VISION 20006/2017
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Das Christentum: keine Religion

Artikel drucken Antworten auf Zweifel und Kritik an der Kirche (Christof Gaspari)

Schon beim Lesen der Einleitung von Guido Horst eben erschienenen Buchs Kirche neu erzählt war mir klar: Das werde ich in einem Zug und mit Gewinn lesen. Warum? Weil es Klartext spricht und weil es ohne Komplexe, ohne ängstliche Sorge, nur ja keinen Anstoß zu erregen, verkündet, was Sache ist: dass der Glaube der Christen etwas unvergleichlich Anderes ist als die vielen Religionen dieser Welt. Daher auch der Untertitel des Buchs: Warum das Christentum keine Religion ist, sondern eine Geschichte. Endlich sagt das wieder jemand, dachte ich. Im Einheitsbrei des viel gepriesenen Dialogs der Religionen und der Treffen von deren Vertretern verliert man das ja allzu leicht aus den Augen.
Einmalig warum? Weil der Ausgangspunkt unseres Glaubens die Selbstoffenbarung Got­tes in Jesus Christus ist. Er hat sich in einmaliger, unüberbietbarer Weise kundgetan, weil Er es so wollte. Und an diese Offenbarung – sie lebt in der Kirche dank der Zusage Christi zeitlos gültig weiter – reicht nichts heran. Unsere Aufgabe als Christen ist es, dieses wunderbare Geheimnis den Menschen unserer Zeit so liebevoll und verständlich wie nur irgend möglich nahezubringen.
Und genau das geschieht in Guido Horsts Buch. Es gibt auf 278 Seiten Antworten auf Zweifel und Kritik, wie dem Übertitel zu entnehmen ist – und zwar – wie bei einem Journalisten zu erwarten – in einer verständlichen Sprache. Jedes Kapitel wird durch einen Einwand eingeleitet.
Zum Thema „Christus – Sohn Gottes?“ lautet dieser: „Christus war nicht Gottes Sohn, sondern nur ein besonders guter Mensch… Er ist nie mit dem Anspruch, Sohn Gottes zu sein, aufgetreten… Erst die Kirche hat ihn aus Machtdünkel zum Sohn Gottes erhoben.“ Keine Frage, den Evangelien zufolge, habe sich Jesus nicht von Anfang an als Gottes Sohn zu erkennen gegeben. Er habe Wunder gewirkt, in Streitgesprächen so machtvoll gesprochen, dass „jedes Gespräch beendet war, bevor es richtig angefangen hatte“. Über­all fragte man sich: Wer ist dieser? In den Jüngern wuchs die Überzeugung: Er ist der Messias.
Dann aber: „Das Neue Testament bezeichnet Jesus insgesamt 75-mal als ,Sohn Gottes’. Dies geschieht bestimmt nicht, weil die Evangelisten ihm schmeicheln oder huldigen wollten. Und auch Jesus selbst weiß sich in einem ganz einmaligen Verhältnis zu Gott, seinem Vater. Eindeutig bezeichnet sich Jesus selbst als ,Sohn Gottes’ (Mt 26,63f; Joh 10,36) – einer der entscheidenden Gründe, warum er gekreuzigt wurde…“
Nach Jesu Auferstehung, nach Seiner Himmelfahrt und der Ausgießung des Heiligen Geistes war den Jüngern und den ersten Christen klar: „Sie hatten mit einem Menschen zusammengelebt, gegessen und Palästina durchwandert, der sich als Gott, als Sohn des Allerhöchsten, bezeichnet und machtvoll erwiesen hat. Darin liegt das Wesen des Christentums, das es zu einer einzigartigen Herausforderung macht und von allen anderen Religionen unterscheidet: Ein Mann trat auf und sagte ,Ich bin Gott’. Das ereignete sich zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort.“
Horst weicht keiner Infragestellung aus. Er steht zur Geburt Jesu aus der Jungfrau Maria, zur leiblichen Auferstehung des Herrn, erklärt, dass es Jesu Willen war, nur Männer als Apostel zu berufen, geht auf die „Widersprüche“ der Evangelienberichte ein, erläutert, warum „Gott ja, Kirche nein“ mit dem Glauben unvereinbar ist…
Fragen wie dem oft gehörten Einwand: „Sind nicht alle Religionen letztlich gleich? Haben wir nicht alle denselben Gott“ geht er nicht aus dem Weg. Natürlich seien alle Religionen gleich, gibt Horst zur Antwort. „Mit einer Ausnahme: Im Falle des Christentums haben sich nicht Menschen eine Vorstellung von Gott gemacht, sondern Gott hat sich Menschen geoffenbart. Die ewige Suchbewegung des Menschen hin zu Gott wurde um 180 Grad gedreht. In Jesus Christus suchte Gott den Menschen auf.“ Die Kirche verstehe sich nicht als Herrin, über das, „was sie so anspruchsvoll verkündet“. „Auch die größten Kritiker und Gegner der Kirche müssen zu verstehen suchen, dass die Kirche nicht in eigener Machtvollkommenheit handelt, sondern sich an das gebunden fühlt, was Jesus Christus gelehrt und eingesetzt hat.“
Gut gefällt mir auch, was Horst über die so oft gehörte Kritik über die Fehltritte der Geistlichen, die Wasser predigen und Wein trinken, und denen es primär um den äußeren Schein gehe, schreibt: „Eine Kirche, zu deren grundlegendsten Glaubenssätzen die Lehre von der gebrochenen Natur und Sündhaftigkeit des Menschen gehört, kann es wahrhaft nicht erschüttern, auch in ihren eigenen Reihen die Folgen dieser gebrochenen Natur zu erleben. (…) Die Sendung der Kirche auf Erden ist es ja nicht, Alkohol, Hurerei und alle sonstigen Laster dieser Welt mit Stumpf und Stil auszurotten. Das Projekt der ,schönen heilen Welt’ ist kein christliches. Vielmehr ist die Kirche der Ort, an dem der Sünder immer wieder Vergebung findet – und natürlich die Kraft für einen Neuanfang.“ Und: „Jawohl, es menschelt in der Kirche, und es hat immer in ihr gemenschelt, bis in die obersten Etagen hinein. Das Problem sind nicht die Menschen, die sittliche Gebote überschreiten, sondern diejenigen, die die Existenz dieser Gebote verneinen.“
Es ist hier nicht der Ort, die Vielfalt der angeschnittenen Themen aufzulisten. Da geht es um Macht und Reichtum der Kirche, Moral, Sexualität und Ehe, aber auch um dunkle Kapitel der Kirchengeschichte… All diese Themen werden unpolemisch aus katholischer Sicht behandelt. Wie gesagt, wirklich lesenswert.

Kirche neu erzählt – Warum das Christentum keine Religion ist, sondern eine Geschichte. Von Guido Horst, fe-Medienverlag, 278 Seiten, 14,95€

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