VISION 20005/1999
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Der heilige Giuseppe Moscati

Artikel drucken Botschaft an uns (Wolfgang Stadler)

Ausgestattet mit einer vernunftbegabten Geistseele, gehören wir Menschen nur in unserer Leiblichkeit der Natur an. Unseren Ursprung haben wir in der Liebe Gottes, zu dem wir eines Tages zurückkehren werden. Auf diese grundsätzlichen Wahrheiten muß in unserer Zeit des ungenierten Wildwuchses scheinreligiöser und scheinwissenschaftlicher Lehren und deren unheilvoller Verquickung immer wieder hingewiesen werden. Daher ist es besonders wichtig zu wissen, daß es immer Menschen gab (und gibt), die durch ihr Leben und Wirken bezeugen, daß ehrlich betriebene Naturwissenschaft und unser Glaube einander zu ergänzen vermögen, daß es keinen Gegensatz zwischen ihnen gibt - sofern beide mit der nötigen Demut betrachtet werden. Der hl. Giuseppe Moscati ist dafür ein wirklich großer Zeuge.

Am 25. Juli 1880 wurde er in Benevent geboren, 1881 - 1887 lebte die Familie in Ancona, wohin der Vater als hochrangiger Jurist versetzt worden war. Die tiefgläubigen Eltern, deren 7. Kind Giuseppe war, boten ihren Kindern trotz einer zersetzenden, freidenkerischen Umgebung ein christliches Zuhause, in dem sie sich in jeder Weise entfalten konnten. 1887 zog die Familie nach Neapel. Dort, in dieser Stadt enormer sozialer Gegensätze, lernte Giuseppe die oft beispiellose Armut vieler seiner Mitmenschen kennen und wurde davon tief geprägt. Behutsam wurde er von seinen Eltern in einen lebendigen Glauben eingeführt; gemeinsames Familiengebet und häufige Besuche des eucharistischen Heilandes waren selbstverständlich. 1889 trat er ins Gymnasium ein, wo schon bald sein Drang auffiel, in die Tiefe des Gelernten vorzustoßen - eine Voraussetzung für sein späteres, hochentwickeltes wissenschaftliches Denken.

Im Oktober 1897 begann er an der damals hervorragenden Universität von Neapel das Medizinstudium. Er schrieb später: "Als Knabe schaute ich mit Interesse auf das Krankenhaus der Unheilbaren, auf das mein Vater mich hingewiesen hatte ... ich fing an, an die Hinfälligkeit aller Dinge zu denken." Die Universität war damals mit Lehrern durchsetzt, die agnostisches, materialistisches Gedankengut vertraten. Wie einem Götzen wurde einem sogenannten "wissenschaftlichen Naturalismus" gehuldigt, der den Menschen nur als Teil der begreifbaren Natur gelten ließ. Die Schriften Feuerbachs, Haeckels und Büchners waren hochaktuell. Moscati erkannte hingegen, daß der Mensch in seinem Sein innerhalb der Natur allein nicht begreifbar ist. So war für den wissensdurstigen Studenten die Lage klar: in dieser Umgebung konnte man nur Christ sein - oder abfallen. Moscati blieb Christ; keineswegs verborgen, sondern seinen Glauben klar und sachlich vertretend bei den oft hitzigen Auseinandersetzungen unter den Studenten, wo es nicht nur um Fachfragen, sondern um philosophische Ansichten ging.

Er ging täglich zur Messe. Aus dem täglichen Eucharistieempfang erhielt er die Kraft und vor allem innere Gelassenheit, die - gemeinsam mit seiner Verstandesschärfe - ihn die Unzahl neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse im rechten Licht sehen ließen.

1903 wurde er promoviert. Von da an ging seine Berufslaufbahn steil aufwärts. Er begann im Krankenhaus der Unheilbaren, St. Maria del Popolo, dem "Incurabili", zu arbeiten, eröffnete bald eine Praxis und erwarb sich innerhalb kürzester Zeit einen hervorragenden Ruf als Diagnostiker: "Er wußte seherisch in das Geheimnis ... vorzudringen .... und die genaue Diagnose zu stellen". Moscati war mit einer genialen Intuition ausgestattet: "Auch bei den schwersten Fällen gelang es ihm, die Fäden zu finden, an denen er sich vortastete, bis die Diagnose feststand".

Aber sein Anliegen war der Mensch in seiner Gesamtheit, daher galt seine Sorge als Arzt nicht nur dem kranken Körper, sondern ebenso der meist kranken, aber unsterblichen Seele.

1906 brach der Vesuv aus, es herrschten chaotische Zustände. Als Moscati erfuhr, daß in einem Spital eines Ortes in der Gefahrenzone die Evakuierung der Kranken aufs höchste gefährdet war, machte er sich auf, schlug sich durch Aschen- und Lavaregen dorthin durch und brachte tatsächlich die Evakuierung im letzten Moment zustande. Als letzter verließ er das Gebäude, das unmittelbar hinter ihm zusammenbrach, aber niemand kam zu Schaden.

