsteiermark-Urlaub. Dabei war uns stets aufgefallen, wie liebevoll sie trotz ihrer erkennbaren Gebrechlichkeit ihre große Familie versorgte. Auffallend auch, dass sie uns stets erfahren ließ, wie sehr sie sich über unseren Besuch freute. So wurden wir mit köstlichem Essen erwartet, oft im Kreise ihrer Kinder, Enkel und Urenkel – und Pfarrer Tropper, der zur Familie zu gehören schien. So haben wir viele schöne und berührende Momente in ihrem Haus erlebt.
Eigentlich wollte ich nur Maria Deutschmann portraitieren, da ich ihren Mann Johann – er starb 2007, an ihrem 50. Hochzeitstag – weniger gekannt habe. Doch nach einem Besuch bei Fellners vor einigen Wochen, wo ich möglichst viel Information über die Verstorbene sammeln wollte, entschied ich anders. Auch die Unterlagen, die ich mitbekam – Aufzeichnungen, vom Ehepaar besprochene Kassetten, und dessen Lebenslauf – machten mir klar, dass ein so lange und glücklich verheiratetes Ehepaar einfach zusammengehört, auch als Portrait.
Beeindruckt war ich vor allem von der Schilderung ihrer Erfahrungen in der Kriegs- und Nachkriegszeit. Wie wenig wissen wir doch über das schwere Leben der Hauptakteure dieser Zeit, der Soldaten und der zuhause gebliebenen Mädchen und Frauen, und all ihrer körperlichen und seelischen Verwundungen! Mein Hauptaugenmerk bleibt aber auf Maria, die ich besser gekannt habe. Das Folgende ist daher ein aus verschiedenen Quellen zusammengesetztes Bild.
Nun also zu Marias Lebenslauf, die im Dezember 1928 als Älteste von vier Kindern in Wagendorf in der Südsteiermark zur Welt kam. Mit fünf Jahren erkrankt sie an Diphterie. Der herbeigerufene Arzt meint: „Da ist nichts mehr zu machen.“ Keine Spritze, das wäre umsonst – und er geht. Der Vater läuft ihm nach, ist bereit alles zu zahlen. So bekommt die kleine Maria doch die, wie man sieht, lebensrettende Spritze.
Schon als Kind geht sie gerne in die Kirche und betet viel. Eines Tages fragt eine Nachbarin sie: „Sag mal, was macht denn der Liebe Gott mit soviel „Vaterunser“ und „Gegrüßet seist du Maria?“ „Das wird Er schon wissen,“ meint die Kleine, „aber ich glaub Er braucht sie“. Sie ist ein lustiges Mäderl, zu Streichen aufgelegt, reitet auch einmal auf einem Schwein durch die Gegend.
Sieben Jahre lang besucht sie die Schule. „Bei den geistlichen Schwestern haben wir die ersten drei Jahre viel gelernt. Dann kam Hitler und die Schwestern mussten verschwinden,“ erzählt sie. Die Folge: Oftmaliger Lehrerwechsel und mangelhafter Unterricht. „63 Schüler waren in den letzten drei Jahren in meiner Klasse. Dann musste ich die Schule verlassen und zu Hause arbeiten.“
Die Eltern hatten eine 56 Joch große Wirtschaft. Da die Mutter wegen eines verkrüppelten Fußes und eines Leistenbruchs nicht am Feld arbeiten kann, muss Maria von klein auf bei der Feldarbeit helfen. Und weil der Vater eine Allergie gegen die Ausdünstung der Schweine entwickelt, müssen die Kinder da die Hauptarbeit leisten. Zum Kochen muss Maria auf einen Sessel steigen. Schon als kleines Kind ist sie sehr couragiert. Den Krampus, der ihren kleinen Bruder erschrecken will, springt sie an und reißt ihm die Maske herunter.
Und der Krieg? „da haben wir schwere Stunden verbracht,“ erinnert sie sich. So muss sie etwa helfen, Schützengräben auszuheben. Und einmal bekommt sie die „Stalinorgel“ aus nächster Entfernung zu hören. Dann Kriegsende. Maria ist 16 und wird geschickt, den jüngeren Bruder, der bei der Tante im Heustall versteckt war, heimzuholen. Daheim angekommen, ist sie gerade beim Wäscheaufhängen, als sie die ersten Russen sieht. Einer auf einem Schimmel kommt auf sie zu. Sie läuft davon, und versteckt sich im Feld. Er geht ihr nach, findet sie aber nicht. „Sie sind zu den Nachbarn, haben Uhren, Fahrräder mitgenommen.“ Wenn sie auf dem Feld arbeitet, verkleidet sie sich als alte Frau. „Angst?“, fragte sie Georg einmal. „Nein, wenn der Russe zu nahe gekommen wäre, hätte ich schon auch zugeschlagen.“ Zu diesem Zweck hatte sie stets spitz zugeschnittene Stauden bei sich sowie ein spitzes Messer.
