Eine Stellungnahe Roms zum Geschehen in Medjugore, das weiterhin umstritten ist, wird erwartet. Im Folgenden ein Gespräch mit P. Tomislav Pervan, der viele Jahre hindurch Pfarrer war in diesem Ort, der jährlich Millionen anzieht.
Den Sehern wird ständig vorgeworfen, kein einziger von ihnen habe den Ordens- oder Priesterstand gewählt, sie hätten sich bereichert usw. Wiewürden Sie sie heute beurteilen, kann man sie als verlässliche Zeugen ansehen?
P. Tomislav Pervan OFM: Die Seher sind Menschen mit Schwächen und Stärken, sympathisch und manchmal weniger sympathisch. Sie sind nicht vollkommen, bleiben menschlich eingeschränkt und sind nicht automatisch heilig. Wir erwarten das aber von ihnen, uns selber dispensieren wir jedoch vom Weg der Heiligkeit.
(…) Die Kirche anerkannte die Erscheinungen in La Salette in Frankreich 1846. Die dortigen zwei Seher, Mélanie und Maximin, hatten nach den Erscheinungen ein ziemlich stürmisches Leben. Maximin starb vor Beendigung seines 40. Lebensjahres.
Auch Bernadette aus Lourdes hatte kein angenehmes Leben wegen der Torturen im Kloster und aus anderen Gründen. Das Leben derer, die im Brennpunkt stehen, ist ganz und gar nicht leicht. So hatten auch die sechs Seher von Medjugorje keinerlei Privatsphäre mehr nach den ersten Erscheinungen. Sie wurden Tag und Nacht belagert. Man kann es frei heraussagen: Es wurde ihnen die Kindheit und Jugendzeit genommen. Was kann man über ihr weiteres Leben sagen? Sie blieben bei ihren Beteuerungen, trotz aller Bedrängnis, Bedrohung und Verdächtigung, und obwohl sie Ende Juni 1981 aus ihrem Alltagsleben herausgeworfen und in ein Spiel hineingezogen wurden, das sie nicht voraussahen und auch nicht wollten.
Warum entschieden Sie sich nicht für das Ordensleben?
P. Pervan: Maria überließ ihnen die freie Entscheidung. Gott zwingt niemanden. Meinen Sie, dass das Leben in der Familie leichter ist als das im Kloster? Wenn die Seherin Lucia aus Fatima in ihren Notizen beteuert, dass der entscheidende Kampf heutzutage im Bereich der Ehe und Familie ausgefochten wird, dann ist die Entscheidung der Seher für Ehe und Familie vor der ganzen Welt eine Bezeugung des Wertes der Familie – zu einer Zeit, wo Familien zerrissen werden, wo die Ehe als heilige Gemeinschaft von Mann und Frau unterminiert wird, weil Parlamente gleichgeschlechtliche Verbindungen per Gesetz als „Ehen“ definieren usw…
Dieses Jahr wird der 100. Jahrestag der Erscheinungen von Fatima gefeiert. Man vergaß die Tatsache, dass der Seher Francisco die Gottesmutter nur gesehen hat, dass Jacinta sie gesehen und gehört hat und dass nur Lucia mit ihr gesprochen hat. Alle ihre Notizen über die Erscheinungen machte sie erst fast ein Vierteljahrhundert danach im Kloster. (….)
Warum sollten nun die Begebenheiten von Medjugorje nicht glaubwürdig sein, wo es doch von Anfang an Audio-Aufnahmen und Dokumente über die ersten genauen Befragungen gibt – ganz zu schweigen von den wissenschaftlichen Untersuchungen? Der slowenische Psychiater und Parapsychologe Ludvik Stopar hat Ende 1982 genaue Anamnesen und Aufzeichnungen über die Seher gemacht. (…)
Weiters sind zu nennen diverse Ärzte aus Milano, die ihre Untersuchungen vornahmen. Dann Dr. Henri Joyeux aus Montpellier oder der Psychologe und Parapsychologe Prof. Andreas Resch aus Innsbruck. Weiters René Laurentin, der größte Mariologe des vergangenen Jahrhunderts und anerkannter Diagnostiker der Erscheinungen von Lourdes. Er untersuchte die Seher von Medjugorje und die Phänomene bereits Ende 1982. Warum werden seine Untersuchungsergebnisse im Fall von Medjugorje vernachlässigt, von denen er selbst behauptet, sie sprächen deutlicher für die Echtheit von Medjugorje als die über Lourdes.
