VISION 20004/2018
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Wertschätzung für die Familie

Artikel drucken Eine Erneuerung, mit der jeder im alltäglichen Glaubensleben beginnen kann

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt gibt es in Österreich eine Reihe von Initiativen, die zur christlichen Erneuerung im Leben von Familien entscheidend beitragen. Einiges davon hat seinen Ursprung in einer kleinen Gemeinschaft in Mödling bei Wien…

Am Anfang einiger Initiativen, die mittlerweile viel zur Glaubenserneuerung beigetragen haben, stand die Gemeinschaft Immaculata. Wie kam es zu deren Entstehung?
Robert Schmalzbauer: Wir beide, Michi und ich,  haben uns in Graz kennengelernt, haben dort geheiratet und unsere ersten Kinder bekommen. Von Anfang an hatten wir das tiefe Empfinden, dass die allererste, wichtigste Gemeinschaft in der Kirche eindeutig die Familie ist…
Michaela Schmalzbauer: Hinzu kommt, dass wir auf der Suche nach Antworten, wie man Familie gut leben kann, neun Monate in der Gemeinschaft Verbe de Vie in Frankreich verbracht haben. Dort haben wir erlebt, dass eine Gruppe erkannt hatte, dass es wichtig ist, der Familie zu dienen.

Was heißt das?
Michaela: Gerade eine Familie mit kleinen Kindern steckt viel Energie in die Bewältigung des Alltags. Man muss ja in diese neue Situation erst hineinwachsen. Da ist es wichtig, dass diese Familie Wertschätzung erfährt – einfach weil sie Familie ist. Das haben wir in Frankreich erlebt und das war dann auch unser Grundanliegen, als wir nach Österreich zurückkamen. Andere Familien sollten spüren: Ihr seid wertvoll, einfach weil ihr als Familie lebt. Familien brauchen – heute besonders – diese Zusage der Wertschätzung, möglichst konkret.

Kann man sagen, dass Ihr einen Auftrag Gottes bekommen habt?
Robert: Als wir nach Frankreich gegangen sind, haben wir praktisch alles zurückgelassen, waren aber ganz sicher, dass Gott uns dorthin führt. Dort haben wir dann so etwas wie einen Ruf empfangen und sind mit zwei „Aufträgen“ zurückgekommen: dem neuen Leben der Kirche zu dienen und unseren Weg im Herzen der Muttergottes zu begründen. Sie ist die Arche Gottes schlechthin. „Mein unbeflecktes Herz wird eure Zuflucht sein“ ist ein Lied, das wir bei unseren Treffen immer singen. Daher auch Gemeinschaft Immaculata.

Michaela: In Frankreich gab es eine Woche der Unterscheidung. Da ging es darum, klar zu sehen, wohin wir nach unserem Aufenthalt gehen sollten. Und da ergab es sich, dass damals Kardinal Schönborn in der Nähe Urlaub machte. Wir konnten ihn treffen und haben ihm alles, was uns bewegte, vorgestellt. Er hat uns ermutigt, diesen Weg zu gehen – in Wien. Er sagte uns: Wenn Gott das Projekt will, wird Er Euch auch ein geeignetes Haus schenken. Gemeinsam mit Andreas Schätzle, mit dessen Hilfe wir das gemeinschaftliche Leben begonnen haben, haben wir uns viele Häuser angeschaut. Nichts hat wirklich gepasst. Und dann kamen wir hierher nach Mödling zu den Schwestern, Trinitarierinnen – und waren begeistert, ein Stück Himmel! Es gab mehrere Interessenten für das Haus, wie uns die Schwestern mitteilten. Wir sollten rasch unsere Bewerbung verfassen. Am nächsten Tag habe ich die Unterlagen gebracht – gerade rechtzeitig, denn am folgenden Tag sollte die zuständige Schwester zum alle sechs Jahre stattfindenden Generalkapitel fliegen, wo die Entscheidung über die Zukunft des Hauses in Mödling fallen würde. Eineinhalb Wochen später ein Anruf: Ja, wir könnten einziehen. Das war für uns die Bestätigung: Wir sind auf dem richtigen Weg.