Eines Abends klopft ein Russe an die Haustüre: „Aufmachen!“, er stürmt ins Haus – bleibt dann aber stehen, als er im Gitterbett das jüngste Kind sieht, geht hin, hebt es zärtlich auf, gibt ihm einen Kuss und verschwindet. Der Nachbarin geht es nicht so gut: „Sie ist von den Russen überfallen und vergewaltigt worden, bekam Syphilis und ist später daran gestorben. Zwei Kinder hatte sie, war allein, denn der Mann war im Krieg verschollen. Wir haben geholfen, so gut es ging.“
Später werden Bulgaren im Garten einquartiert. Die Familie bekommt vom Oberst, der im Nebengebäude wohnt, die Zusicherung, man werde sie nicht belästigen. Was zutrifft. „Nach den Bulgaren kamen die Tito- Partisanen. „Sie haben alles durchwühlt, alles mitgenommen, was die Russen nicht gestohlen hatten.“ Maria versteckt sich beim Onkel der Russisch kann „Es ist fürchterlich zugegangen,“ erinnert sie sich. „Nie wieder so eine Zeit.“
Sie organisiert dann eine dringend notwendige Haushaltungsschulung für junge Mädchen, die sonst nirgends unterkommen, auf dem Hof der Eltern, besucht selbst auch diese Schule, und arbeitet danach als Köchin bei der Familie Assmann. Den aus der Untersteiermark vertriebenen Frauen, die auf der Straße vorbeikommen, hilft sie, so gut es geht, gibt ihnen zu essen. Oft versprechen ihr diese ihr Gebet als Gegenleistung. Und von diesem Gebet, meint Maria, habe sie sich immer getragen gefühlt. Die Abfallkübel waren da immer leer. Die Köchin gab eben jeden Rest weiter oder verarbeitet ihn. Eine von den Frauen, die sich später in der Gegend niedergelassen hat, erinnert sich nach Marias Beerdigung dankbar: „Was mir diese Frau Gutes getan hat, ist unbeschreiblich!“
Und Johann? 1925 in Untervogau geboren, besucht er die fünfklassige Volksschule. Als guter Schüler verdient er sich ein Körberlgeld, indem er Mitschülern Aufgaben und Aufsätze macht. Sein Vater stirbt, als Johann 12 Jahre alt ist. So muss der Bub schon früh bei der Arbeit am Hof mithelfen. 1938 kommt Hitler nach Straß. Als die Hitlerjugend ihn eines Tages zu einem Hitlerjugendappell zitiert, inszenieren er und Freunde dort eine ordentliche Rauferei, die ihm zwar ein blaues Auge einbringt, aber eine weitere Teilnahme an ähnlichen Veranstaltungen erspart.
Im August 1942 wird er, 17jährig, tauglich für den Wehrdienst befunden. Im Dezember geht es nach Deutschland zur militärischen Ausbildung. Es folgen viele Stationen, bis er bei einem Einsatz gegen Partisanen im Raum Laibach durch einen Granatsplitter am Oberschenkel verletzt wird und ins Lazarett kommt. Nach einem Genesungsurlaub muss er trotz Gelbsucht im Jänner 1944 wieder einrücken. Wenig später geht es ab Richtung Russland. An der Front heißt es „eingraben“! Mitten in der Arbeit ein russischer Angriff. Ein Granatsplitter trifft ihn am Fuß. Wieder Lazarett. Wundfieber. Ein Lazarettzug bringt ihn mit vielen Schwerverwundeten nach Österreich. Wieviel Schreckliches er da zu sehen bekommt!
