Vor genau 600 Jahren wurde Niklaus von der Flüe geboren. „Bruder Klaus“, wie er meistens genannt wird, war zehnfacher Familienvater, Soldat, Bauer, Politiker, Friedensstifter und Einsiedler. Schon seine Zeitgenossen sahen in ihm einen lebendigen Heiligen, den sie in ihren Fragen und Nöten aufsuchten. Bis heute ist das Vertrauen in die Fürbitte dieses großen Mystikers und Friedensheiligen ungebrochen. Dem großen Schutzpatron der Schweiz sind zahlreiche Kirchen, Kapellen und Schulen in Europa, Amerika, Asien und Afrika geweiht.
1417 wurde Niklaus von der Flüe im Kanton Obwalden in der Schweiz geboren. Sein Vater, Heinrich von Flüe, war ein Bauer. Mit viel Fleiß hatte er sich emporgearbeitet und nannte einen stolzen Besitz sein eigen. Von seinen Söhnen Peter und Klaus erwartete er, dass sie fleißig mithalfen, seinen Besitz noch zu vermehren. Seine Mutter, Hemma Ruobert, war eher von nachdenklicher, frommer Natur. Einmal kam der Ältere, Peter, unwillig zu ihr und schimpfte, dass Klaus sich während der Arbeit hingekniet und gebetet habe, „wie man es in der Kirche tut“. Sie entgegnete darauf nur: „Lass ihn doch machen, der Herrgott ist ja überall, nicht nur in der Kirche.“ Im innersten Herzen jedoch freute sie sich darüber und ahnte, dass Klaus zu Großem berufen sei. Auch im Spiel, so berichtet sein Jugendfreund Erny Rohrer, zog es ihn oft von den Kameraden weg. Er verbarg sich dann an einem einsamen Ort, um zu beten oder nachzudenken. Auch verzichtete er früh auf vieles und begann zu fasten.
Mit 14 Jahren begann Niklaus sein Leben in der Öffentlichkeit. Dem geradlinigen und gerechten jungen Mann wurden bald verschiedene Ämter anvertraut.
Mit 16 Jahren hatte er jedoch eine Vision: Er sah aus der Ranftschlucht, ganz in der Nähe von seinem späteren Wohnhaus, einen hohen Turm aufragen, genau an der Stelle, wo später seine Einsiedlerklause stehen sollte.
Zunächst jedoch musste er als Soldat an mehreren Schlachten der Eidgenossen teilnehmen. Von 1440 bis 1441 nahm er als Offizier am Kampf gegen Zürich teil. Doch statt zu kämpfen, schlug er sich lieber zum Gebet in die Büsche. Jugendfreunde berichten, dass er oft die Stille suchte, die Feinde wenig schädigte und nach Möglichkeit geschützt habe. Konsequent ging er seinen eigenen Weg, auch wenn die anderen Soldaten plünderten und Brände legten. Einmal wollten die Soldaten ein Dominikanerinnenkloster überfallen, das in ihre Hände gefallen war. Da sprang ihnen Nikolaus in den Weg und rief: „Wartet, Brüder, was tut ihr? Zurück! Den frommen Frauen soll nichts geschehen!“ Niemand wagte es nunmehr, das Kloster zu überfallen.
Mit 29 Jahren heiratete er die 15 Jahre jüngere Dorothee Wyss aus der nahen Gemeinde Sarnen und baute auf dem Flüeli ein Haus. Ihrer Ehe wurden zehn Kinder geschenkt: Fünf Mädchen und fünf Jungen. 1459 stieg er zum Ratsherrn in Obwalden und zum Richter seiner Gemeinde auf. Als gefragter und unbestechlicher Schiedsrichter musste er oft in seiner Stube Streitigkeiten schlichten und Rat erteilen. Sein Sinn für Gerechtigkeit wurde von allen gelobt.
Gegen höhere politische Aufgaben jedoch wehrte er sich. All die Jahre hindurch verließ ihn nie seine Sehnsucht nach dem Einsiedlerleben. Dorothee war zum einen stolz auf ihren Ehemann: Sie hatten ein stattliches Haus, einen großen Besitz und ihr Mann war im ganzen Land angesehen, doch sah sie auch, wie Niklaus immer mehr von sich abforderte: Er gönnte sich kaum das Nötigste an Nahrung und Schlaf. Oft stand er nachts auf und betete stundenlang am Stubenofen oder im Ranft. Wenn er von der Arbeit kam, zog er sich oft erst noch zurück, um mit Gott allein zu sein. Auch war sein Gesicht oft gezeichnet von überirdischen Erlebnissen. Dorothee liebte ihren Mann über alles, aber sie sah auch, wie er litt, weil er sich Gott ganz schenken wollte.
Mit 50 Jahren beschloss Niklaus nach zweijährigem Ringen, dem Ruf Gottes zu folgen und in die Einsamkeit zu gehen. Er erbat sich dafür die Zustimmung seiner Frau und seiner älteren Kinder. Dorothee und auch seine ältesten, schon erwachsenen Kinder, willigten ein. So verließ er am 16. Oktober 1467, dem Gallustag, im Pilgergewand seine Frau, seine Kinder und seinen Hof. „Bruder Klaus“, wie er sich fortan nannte, wollte sich im Elsass den „Gottesfreunden“ anschließen.
