Im Rahmen eines Vortrags im Napa Institute in Kalifornien ist der Erzbischof von Philadelphia, Charles Chaput, der Frage nachgegangen, vor welchen besonderen Herausforderungen Katholiken in unseren Tagen, in denen sich das kulturelle Umfeld so massiv verändert hat, stehen. Einleitend setzte er sich mit den seiner Ansicht nach entscheidenden gesellschaftlichen Veränderungen auseinander. Die Punkte, die er dabei erwähnte, sind zwar im Hinblick auf die Situation in den USA formuliert, treffen aber ebenso auf Europa zu. Sie sind im Folgenden (siehe Kasten) kurz zusammengefasst. Im Anschluss daran bringen wir die Gedanken des Erzbischofs zu den Herausforderungen, vor denen gläubige Christen unter den gegebenen Umstände stehen, im Wortlaut.
– Veränderungen hat es überall und immer gegeben. Solange sie organisch aus der Vergangenheit hervorgehen, sind sie positiv zu sehen.
– Die heutigen Veränderungen erfolgen viel zu rasch und zu tiefgreifend. Die Menschen können sie nicht verarbeiten und vernünftig integrieren.
– Dadurch kommt es zu Brüchen und Verwirrung. Es herrscht Unklarheit darüber, was es heißt „Amerikaner zu sein“. (Gilt analog für Europa.)
– Es kam nicht nur zu Änderungen, sondern zu einer tiefgreifenden „Transformation“ in vielen Bereichen: im Recht, im Sexualverhalten, in der Erziehung, der Technologie…
– Es gibt kein Zurück in die „gute alte Zeit“. Nostalgie ist irreführend. Der Bruch mit der Vergangenheit ist außerdem zu groß, der christliche Einfluss stark verringert.
– Die Trennung von sexueller Aktivität und Zeugung hat das Verständnis von Sexualität grundlegend verändert. Gleichgeschlechtliche Beziehungen sollen gutgeheißen werden. „Deswegen betont einer der Führer und Financiers der Schwulenbewegung seinen Wunsch, ,die Bösen zu bestrafen“ – das heißt: Sie und mich.“
– Die Demokratie fördert Gleichheit, indem sie soziale Ungerechtigkeit abbaut. Das führt in der Tendenz zu einer geistigen Einebnung, einem Abbau von Hierarchien in allen Bereichen. Damit wird nicht nur eine neue politische Ordnung, sondern eine neue Art, Mensch zu sein, geschaffen.
– Die Demokratie will die Freiheit des einzelnen gewährleisten. Das ist ok. Sie gefährdet damit aber den Sinn für Pflichten, die man sich nicht freiwillig auferlegt. Familien, Gemeinschaften, Kirchen erlegen dem einzelnen ihrem Wesen entsprechende und daher vorgegebene Pflichten auf. Damit machen sie sich verdächtig und setzen sich Angriffen aus.
– Trotz aller Vorteile birgt die Technik Gefahren: Sie prägt unser Denken und Tun. Wir verlieren aus den Augen, dass die Welt Geschenk Gottes ist. Das Nützlichkeitsdenken bestimmt unser Verhalten zur Umwelt, zu unseren Mitmenschen, zu unserem Leib. Der Wettlauf im Bereich des Fortschritts bei der Künstlichen Intelligenz und den Eingriffen ins Erbmaterial ist atemberaubend.
– Die Realität ist weitaus größer und gewaltiger, als unsere Instrumente und Sinne erfassen. Wir beschränken uns aber auf deren Wahrnehmung, was zu einer Verkümmerung unseres Erfahrungsbereichs auf das Messbare führt. Dementsprechend bauen wir unsere Welt. Sie lässt allerdings mehr und mehr den Geist verkümmern.