VISION 20001/2018
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Aaron Ekwu

Artikel drucken Botschaft an uns (Von Adolf Paster)

Im Jahr 2000 gab es erste Vorbereitungen zu einer Seligsprechung des nigerianischen Priesters Aaron Ekwu – und zwar sowohl in der Erzdiözese Wien wie auch in seiner nigerianischen Heimatdiözese. Im Folgenden Erinnerungen eines sehr guten Freundes von Ekwu an diesen besonderen Priester.

Das erste Mal sahen wir Aaron Ekwu bei einer kirchlichen Feier im Waldviertel und zwar in der Heimatgemeinde meiner Frau, in Thaya bei Waidhofen an der Thaya. Das genaue Datum weiß ich nicht mehr. Damals sahen wir einen jungen, sehr viel Frohsinn ausstrahlenden Studenten, hatten aber keine Ahnung, dass unsere Begegnung einmal eine ziemliche Bedeutung bekommen sollte.
1965 wurde Aaron Ekwu von Kardinal König zum Priester geweiht und erwarb an der Universität Wien seinen Doktor. Von der Diözese Wien wurde Dr. Ekwu im zehnten Wiener Gemeindebezirk als Kaplan eingesetzt und zwar in der Kepplerkirche. In dieser seiner neuen Eigenschaft sollten wir Aaron Ekwu näher kennenlernen.
1967 bis 1970 hatte ich das Medienmanagement der Neuen-Österreich-Bildpost inne. Aber Ende 1969 zeichneten sich bereits zwei wesentliche Fakten ab. Obwohl ich 1970 nicht mehr im Dienste der Bildpost stand, baten mich die Herausgeber der Zeitung, mich um Spendeneingänge für das vom Krieg betroffene Biafra zu kümmern, was ich auch versprach. Gegen Ende 1969 gab es noch knapp 13.000 Schilling auf dem Konto, aber wir hatten keine Möglichkeit mehr, Spendengelder nach Biafra für die hungernden Menschen zu transferieren.
Als wir nicht mehr wussten, wie wir das Restgeld der Spenden an die Betroffenen in Biafra senden konnten, bekam ich den Tipp, eine Wiener Telefonnummer anzurufen. Am anderen Ende der Leitung meldete sich eine sonore ruhige Stimme. Der Mann fragte, was er für mich tun könne. Ich erzählte ihm mein Anliegen, und er war begeistert. So vereinbarten wir einen Termin gleich am nächsten Tag.
Es war Aaron, und wir kamen uns auch menschlich sofort nahe. Während Aaron von seiner Heimat und all den Problemen erzählte, kam mir eine Idee: nämlich in seiner Heimat eine Musterfarm zu errichten, die folgende Vorteile böte: Erstens, die Menschen bekämen sofort Arbeit, lernten moderne Anbaumethoden kennen und hätten in kurzer Zeit auch zu essen.
Da sprang Aaron auf, hatte ganz leuchtende Augen und meinte: „Ja, genau das brauchen wir!“ Wir beide beschlossen, sofort entsprechende Pläne auszuarbeiten, und wir gründeten den Verein „Hifa“ (Hilfe für alle).
Im Jänner 1970 ging dann der Krieg in Biafra, heute Südostnigeria, zu Ende, und Aaron wurde von seinem Bischof nach Hause beordert, da alle weißen Missionare das Land verlassen mussten. Aaron Ekwu war neben seiner priesterlichen Tätigkeit sehr fleißig, um die Hifa-Ideen für seine Heimatgemeinde umzusetzen. Als wir im April in Owerre-Ezukala, Aarons Heimatstadt ankamen, hatte er bereits mit dem Bau eines Hühnerhauses für 8.000 Hühner begonnen. Geplant war daneben ein Schweinestall, sowie rund um die Farm ein Mustergarten mit den verschiedensten landesüblichen Früchten. Ebenso geplant war die Anlage einer Straße, die die Farm mit der in der Nähe vorbeiführenden Hauptstraße verbinden sollte. Diese war 1974 bei meinem zweiten Besuch bereits fertig gestellt.
Die Tätigkeit Aarons hatte sich bald im gesamten Land herumgesprochen, und es dauerte nicht lange, da kontaktierten uns Schüler von Aaron, und es kamen nach und nach weitere Projekte dazu. Innerhalb weniger Jahre gab es nahezu im ganzen ehemaligen biafranischen Staatsgebiet Sozialprojekte der „Hifa“: Einzelhilfen für Bauern, Tischlereibetriebe, Fischfarmen, kleine Einzelbetriebe für Garri-Verarbeitung, metallverarbeitende Betriebe, Dorfbrunnen sowie Schulstipendien für mittellose Kinder und kleine Mikrokredite für alleinstehende Frauen, um kleine Kaufläden betreiben zu können.
