VISION 20001/2018
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Führe uns nicht in Versuchung

Artikel drucken Zur Debatte um die Vaterunser-Bitte

Nachdem die französischen Bischöfe die Formulierung der Vaterunser-Bitte „Führe uns nicht in Versuchung“ geändert hatten und Papst Franziskus sich zu dem Thema geäußert hatte, entstand auch im deutschsprachigen Raum eine Debatte darüber, ob auch hier eine Änderung notwendig sei. Im Folgenden die Stellungnahmen von zwei deutschen Bischöfen:

Wir müssen wahrscheinlich immer wieder auch unsere Vorstellung von der „Versuchung“ überprüfen und am Ernst des Evangeliums messen. Gerade im Reden von der „Versuchung“ gibt es viel Unernst und Oberflächlichkeit – wenn ich nur an die Werbung denke für die Schokolade-Marke, die gerühmt wird als „die ‚zarteste Versuchung‘, seit es Schokolade gibt.“ (…)
Die Versuchung, um deren Ausbleiben Jesus die Jünger zu beten lehrt, ist zunächst einmal die Verunsicherung im Glauben durch das Kreuz Jesu, seine Verhaftung und seinen schmählichen Tod, Versuchung hat mit Glauben und Hoffnung zu tun. Versuchung, das ist Not, das ist Krankheit, das ist Hunger, das ist Einsamkeit, das ist Todesangst. Versuchung, das ist die Not, die mich nicht mehr beten lehrt, sondern die mich an Gott irrewerden lässt und fluchen lehrt.
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Vater, … führe uns nicht in Versuchung. Wenn wir dieses Wort Jesu, uns geschenkt im Vaterunser, einordnen in das Gesamt der biblischen Überlieferung, dann können wir sagen:  Gott kann die Versuchung zulassen, aber es ist der Böse selbst, der uns in ihr begegnet. Die Bitte unterstellt Gott nicht die Gemeinheit, uns aktiv böse zu wollen, sondern sie erinnert uns an die eigene Gefährdung, an die Versuchlichkeit im Glauben, sie warnt uns vor Selbstsicherheit und Überheblichkeit, und sie lehrt uns so gesehen auch, das große Geschenk wertzuschätzen, das darin besteht, wirklich glauben zu können und von Verunsicherungen im Glauben verschont zu sein.
Bischof  Rudolf Voderholzer

Aus der Predigt des Bischofs von Regensburg am 22.2.15 zitiert in kath.net.


 

Es führt kein Weg an der Feststellung vorbei, dass die deutsche Übersetzung dem griechischen Urtext im Matthäus- und Lukasevangelium entspricht. Frühere Versuche, die griechische Version ins Aramäische, der Sprache Jesu zurück zu übersetzen, sind nicht eindeutig gelungen. Wir werden also den griechischen Text als das Gebet Jesu nehmen müssen.
Bei der Bitte, dass Gott uns nicht in Versuchung führen möge, geht es nicht um kleine Versuchungen, sondern um die Situation einer Grundentscheidung für oder gegen Gott. Im Alten Testament erleben Abraham, das Volk Israel oder auch Hiob solche Versuchungen, in denen alles auf dem Spiel steht. Wer vermutet, dass dieser Gedanke im Neuen Testament keine Rolle spiele, irrt. Denn Jesus selbst erlebt, dass der Geist ihn in die Wüste führt, wo er dann die Versuchungen durch den Teufel erfährt. Der Geist selbst also führt Jesus in die Situation, sich für oder gegen den Vater entscheiden zu müssen (Vgl. Mt 4,1-11).
Eine entsprechende Situation wiederholt sich vor seinem Leiden im Garten Gethsemani (Mt 26,36-46). Für Jesus stellt sich die Versuchung, am kommenden Leiden zu verzweifeln, davon zu laufen, oder die erlebte Abwesenheit Gottes auszuhalten und das Leiden anzunehmen. Gott ist offenbar nicht nur „lieb“, vieles bleibt in seinem Ratschluss uns Menschen verborgen.
Menschen kommen in solche existenzielle Prüfungssituationen, in denen sie an der grundlegenden Frage nicht herumkommen: vertraue ich Gott, oder sage ich mich von Ihm los? Die Bibel lässt zumindest die Möglichkeit zu, dass Gott Menschen eine solche Situation nicht erspart, ja sogar herbeiführt. Und tatsächlich entspricht das der Lebenswirklichkeit. Gott ist für viele Menschen eine Frage, sie erleben den Glauben geprüft und unsicher angesichts von Leid und Tod.
Man tut ihnen keinen Gefallen, wenn man ihren Schrei, ihre Klage, ihre Wut, die sie gegebenenfalls formulieren, nicht ernst nimmt, indem man die dunklen und unverständlichen Seiten Gottes ausblendet. Jesus selbst wird der Ruf nach dem scheinbar abwesenden Gott am Kreuz auch nicht erspart.
Wir beten, dass Gott eine solche Situation weder herbeiführt noch zulässt, er möge uns vielmehr vom Bösen erretten. Mir scheint es nicht sinnvoll, das Gottesbild weich zu spülen und alles wegzustreichen, was ich nicht verstehe. Allein, dass über ein Gebet so diskutiert wird wie derzeit, spricht dafür, die Übersetzung zu belassen.
Bischof Peter Kohlgraf

Aus der Facebook-Stellungnahme des Mainzer Bischofs zitiert in kath.net v. 11.12.17

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