(…) Denken wir auch an ein anderes Ereignis des letzten Jahrhunderts. Es liegt nicht so weit zurück (1958), da hat das Heilige Offizium – die heutige Glaubenskongregation – die Visionen und die Schriften der hl. Faustina Kowalska verurteilt. Man stellte sie auf den Index der verbotenen Bücher. Erst der hl. Johannes Paul II. hat ihr Werk ganz rehabilitiert und gefördert. Es gibt kaum jemand, der nicht ihr Tagebuch kennt und nicht den Barmherzigkeitsrosenkranz betet. Sie ist die erste, die im neuen Jahrtausend heilig gesprochen wurde. Wer hat sich also geirrt? Wer hat Fehler begangen? Die Entdeckung der Wahrheit dauert länger, aber sie bricht schließlich durch.
(…)
Oft sagen Sie, für Sie sei es das größte Wunder, dass Medjugorje ein Beichtstuhl für die ganze Welt wurde. Bischof Peric sagt hingegen, dass zahlreiche Beichten, Kommunionen und mögliche Bekehrungen nicht der Beweis für die Erscheinung der Mutter Gottes sind.
P. Pervan: Diesen Begriff „Beichtstuhl der Welt“ verwende ich nicht gerne. Das wurde zu einer Floskel oder einem geflügelten Wort. Diesen Ausdruck haben andere geschaffen. Ich möchte herausstreichen, dass Medjugorje die schönste und beste Frucht des letzten Konzils selbst ist. Wenn das Konzil eine Erneuerung der Kirche anstrebte, die (Neu)Evangelisierung der Welt, die Hinwendung zu den Quellen, dann findet das gerade hier statt. Im Mittelpunkt stehen die Eucharistie, die Anbetung vor dem Allerheiligsten, das Gebet, der starke Glaube.
Um am Tisch des Herrn teilnehmen zu können, steht als Voraussetzung das Sakrament der Versöhnung, der Buße, der Beichte. Dieses ist im Westen fast verschwunden. Alle, die in Medjugorje gebeichtet haben, fragen nicht nach der Authentizität der Erscheinungen, sondern sind glücklich über die Gnaden, die hier ausgegossen werden. In Medjugorje bin ich seit Jahrzehnten. Die letzten 15 Jahre diente ich hauptsächlich im Beichtstuhl, und da konnte ich Wunder der Gnade erleben. Menschen werden geistlich gesund, manchmal auch physisch. Das metaphysische Wunder der Umkehr ist manchmal größer und wirksamer als das der physischen, körperlichen Heilung, wenn in der Kraft der Gnade und der Berührung durch Christus z. B. das Kreuz der Krankheit angenommen wird.
Heute haben wir hier an die 50 Beichtstühle. Doch man denke an die ersten Tage und Monate, als die Menschen auf dem Rasen neben der Kirche beichteten. Die damaligen Beichten waren für mich (unter anderem) der Beweis, dass sich in Medjugorje etwas Mächtiges ereignet, dass das Reich Satans zerbröckelt, dass Satan an Boden verliert, dass der Kommunismus zu Ende geht. Damals gab es erschütternde Lebensbeichten und sehr viele Menschen, die von Grund auf ihr Leben änderten. Darum erhob sich gegen Medjugorje der ganze damalige kommunistische Machtapparat, um das alles von der Wurzel her auszurotten. Das war allerdings unmöglich, denn es war nicht durch menschliches Wollen und Wünschen entstanden, sondern durch göttliche Absicht und Entscheidung.
Auszüge aus: Medjugorje – Die Wahrheit über die Erscheinungen der Gottesmutter. Von Tomislav Pervan. Medienverlag Christoph Hurnaus, 48 Seiten, € 5 (ab 5 Stück € 4 , ab 10 Stück € 3,50