Bei Liestal allerdings wurde er aufgehalten: Ein Feuerstrahl über der Stadt erschreckte ihn. Es umleuchtete ihn ein Strahl vom Himmel und wies ihm den Weg zurück. Wie von einem Seil gezogen, spürte er die Mahnung, in die Heimat zurückzukehren. Von diesem Moment an enthielt er sich bis zu seinem Tod von jeder Speise. Nach einigen Tagen des Herumirrens ließ er sich im Ranft nieder, einer Schlucht, die nur 300 Meter von seinem Wohnhaus entfernt ist.
Die Dorfbewohner bauten ihm dort eine Klause mit Kapelle. 20 Jahre lang sollte Bruder Klaus dort leben, in völliger Nahrungslosigkeit, nur genährt vom heiligsten Sakrament. Er lebte ähnlich wie ein Engel in immerwährender Anbetung. Sein Leib brauchte weder Speise noch Trank. Er ruhte nur wenige Stunden in der Nacht auf einem Brett mit einem Stein als Kopfkissen. Der heilige Geist jedoch erhellte ihn mit so viel Trost und Licht, dass er die Geheimnisse des Himmels erfassen konnte wie selten ein Mensch.
Im Ranft wurde Bruder Klaus vielen Menschen Seelsorger und Ratgeber. Von weither kamen die Menschen, um sich bei Bruder Klaus Rat zu holen. Vom Volk wurde er als lebendiger Heiliger verehrt. Einige seiner Ratschläge sind uns überliefert: „Gehorsam ist die größte Ehre, die es im Himmel und auf Erden gibt. Darum sollt ihr schauen, dass ihr einander gehorsam seid.“ – „Ihr sollt auch das Leiden Christi in Euren Herzen tragen, denn es ist des Menschen größter Trost an seinem Ende.“ – „Der Gehorsam ist die erste Tugend und die Liebe die Mutter aller Tugenden.“ Für alle, die zu ihm kamen, hatte Bruder Klaus ein treffendes Wort. Bruder Klaus wurde so zum Vater vieler, zum großen Leuchtturm, zum hell strahlenden Stern. Bruder Klaus konnte sogar in den Herzen lesen, und er sagte manchen Menschen die Zukunft voraus.
Am 21. Dezember 1481 wirkte er das „Wunder von Stans“: Die Eidgenossenschaft war kurz vor der Auflösung und heillos zerstritten. Da eilte Pfarrer Heimo Amgrund in Nacht und Schnee zu Bruder Klaus in den Ranft. Lange rang Bruder Klaus im Gebet und gab schließlich eine Botschaft an die Ratsherren mit, die leider unbekannt ist. Fest steht nur: Mit der Nachricht kam es zur unerwarteten und raschen Einigung zwischen den Land- und den Stadtkantonen. Der Bürgerkrieg wurde verhindert, die Schweiz war gerettet. Bis heute hat die Schweiz seit diesem Tag keinen Krieg mehr erlebt.
Am 21. März 1487 starb er mit 70 Jahren im Beisein seiner Frau Dorothee auf dem bloßen Boden. Die Trauer über den Tod des Einsiedlers ging durch das ganze Land. Nach seinem Tod wurde sein Leib nach Sachseln getragen und dort nach Anordnung des Weihbischofs von Konstanz in der Pfarrkirche bestattet. Damit wurde ihm eine Ehre zuteil, die sonst nur Priestern und Vornehmen vorbehalten war. Das Requiem wurde in Anwesenheit von hundert Priestern gefeiert.
Vom Volk war er schon zu Lebzeiten als Heiliger verehrt worden. Schon bald nach seinem Tod wurde sein Grab in der Pfarrkirche Sachseln zu einem der wichtigsten Pilgerorte der Schweiz. Über 30 Wunder ereigneten sich gleich nach seinem Heimgang, bis zu seiner Heiligsprechung im Jahr 1947 wurden über 8.000 wunderbare Gebetserhörungen gemeldet.
Am 15. Mai 1947 wurde Bruder Klaus durch Papst Pius XII. heilig gesprochen. Der 25. September wurde als offizieller Gedenktag festgelegt.
Bruder Klaus, der seine eigenen Kinder aus Liebe zu Gott verließ, wurde schließlich zum großen Landesvater der Schweiz. Seine abgesehen von der hl. Kommunion völlige Abstinenz von Speise und Trank ist ein großes Wunder, das seine Auserwählung von Gott bestätigte. Der Bauernsohn, der weder lesen noch schreiben konnte, wurde zum großen Gottesmann, der die tiefen Geheimnisse Gottes schauen durfte. Er, der sich aus der Welt zurückzog, wurde für die Welt zum großen, hellen Stern am Himmel, der seinen Zeitgenossen Rat gab und der bis heute ein großer Fürbitter am Throne Gottes ist.