Wie hat sich das Projekt weiterentwickelt?
Robert: Wir haben drei Monate, nachdem wir in Mödling eingezogen waren, die Familien-Nachmittage begonnen. Ohne dass wir es ahnten, war das ein entscheidender Schritt. Es kamen sieben Familien. Ihnen konnten wir dann monatlich das weitergeben, was Michi schon angesprochen hat: den Familien zu dienen und ihnen zu zeigen, welchen Wert, welche Würde sie haben, wie groß ihre Berufung ist – gerade in der heutigen Zeit.

Was war Euch da besonders wichtig?
Robert: Dass die ganze Familie angesprochen, willkommen geheißen wird. Die Kinder sollten nicht einfach nur betreut, sondern in ein für sie bestimmtes Programm eingebunden werden. Der Grundgedanke: Auch Kinder brauchen das Evangelium. Und für die Ehepaare gibt es einen Vortrag, Gebet, Austausch… Als Abschluss findet ein festliches Abendessen statt. Da lernen sich die Familien kennen. Aus dem ist alles andere gewachsen…

Michaela: Natürlich könnte man einfach auch nur Würstel kochen, um die Anwesenden zu sättigen. Aber ein schöneres Essen zu arrangieren, bringt das Besondere des Zusammenseins, unsere Wertschätzung zum Ausdruck. Um alles schön vorzubereiten, braucht es „Diener der Familien“. Am Anfang war es eine Herausforderung, solche zu finden. Über die Jahre ist das jedoch gewachsen. Mittlerweile können die Kinder von einst den jüngeren „dienen“. Diese Helfer machen jetzt das Programm für die Kinder, wirken in der Küche mit, helfen beim Aufräumen… Diesen Geist des Dienens hat die nächste Generation irgendwie selbstverständlich übernommen.

Schönheit scheint Euch wichtig zu sein. Was macht Ihr, damit das Treffen schön wird?
Michaela: Es muss alles ordentlich sein, der Tisch schön gedeckt, Wurstplatten schön aufgelegt und verziert sein. Alles soll schön ausschauen. Nach dem Tischgebet sollen sich nicht alle gleich aufs Essen stürzen. Eine gewisse Tischkultur ist uns wichtig.…

Robert: Wir kommen immer samstags zusammen. So feiern wir mit den Familien den Eintritt in den Sonntag, der ja auch ein besonderer Tag für die Familie ist. Die Tafel ist festlich hergerichtet, wir ziehen mit Musik, mit Liedern ein, um die Tische herum, beten gemeinsam, danken Gott für alles, was Er uns gegeben hat. Durch solche einfache Gesten wird erlebbar, dass Gott die Schönheit ist!

Wenn man sich so für andere engagiert, kommt da nicht leicht die eigene Familie zu kurz?
Robert: Wichtig war uns stets, der eigenen Familie den ersten Platz einzuräumen. Ein Zeichen, dass dies doch irgendwie geglückt ist – wir hatten mittlerweile 175 Familien-Nachmittage –, ist der Umstand, dass sich unsere Kleinen stets auf diese Nachmittage freuen, während die Großen voll engagiert sind und gerne mitmachen. Die eine Tochter, die jetzt schon arbeitet, hat ihren Job so gewählt, dass sie bei unseren Veranstaltungen mitwirken kann. Dazu ist zu sagen, dass aus den Familien-Nachmittagen, die Jungfamilientreffen in Pöllau, die Kindertage (Tage mit Jesus), Kinderwallfahrten, die Helden-Treffen (Jugendliche ab 14), die Ehemänner- und Ehefrauen-Wochenenden geworden sind. In diesen Jahren ist wirklich etwas in vielfältiger Ausprägung gewachsen – bis hin zur Initiative Christliche Familie.

Michaela: Im Haus hier haben immer auch Leute mitgelebt und auch mitgeholfen: Jugendliche, junge Erwachsene. Wichtig war uns auch, offen für die ganze Breite der Kirche zu sein. Daher haben wir auch stets Referenten mit unterschiedlichem kirchlichem Background eingeladen.
Wir wollten nicht primär eine Gemeinschaft gründen, sondern den Familien dienen – auch wenn dann manche Familien sich der Gemeinschaft angeschlossen haben. Wesentlich ist uns die katholische Offenheit, für alle da zu sein. Wir wollen einander stärken in der jeweils besonderen Berufung, die jeder hat, denn mittlerweile gehören auch Einzelpersonen, ein Priester sowie Seminaristen der Gemeinschaft an. Die Mitglieder wohnen nicht unbedingt hier, sie leben zerstreut – bis Vorarlberg. Wichtig ist, dass sie sich der Bedeutung ihrer Berufung als Familie bewusst sind und ihren Weg im Wissen gehen, dass sie nicht allein sind, sondern von den anderen mitgetragen werden.