Nach 14 Tagen Lazarett heißt es wieder, einrücken. Knapp vor Weihnachten landet er in Ungarn. Als Beobachter wird er von seiner Stellung auf dem Kirchturm regelrecht von Panzerabwehrkanonen heruntergeschossen. Sein nächster Posten, ein riesiger Strohhaufen beginnt zu brennen, als die Russen mit Leuchtmunition hineinschießen. Er versucht zu fliehen, wird aber von Granatwerfern getroffen: ein wahnsinniger Schmerz im Rücken, überall Blut…Ein Sanitäter bringt ihn in Sicherheit: Lungendurchschuss.
Es folgen Lazarettaufenthalte in Tschechien und auf dem Semmering. Und dann – man glaubt es kaum – wieder zurück an die Front. In Oberschlesien gerät er schließlich in russische Kriegsgefangenschaft. „Unvorstellbare grausame Szenen haben sich damals abgespielt,“ schreibt er später, ohne auf die furchtbaren Jahre der Gefangenschaft näher einzugehen. Johanns Fazit: „Nie wieder Krieg. Möge der Herrgott uns und unsere Nachkommenschaft in Zukunft davor bewahren“.
Als er nach 2,5 Jahren Gefangenschaft heimkehrt, wiegt er 38 Kilo bei einer Größe von 1m80, ist schwerkrank. Die Wiedersehensfreude mit der Mutter ist riesengroß. Nun muß der Heimkehrer wieder zu Hause Fuß fassen.
Und wie haben sich die Eheleute kennengelernt? Johann wird Führer bei der katholischen Jugend in St. Veit und Obmann des Bundes der steirischen Landjugend. Bei Veranstaltungen der Jugend tanzen Maria und Johann miteinander. Doch er lässt nie erkennen, dass er sie heiraten möchte. In der Kirche sitzt sie hinter ihm und bewundert seine schwarzen Haare, wie sie ihrem Enkel Georg später gesteht. „Hast Du überhaupt aufgepasst, was der Pfarrer gesagt hat?“, neckt sie der Enkel. „Doch, doch,“ beteuert die Großmutter, „aber ich konnte doch nicht die Augen zumachen!“
Zu Sylvester ist sie wegen einer Blutvergiftung im Spital. Ein paar Tage später holt sie ihr Rad, das sie wegen der Verletzung am Arbeitsplatz stehengelassen hatte. Auf dem Weg nach Hause trifft sie Johann zufällig. Und da – beim Transformatorhäuschen – fragt er sie, ob sie ihn heiraten möchte. Ja, sie will! Sie soll das ihren Eltern sagen, erklärt Johann. Doch Maria ist vorsichtig: Wie steht sie da, wenn er doch nicht kommt? Also sagt sie nichts. Aber Johann kommt und die Eltern freuen sich über den überraschenden Heiratsantrag. Daraufhin gibt Maria den Job als Köchin auf und es wird im Februar 1957 geheiratet. Warum hast du die Mutter geheiratet fragt die älteste Tochter später ihren Vater: „Hübsch, war sie, an Gott hat sie geglaubt – und so fleißig war sie,“hat er lächelnd geantwortet.
Johann ist Landwirt, wird in den Gemeinderat und 1962 zum Bürgermeister von Vogau gewählt, in ein Amt, das er mehr als 20 Jahre innehaben wird. In der russischen Gefangenschaft hatte er gelobt: „Sollte ich heimkommen, will ich mich aktiv am politischen Aufbau meiner Heimat beteiligen, damit ein weiterer Krieg und die Irrlehre des Kommunismus Österreich verschonen möge.“ Dieses Gelöbnis hat er eingelöst – und zwar als gläubiger Christ, im Gegensatz zu vielen Politikern bemüht, den Sonntag heilig und arbeitsfrei zu halten. „Ich weiß was es heißt, ein Kind Gottes zu sein, und was es bedeutet, frei sein zu dürfen,“ war sein Spruch.
Man kann gar nicht aufzählen was er in dieser Zeit auf die Beine gestellt hat: für die Feuerwehr, den Fremdenverkehr, das Gemeindeamt, den Kindergarten, die Abwasserentsorgung, den Wohnungsbau, den Hochwasserschutz… Seine Frau Maria kocht und versorgt die Gemeinderäte, wenn eine Sitzung bei ihnen zu Hause stattfindet, denn anfangs gibt es kein Gemeindehaus. Jedenfalls unterstützt Maria ihren Mann, so gut sie kann: „Klein an Körpergröße, aber sehr bestimmt – wie ein kleiner General. Geht es ums Verhandeln des Holzpreises, dann schickt Johann seine Frau. Er wusste, sie kann das besser als er,“ bekomme ich zu hören.
