VISION 20006/2017
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Missionare der Hoffnung

Artikel drucken Herausforderung für Christen heute (Von Papst Franziskus)

Von August bis Oktober hat Papst Franziskus seine Ansprachen bei den Generalaudienzen dem Thema Hoffnung gewidmet. Im Folgenden bringen wir eine dieser Ansprachen:

Bei der heutigen Katechese möchte ich über das Thema „Missionare der Hoffnung heute“ sprechen. Ich freue mich, dies zu Beginn des Monats Oktober zu tun, der in der Kirche auf besondere Weise der Mission gewidmet ist, und auch am Fest des heiligen Franz von Assisi, der ein großer Missionar der Hoffnung war!
Der Christ ist kein Unheilsprophet. Wir sind keine Unheilspropheten. Der Wesenskern der christlichen Verkündigung ist das Gegenteil davon, das Gegenteil von Unheil: der Wesenskern ist Jesus, der aus Liebe gestorben ist und den Gott am Ostermorgen auferweckt hat. Das ist der Kern des christlichen Glaubens. Wenn die Evangelien mit der Beerdigung Jesu aufhörten, dann würde die Geschichte dieses Propheten den vielen Biografien heldenhafter Persönlichkeiten hinzugefügt, die ihr Leben für ein Ideal eingesetzt haben. Das Evangelium wäre dann ein erbauliches Buch, auch ein tröstliches, aber es wäre keine Verkündigung der Hoffnung.
Doch die Evangelien sind nicht mit dem Karfreitag zu Ende, sie gehen weiter; und gerade dieses weitere Fragment verwandelt unser Leben. Die Jünger Jesu waren niedergeschlagen an jenem Samstag nach seiner Kreuzigung; jener Stein, der vor den Eingang des Grabes gerollt wurde, hatte auch die drei von Begeisterung erfüllten Jahre abgeschlossen, die sie mit dem Meister von Nazareth erlebt hatten. Es schien, als sei alles zu Ende, und einige von ihnen verließen Jerusalem bereits, enttäuscht und verängstigt.
Doch Jesus steht von den Toten auf! Diese unerwartete Tatsache bedeutet einen Umsturz für den Geist und die Herzen der Jünger. Denn Jesus steht nicht nur für sich von den Toten auf, als wäre seine Wiedergeburt ein Vorrecht, auf das man neidisch sein könnte: Wenn er zum Vater auffährt, dann deswegen, weil er will, dass jeder Mensch an seiner Auferstehung Anteil hat, und möchte, dass sie jedes Geschöpf nach oben zieht. Und am Pfingsttag werden die Jünger vom Wehen des Heiligen Geistes verwandelt. Sie werden nicht nur allen eine gute Nachricht zu verkünden haben, sondern sie werden selbst anders sein als zuvor, wie zu neuem Leben wiedergeboren. Die Auferstehung Jesu verwandelt uns mit der Kraft des Heiligen Geistes. Jesus lebt, er lebt unter uns, er ist lebendig und hat jene verwandelnde Kraft.
Wie schön doch die Vorstellung ist, dass man die Auferstehung Jesu nicht nur mit Worten, sondern mit Taten und mit dem Zeugnis des Lebens verkündet! Jesus will keine Jünger, die nur auswendig gelernte Formeln wiederholen können. Er will Zeugen: Menschen, die durch ihre Aufnahmebereitschaft, ihr Lächeln und ihre Liebe Hoffnung verbreiten. Vor allem durch ihre Liebe: denn die Kraft der Auferstehung versetzt die Christen in die Lage, auch dann zu lieben, wenn die Liebe ihren Grund verloren zu haben scheint. Es gibt ein „Mehr“, das dem christlichen Dasein innewohnt und das sich nicht einfach mit Seelenstärke oder größerem Optimismus beschreiben lässt; es ist etwas anderes, es ist mehr! Es ist, als ob die Gläubigen Menschen wären, die ein „Stück Himmel“ mehr über sich haben. Das ist etwas Schönes: wir sind Menschen mit einem Stück Himmel mehr über dem Kopf, begleitet von einer Gegenwart, die manch einer nicht einmal zu erahnen vermag.
So besteht die Aufgabe des Christen in dieser Welt darin, Räume des Heils zu öffnen, wie erneuernde Zellen, die dem, was für immer verloren schien, wieder Leben einflößen können. Wenn der Himmel voller Wolken hängt, ist jemand, der von der Sonne zu sprechen vermag, ein Segen. Nun, so eben ist der wahre Christ: nicht wehklagend und verbittert, sondern kraft der Auferstehung davon überzeugt, dass nichts Böses ewig dauert, keine Nacht endlos ist, kein Mensch durch und durch falsch ist, kein Hass nicht durch die Liebe besiegt werden kann.
Gewiss, manchmal werden die Jünger einen hohen Preis für diese Hoffnung bezahlen, die Jesus ihnen geschenkt hat. Denken wir an die vielen Christen, die ihr Volk in der Zeit der Verfolgung nicht verlassen haben. Sie sind auch dort geblieben, wo man sich selbst des nächsten Tages nicht sicher war, wo keinerlei Pläne gemacht werden konnten, sie sind geblieben und haben auf Gott gehofft. Und denken wir an unsere Brüder und unsere Schwestern im Nahen Osten, die ein Zeugnis der Hoffnung ablegen und sogar ihr Leben für dieses Zeugnis hingeben.
Das sind echte Christen! Sie tragen den Himmel im Herzen, ihr Blick geht immer weiter. Wer die Gnade erfahren hat, die Auferstehung Jesu zu erfassen, kann noch auf das Unverhoffte hoffen. Die Märtyrer aller Zeiten berichten mit ihrer Treue zu Christus, dass das Unrecht nicht das letzte Wort im Leben hat. Auf den auferstandenen Christus können wir weiter hoffen. Die Männer und Frauen, die ein "Warum" für ihr Leben haben, halten in Zeiten des Unheils länger stand. Doch wer Christus an seiner Seite hat, fürchtet sich wirklich vor nichts mehr. Aus diesem Grund sind die Christen, die wahren Christen, niemals leichte und nachgiebige Menschen. Ihre Sanftmut darf nicht mit Unsicherheit und Willfährigkeit verwechselt werden. Der heilige Paulus spornt Timotheus an, für das Evangelium zu leiden, und sagt: „Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“ (2Tim 1, 7). Wenn sie fallen, stehen sie immer wieder auf.
Das ist der Grund, liebe Brüder und Schwestern, warum der Christ ein Missionar der Hoffnung ist. Es ist nicht seinem Verdienst zu verdanken, sondern Jesus dem Weizenkorn, das in die Erde fiel und starb und nun reiche Frucht bringt (vgl. Joh 12,24).

Ansprache bei der Generalaudienz am 4.10.17. Übersetzung: Claudia Reimüller in Die Tagespost.



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