Jetzt habe ich es wieder in der Hand, das jüngste Buch von Kardinal Robert Sarah: Kraft der Stille – Gegen die Diktatur des Lärms. Es ist kürzlich auf Deutsch erschienen, mit einem Vorwort von Papst em. Benedikt XVI.. Ich hatte das Buch schon mit großem Gewinn im Vorjahr auf Französisch gelesen und einige übersetzte Auszüge daraus in VISION 6/16 veröffentlicht. Und die neuerliche Lektüre hat mich in der Überzeugung bestärkt: Das vom Kardinal profund behandelte Thema Stille ist gerade für uns Christen, die wir mitten in einer von Trubel, Sorgen, Aufregungen und Lärm erfüllten Welt leben, von größter Bedeutung.
Benedikt XVI. spricht es in seinem Vorwort an: „Kardinal Sarah ist ein geistlicher Lehrer, der aus der Tiefe des Schweigens mit dem Herrn, aus der inneren Einheit mit Ihm spricht und so einem jeden von uns wirklich etwas zu sagen hat. (…) Sarah lehrt uns das Schweigen – das Mit-Schweigen mit Jesus, die wahre innere Stille, und gerade so hilft er uns, auch das Wort des Herrn neu zu begreifen.“
Darum geht es in dem Buch: Dem Herrn in der Stille zu begegnen, mit Gott, der in uns am Werk ist, in Berührung zu kommen und zu bleiben.
Es waren wichtige Begegnungen, die den Kardinal dazu bewogen haben, in Zusammenarbeit mit Nicolas Diat dieses Buch zu verfassen. Da waren zunächst die Erfahrungen, die sein Vorgänger auf dem Bischofsstuhl von Conakri in Ghana, Erzbischof Raymond-Marie Tschidimbo gemacht hatte. Dieser hatte unter dem kommunistischen Regime in seinem Land neun Jahre in Einzelhaft verbracht und diese schreckliche Zeit nur Dank seiner Begegnung mit dem sich in der Stille offenbarenden Gott bestanden. „Die Stille, die ihm seine Peiniger auferlegten, wurde seine Leiter, um zum Himmel hinaufzusteigen,“ berichtet Kardinal Sarah.
Dann war da die Freundschaft mit einem 37-jährigen Bruder der Abtei Lagrasse: Vincent-Marie, seit 2014 an Sklerose erkrankt, der regungslos liegend, nur schwer atmen und nicht mehr sprechen konnte, aus dessen Augen aber Freude, Glauben, kurz die Früchte der in der Stille erlebten Gegenwart Gottes strahlten.
Zuletzt waren dann drei Tage maßgebend, die der Kardinal in der Klostergemeinschaft der „Grande Chartreuse“ bei den Trappisten verbrachte: das Erlebnis des nächtlichen Stundengebets, die Stille, die Faszination der Nacht…
Wer das Buch zur Hand nimmt, darf sich nicht erwarten, etwa psychotherapeutische Tricks serviert zu bekommen, um aus der Hektik zur Gelassenheit zu finden. Vielmehr ist der Kardinal bemüht, die Notwendigkeit der inneren Hinwendung zu Gott zu betonen, die nur in der Stille stattfinden kann. Gerade unsere hektische Zeit, die dazu neigt, sich im Aktivismus zu verlieren, braucht es dringend, dem Gebet Vorrang einzuräumen. Und zwar einem Gebet, das sich für das Wirken Gottes in unserem Leben öffnet und nicht zu einem mühsam erfüllten Programmpunkt im überfüllten Kalender degeneriert.
Was das beispielsweise zur Folge haben kann, sei anhand eines Zitats aus dem Buch illustriert: „Heute liegt die Gefahr im rastlosen Aktivismus der modernen Welt. Unentwegt sind wir aufgerufen, zu kämpfen, geistiges Terrain zu durchkämmen, unsere Gegner zurückzustoßen und zu vernichten. In der Tat wird der Mensch dazu gedrängt, gegen das Böse mit Bosheit anzugehen, während er doch das Unkraut mit dem Weizen wachsen lassen sollte. Die Stille wird uns die Geduld geben, den Moment abzuwarten, in dem das schlechte Gewächs von selbst eingehen wird. Dank der Stille können wir ausdauernd auf die Stunde Gottes warten, da wir unter Seiner Führung einen Bund mit Ihm schließen.“
Kraft der Stille – Gegen die Diktatur des Lärms. Von Robert Kardinal Sarah und Nicolas Diat. Fe-medienverlags GmbH, Kißlegg, 2017, 312 Seiten, 18,30 Euro (e-Book 13,99 Euro). Siehe auch die zitierten Passagen aus La Force du Silence in Vision 6/16, auf den Seiten 12-13.