Liebevoll und aufopfernd hat Maria ihren Mann gepflegt! Denn seit seiner Heimkehr leidet er an den Folgen der Kriegsverletzungen und der Kriegsgefangenschaft: der Lungendurchschuss wird ihm sein Leben lang Atem- und Herzbeschwerden bereiten. Und die russische Gefangenschaft hat Magengeschwüre und wiederkehrende Magenblutungen im Gefolge. „Immer wieder,“ erinnert sich die Tochter, „ging es da um Leben oder Tod, wenn die Blutungen oder die Atem- und Herzbeschwerden zu heftig wurden. Mehr als einmal dachten die Ärzte, er würde so einen Anfall nicht überleben.“
Immer wenn es dem Mann schlecht ging, musste Maria die Feld- und Hofarbeit alleine machen. Sie fährt mit dem Traktor, auch ohne Führerschein. „Keine Zeit dafür,“ erklärt sie. Da sie gut mit dem Gerät umzugehen wusste, drückt die Polizei ein Auge zu.
Die älteste Tochter, Maria, kommt 1958 zur Welt. Die Mutter arbeitet gerade auf dem Acker, als sie den Blasensprung hat. Da die Arbeit ja erledigt sein soll, arbeitet sie weiter, nimmt dann das Fahrrad und radelt ins Krankenhaus. Das Ergebnis: Kaiserschnitt. „Du bist ein Wunderkind,“ sage ich zur Tochter Maria, „ diese Geburt hätte auch schlimm ausgehen können.“
Weil die Feldarbeit weitergehen muss, nimmt Maria die Tochter schon nach wenigen Wochen mit aufs Feld. Dort liegt das Kind dann zunächst auf einer Plane und später spielt es auf dem Acker neben der Mutter. Tochter Maria hat dieses Erlebnis der mütterlichen Nähe in schönster Erinnerung.
Drei Töchter und drei Söhne bekommt das Ehepaar Deutschmann, doch alle drei Buben überleben nur kurz. Der erste Sohn wird viel zu früh geboren, hatte keine Überlebenschance, doch die beiden anderen hätten, obwohl Frühchen, vielleicht überlebt, wenn sie nicht, jeweils nach der Hausgeburt in die Kinderklinik nach Graz gebracht worden wären. Das geschah aus Übervorsorge für die Mutter, die bei der vorhergehenden Geburt der zweiten Tochter Johanna fast verblutet wäre, und man vermutet hatte, sie sei eine Bluterin. Beide früh geborene Buben erlitten jedoch in den schlecht gefederten Rettungsautos auf holprigen Straßen schwere Gehirnblutungen, die sie nur wenige Tage überlebten. Dabei war die Freude der Eltern und Schwestern bei den Schwangerschaften so groß gewesen. Man kann sich den Schmerz vorstellen den der Tod der Buben verursacht hat.
1969 kommt die jüngste Tochter Elisabeth zur Welt. Eine große Freude für die leidgeprüften Eltern. Später ermahnt Maria ihre Enkelinnen dankbar für jedes Kind zu sein, es sei ein großes Geschenk. Und so wird der Lebensschutz Maria auch zeitlebens ein großes Anliegen sein. Ebenso die Familie. Daher auch große Freude über die vielen Enkelkinder. Ihr ältester Enkel Georg hat daher auch die besten Erinnerungen an seine Großmutter, die wie eine zweite Mutter für ihn war. Viele Abende und Nächte hat er bei ihr verbracht, sein erstes Gebet, das Schutzengelgebet, hat er bei ihr gelernt, und wie man vor dem Essen betet, die Hände faltet. Mit Weihwasser zu segnen, war ihr wichtig, vor allem, wenn eine Reise bevorstand. Gegen Ende ihres Lebens ermahnte sie einmal ihre Familie: „Dass ihr mir nicht ohne Weihwasser zum Grab kommt!“
„Achtung vor dem Herrgott, verbunden mit sehr viel Liebe, das hat ihr Leben geprägt. Ihr Umgang mit der Natur und den Menschen, die Achtung vor der Schöpfung Gottes, haben das stark zum Ausdruck gebracht,“ erzählen Tochter Maria und Enkel Georg, „und viel Nächstenliebe.“ So habe sie etwa Kinder von armen Familien aus Graz und Berlin in den Ferienmonaten aufgenommen. Bei ihrem Begräbnis sei einer der Buben von damals dabei gewesen. Auch Gastarbeiterfamilien durften sich gratis bei ihr erholen und Flüchtlinge während des Bosnienkriegs konnten bei ihr unterkommen. 1964 stellt das Ehepaar einen behinderten Landarbeiter ein, der sonst nirgends unterkommen konnte. „Der hat brav gearbeitet, aber wenn er zuviel Alkohol in die Hand bekommen hat, konnte es auch vorkommen, dass er durchdreht und mit einer Mistgabel oder ähnlichem nach der Hausfrau geworfen hat,“ erinnert sich die Tochter.