Wer war Aaron Ekwu? Wie war er als Priester? Um diese Frage beantworten zu können möchte ich auf ein Erlebnis zurückgreifen, das die Priesterpersönlichkeit Aaron Ekwus aufzeigt. Während eines Aufenthaltes in Awka, der Bischofsstadt in Anambra State, sah ich, dass die Reifen seines Autos total abgefahren waren, und ich machte Aaron darauf auch aufmerksam, weil ich die Reifen bereits für lebensgefährlich hielt. Er lächelte ein wenig verlegen  und meinte dann, ich hätte ja Recht. Aber Kinder – er hatte viele mittellose Kinder in seinem Pfarrhof, die er mit Essen und Kleidung zu versorgen hatte – seien wichtiger als Autoreifen. Aber er werde, sobald es möglich ist, für neue Pneus Sorge tragen.
Als ich aber das darauf kommende Jahr wieder in Amawbia war, schaute bei den Reifen bereits das Cord Gewebe heraus. Ich suchte meine ganzen Geldreserven zusammen und fuhr mit ihm zum Reifenhändler, wo ich veranlasste, dass er neue Reifen bekam. Solche Beispiele gäbe es noch viele zu erzählen. Er war immer auf andere bedacht, dass denen nichts fehle, er selbst hatte keine Wünsche. Bekam er jedoch etwas, das er gut gebrauchen konnte, freute er sich über jedes Geschenk, wobei der geldliche Wert für ihn keine Rolle spielte.
Auch als Priester war er vorbildlich. Für seine Gemeinde war er immer da. Die Gläubigen wussten das auch und schätzten ihn als Priester ganz hoch ein. Auch seine Vorgesetzten sprachen von ihm immer mit großer Hochachtung. Vor allem hatte er einen Riesenhumor, der nie unpassend wirkte und niemals auf Kosten anderer Menschen ging. Wer mit Aaron Ekwu zu tun hatte, war von ihm zutiefst beeindruckt. Besonders auch als zelebrierender Priester: Da hatte man stets den Eindruck, da vorne am Altar stehe Jesus selbst, so feierlich, so konzentriert war er. Er zog die ganze Gemeinde förmlich hinter sich zum lieben Gott, und die Gemeinde liebte diese Art der Zelebration.
An einem Gründonnerstag – seinem letzten – ereignete sich etwas ganz Eigenartiges. In der Karwoche war Aaron immer im St. Martin-Hospital in Enugu und hörte Beichte. Eine gewisse Frau Paula, als Seherin bekannt, sagte zu Aaron plötzlich mitten in einem ganz anderen Gespräch „The Lord wants you!“ Aaron maß dieser Aussage im Augenblick keine besondere Bedeutung bei, er dachte eher an eine spätere Zeit. Am darauf folgenden Tag fuhr er mit dem Auto Richtung Owerre-Ezukala, da er in seiner Heimatstadt die Osterfeierlichkeiten begehen wollte. Eine Klosterschwester begleitete ihn.
Und da ge­schah es: Außerhalb von Enugu in der Nähe von Ninth Mile kam das Auto von der Straße ab, fuhr in den Straßengraben und überschlug sich. Der mitfahrenden Klosterschwester ist nicht das Geringste passiert, Aaron blutete am Kopf und konnte nicht mehr weiterfahren. Er wurde in das St. Martin-Spital eingeliefert, von dem er gerade gekommen war. Dort, am 2. April 1989, starb der große schwarze Priester. Ich flog zum Begräbnis, das nahezu zwei Tage dauerte. Von jedem Ort nahmen die Menschen in einer so besonderen Art daran teil, wie ich das in Europa selbst bei großen Begräbnissen nicht erlebt habe.
Rev. Fr. Aaron Ekwu ist nicht nur ein großer Sohn der Kirche von Nigeria, sondern auch von Österreich. Viele, die ihn kannten, leben noch und wissen auch von seiner unwiderstehlichen Anziehungskraft. Wir sind oft vor seinem Haus in Owerre-Ezukala, wenn wir wegen der Hitze nicht schlafen konnten, auf einer Matte gelegen und haben tiefgehende Gespräche geführt. Manchmal brachte ich auch Ereignisse aufs Tapet, die in der Geschichte der Kirche nicht sehr nobel aussahen. Aaron machte dann nur ein trauriges Gesicht, ließ sich aber nicht auf eine Diskussion ein. Ich fand das unglaublich ehrlich. Natürlich hatte Aaron Ekwu auch kleine Fehler – wie jeder ehrliche Heilige auch – aber wie kaum ein anderer konnte er mit einem unwiderstehlichen Lächeln – um Verzeihung bitten! Das ist meiner bescheidenen Meinung nach die Größe eines Heiligen – und deswegen sollte Aaron Ekwu auch seliggesprochen werden. Die beiden Völker in Nigeria und Österreich brauchen Priester wie Aaron Ekwu, den lachenden Priester von Owerre-Ezukala.
Adolf Paster ist Gründer der Hifa-Austria und Mitbegründer der Hifa-Nigeria.
Siehe auch: www.hifa.at

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