1911 wurde er Primararzt, im selben Jahr habilitierte er sich. Er lehrte anatomische Pathologie und forschte vor allem auf dem Gebiet der Biochemie. Seine zahlreichen Veröffentlichungen erregten international Aufsehen. Aber während die Erforschung biochemischer Vorgänge schon damals viele zur Meinung verführte, das Leben sei "machbar", zog Moscati andere Schußfolgerungen: "Du, o Gott, bist Schöpfer des Alls. Du hast Leben und Schönheit geschaffen, Abbild deiner Liebe, die sich von Augenblick zu Augenblick erneuert."

Welche Karriere wäre Moscati sicher gewesen! Ihm aber "war die Sorge um die Kranken wichtiger", die von weither zu ihm kamen. Zusätzlich zu seiner Arbeit in Spital und Praxis ging er täglich noch in der Morgendämmerung in die Elendsviertel Neapels. Unzähligen dieser Allerärmsten, in denen er das leidende Antlitz Christi sah, half er medizinisch und materiell, half Menschen in tiefster seelischer Verwahrlosung und Hoffnungslosigkeit. Immer wies er aber auf die notwendige Sorge um ihr Seelenheil hin. Trotz der enormen Arbeitsüberlastung versäumte er nie die tägliche Begegnung mit Gott in der hl. Messe.

1923, auf einer Fahrt zu einem Kongreß in Edinburgh, der er sich nur nach langem Zögern angeschlossen hatte, machte er folgende, für ihn charakteristische Eintragung in sein Tagebuch: "19. Juli 1923, 11 Uhr, Ankunft in Turin. Heute, mein Gott, bin ich ohne dich gewesen." Und in London war seine erste Frage die nach einer katholischen Kirche.

Erschütternd ist jene Begebenheit, als bei einer Konferenz ein Wissenschaftler, der sein Leben lang Gott geleugnet hatte, nach seinem Vortrag zusammenbrach. Sterbend bat er seinen ehemaligen Studenten Moscati, dessen Einstellung er kannte, zu sich.

Moscati betete mit ihm die Worte der vertrauenden Reue - alles inmitten einer Versammlung recht gegensätzlich denkender Wissenschaftler. "Moscati erfüllte in der Todesstunde B.'s die Aufgaben eines Priesters."

"Ich rate Ihnen, lassen Sie den Pfarrer rufen. Denn zuerst muß man an das Heil der Seele denken, dann an das Heil des Leibes," sagte er einem Schwerkranken. Danach behandelte er ihn bis zu seiner vollständigen Genesung.

Seine zahlreichen Briefe drücken immer größtes Mitgefühl mit den Leidenden oder Hinterbliebenen, Liebe zu seinen Mitmenschen und trotz außergewöhnlicher Behutsamkeit so doch entschiedene Klarheit bei den Fragen des unsterblichen Lebens aus. Am 12. April 1927 starb er ganz plötzlich, ebenso still und bescheiden, wie er gelebt hatte, während seiner Nachmittagspraxis.

Ein gläubiger Wissenschaftler und Arzt - wieviel hätte er uns zu sagen! Uns allen, daß wir über die Wertigkeiten des Lebens nachdenken und nicht nur die leibliche Gesundheit als das größte Gut ansehen; daß wir unsere Scheu aufgeben, Krankheit und Tod als Teil unseres Lebens anzunehmen; daß wir zu wenig Vertrauen in die Verheißung des ewigen Lebens in der Liebe Gottes haben. So klammern wir uns krampfhaft an dieses Leben, wagen es oft nicht einmal, unseren engsten Angehörigen in Todesgefahr die Wahrheit zu sagen, verweigern ihnen den Priester, um sie nicht zu "beunruhigen"! Was hätte der Heilige doch den vielen frustrierten, unter dauerndem Leistungsdruck stehenden Ärzten zu sagen - den Ärzten, für die der Tod ein Versagen ihres Könnens ist, oder - schlimmer noch - jenen, die gleichgültig am wahren Wert und der Würde des Lebens vorübergehen, wenn sie sich mit der Tötung in welcher Form auch immer abfinden; oder den Wissenschaftlern, denen der Heilige ein Lehrer einer wirklich menschenwürdigen, demütigen Forschung sein könnte ... Der hl. Moscati könnte uns, wenn wir ihn verstehen wollten, lehren, die heiklen Fragen von menschlichem Forschen und gläubigem Denken im rechten Licht zu sehen, im Licht der Liebe Gottes, der Seine Geschöpfe mit Herz und Hirn ausstattete. Aber "nicht die Wissenschaft, sondern die Liebe hat die Welt verändert", schrieb er, einer, der Bescheid wußte.

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