Kein Schicksalsschlag – von denen gab es ja mehr als genug – konnte Frau Deutschmann wirklich umwerfen. „Ich hab mich nie vom Herrgott ganz verlassen gefühlt,“ hat sie den Enkeln oft beteuert. Und: „G’weint hab i wenig, aber bet’ hab i viel.“ Geweint hat sie allerdings schon auch, weiß Tochter Maria zu erzählen, wenn z.B. „Kühe oder Schweine unerwartet verendeten oder der Hagel die Mais-Ernte vernichtet hat.“ Aber dann habe sich die Mutter gleich wieder an die Arbeit gemacht und neu gepflanzt. „Sie hat sich einfach nicht unterkriegen lassen und eben noch mehr gebetet...“ Auch wenn es dem Mann schlecht ging und die finanzielle Situation auf der Kippe war, blieb sie geduldig – und betete. „Ja, sie war ein geduldiger Mensch,“ erinnert sich die Tochter, „wie Gott will, ich halte still, war ihr Motto.“
Nicht nur Kochen, Nähen und einiges mehr habe Tochter Maria von ihr gelernt, wie sie mir erzählt, sondern vor allem auch „ihre Geradlinigkeit“. Das hatten die Leute an ihr geschätzt. Auch ihre Mütterlichkeit, ihr tiefer Glaube hätten nicht nur auf die Familie, sondern auf die ganze Gegend ausgestrahlt, darin ist sich die Familie im Rückblick einig.
Ihren Enkel Georg wiederum hat beeindruckt, wie ausgeprägt die Liebe der Großmutter zur Natur gewesen sei: „So wie sie im Einklang mit der Natur gelebt, jeden Baum, jede Feldfrucht geschätzt hat und kein Obst verderben ließ, war beeindruckend. Sie hat alles verwertet: da wurde Kompott, Most, Eis, Strudel, Marmeladen oder Schnaps hergestellt. Für sie waren alle Früchte wahre Geschenke. Sie hat in Dankbarkeit mit der Natur gelebt.“
Sie ist noch keine 70, da erfährt Maria Deutschmann, dass sie schwere Osteoporose hat. Nach schweren Brüchen auf Grund ihrer Erkrankung nehmen die Schwierigkeiten beim Gehen zu: Zuerst geht sie mit Stöcken, dann mit einem Rollator. Das bremst ihren Einsatz für die Familie jedoch nicht. „Ihr Leben war ihre Familie,“ erzählt ihre Tochter und wiederholt einen der Sprüche ihrer Mutter: „Wir brauchen Kinder, wir brauchen gute Mütter und Großmütter. Und die sollen für ihre Enkel beten.“
Zu Sylvester 2016 kommt Maria Deutschmann mit Magenblutungen und einer Lungenentzündung ins Spital. Dort stirbt sie am 5. Jänner 2017, dem 36. Geburtstag ihrer ältesten Enkelin, selbst schon Mutter von 5 Kindern.
Was sie abschließend über ihre Eltern und Großeltern hervorheben möchten, frage ich alle, die da mit mir um den Küchentisch bei Fellners beisammensitzen. Und man ist sich einig: Beide Großeltern habe ein tiefer Glaube ausgezeichnet, eine große Liebe zur Familie – „sie waren zur Ehe und füreinander berufen“ – sowie ein vertrauensvolles Annehmen aller Schwierigkeiten, Entbehrungen und Schicksalsschläge. Und das Besondere an der Großmutter? „Zufrieden, gottesfürchtig, dankbar und nie geizig. Sie hat niemand vor ihre Türe stehen lassen der Hilfe gebraucht hat,“ erklärt Georg. Und seine Frau ergänzt: „Am meisten habe ich ihr Lachen und ihre Freundlichkeit geliebt. Ich war gleich daheim bei ihr.“ Wir auch. Danke!