In unserer Gesellschaft hat sich die Ehe aus dem Bereich des kulturell Selbstverständlichen heraus entwickelt. Das ist zu bedauern. Dieser Umstand fordert uns jedoch zum Widerstand heraus, und er verlangt von uns, dass in unserem Leben die segensreiche Realität der Ehe kultiviert wird. Im Zentrum der Ehe sollte uns eine Kultur des Leibes ein besonderes Anliegen sein.
Während in unserer Zeit ein Dualismus, der den Leib abwertet, hoch gelobt wird, feiern wir die Einheit des Leiblichen und des Geistigen – eine Hinwendung zur Realität, zum Konkreten, zum Leib des Anderen, wie er nun einmal ist. Weitab von allen Phantasievorstellungen.
Sein Leib – das ist sein Gesicht. All seine Ausdrucksformen, sein Mienenspiel, sein Lächeln, die Blicke, in denen ich seine Gefühle erkenne, die Fragen, die Aufmerksamkeit, seine Interessen. Das, was mir Sorgen macht, wenn er sich verschließt. Eine ihm eigene Sprache. Sein Leib – das sind seine Hände. Hände, die dienen und zärtlich sind. Ihre edle Schönheit, wenn er sie zum Gebet faltet. Allein sie sind schon eine Sprache für sich.
Sein Leib – das sind seine Gestalt, sein Gang, seine Haltungen, sein Rücken, die Art, wie er mit seinen Fehlern umgeht. Eben sein Stil, unnachahmlich. Die Art, sich zu bewegen, gerade auch beim Tanzen. Daran erkenne ich ihn schon von weitem. Sein Leib – das sind auch Farben, die seiner Augen, seiner Haare, seiner Haut. Und all die vielfältigen und weitaus interessanteren Ausdrucksformen als jene, die man in der Werbung und den Zeitschriften vorgesetzt bekommt.
Sein Leib, das sind seine Stimme, sein Lachen, sein Flüstern, sein Strahlen, sein Singen, seine Größe, seine Worte, die Art, sich auszudrücken. Sein Leib, das sind all die Merkmale, die ich mit meinen vermischt sehe, wenn ich meine Kinder betrachte. Es ist diese Übermacht des Lebens, die uns so oft übersteigt, weil sie uns Gott ähnlich erscheinen lässt.
Sein Leib, das ist er, seine Persönlichkeit ganz gegenwärtig, die keiner anderen gleicht, seine sichtbare Persönlichkeit. Sein Leib, das sind sein Leiden, seine Grenzen, seine Krankheit, seine Behinderung, seine Falten und Narben, Zeugen seiner in der Tiefe verankerten Würde. Seine Patina und seine Geschichte. Seine Tugenden und Laster, die letztlich erkennbar werden. Da sind auch die Zeiten der Müdigkeit, die seine Ungeduld entschuldigen.
Sein Leib, das sind seine Sehnsüchte und Freuden, das ist unsere kostbare Intimität, das Geheimnis unserer Liebesstunden und unserer Kämpfe, Gelegenheiten der Hingabe… Da sind auch die Enttäuschungen, bewältigte und wahrgenommene, die uns mehr Mann und Frau werden lassen, menschlicher, realitätsbezogener.
Sein Leib ist somit die mir zu jeder Zeit geschenkte Gelegenheit, ihn kennenzulernen, ihn wiederzuerkennen, mir einen rechten Blick anzueignen, mich in der Zärtlichkeit einzuüben, in der Nachsicht, in der Bewunderung, in der Dankbarkeit – kurzum unsere Verbundenheit zu kultivieren.
Famille Chrétienne v. 18.-24.11.17