Eure Gemeinschaftstreffen sind dann Gelegenheiten aufzutanken, bestärkt den eigenen Weg weiterzugehen?
Michaela: Ja, genau. Die Familien sind untereinander auch stark im Gebet verbunden.

Robert: Unsere Treffen als Gemeinschaft finden nur zweimal im Jahr statt. So können sie durch ihr Familienleben – diese erste Berufung – dann vor Ort ausstrahlen und ein kleines Licht in der Welt sein. Sie verkünden gewissermaßen das Evangelium durch ihr Da-Sein. Auch die Muttergottes hat ja keine Gemeinschaften gegründet, keine Organisationen – sie war einfach nur Mutter. Wir halten die Familien für die Schlüsselstelle der Neuevangelisierung. In der Familie erfährt der Mensch, dass das Ziel des Lebens darin besteht, sich zu verschenken.

Ihr habt von Veranstaltungen gesprochen, die aus den ursprünglichen Nachmittagen herausgewachsen sind. Ist nicht ein entscheidender Aspekt dieser Treffen, dass die Teilnehmer erfahren: Ich bin nicht allein, auch andere gehen diesen Weg?

Michaela: Es geht auch darum weiterzubilden, denn gerade bei jungen Familien fehlen heute viele Voraussetzungen für das Gelingen des Familienlebens. In dieser Richtung ist schon einiges zu tun. Vor allem aber ist die Ermutigung wichtig, die sich aus der Erfahrung ergibt: Auch andere sind wie wir unterwegs und schaffen es. Und noch etwas kommt dazu: dass sich Freundschaften bilden. Bei Familiennachmittagen wundern wir uns oft, wer sich da mit wem befreundet hat. Da gibt es nämlich nicht einen Kern von „Stammkunden“, die eng befreundet sind, sondern es ergeben sich immer wieder neue Begegnungen. So ist über die Jahre ein Netz entstanden. Und das stärkt vor allem auch unsere Jugendlichen, die in einer Kultur gleichgesinnter Familien heranwachsen. Das ist schön zu erleben und war nicht von Anfang an geplant.

Robert: Obwohl uns der vorherrschende Wohlstand den Blick in gewissem Sinne verstellt, sehen wir stürmische Zeiten auf uns zukommen. Es findet eine rasante Erkaltung der Liebe und ein rapider Glaubensschwund statt. Dem kann man in der eigenen Familie entgegenwirken. Wir beide haben als erste Herausforderung, uns gegenseitig auf dem Weg der Heiligkeit zu stützen.
Und dann die Kinder: Wenn wir es nicht schaffen, unseren eigenen Kindern den Glauben mitzugeben, ist schon die nächste Generation „verloren“. Ihnen müssen wir daher zuerst helfen, im Glauben auch unter den absehbar schwierigeren Bedingungen von morgen stark zu sein.
Insofern sind wir gesegnet, dass wir miterleben dürfen, wie an vielen Orten Familien als solche „Neue Archen des Glaubens“ entstehen.

Wenn ich so zuhöre, merke ich, dass da vieles gewachsen ist, was gar nicht im voraus genau so geplant war…
Robert: Ja genau. Erst im Rückblick stellen wir fest, was Gott in diesen Jahren alles gewirkt hat. Das beste Beispiel sind die „Helden für Ihn“. Aus ganz Österreich und darüber hinaus sammeln sich da Jugendliche aus Familien, die sich kennen. Obwohl sie sich oft wochenlang nicht sehen, sind sie via Whatsapp verbunden, beten miteinander. Es ist rührend, was sie einander schreiben, um Gebetshilfe bitten… Jeden Tag gibt es eine Betrachtung, die sie abwechselnd verfassen… Da wächst etwas auf Hintergrund der Familien, die untereinander verbunden sind.
Michaela: Die Immaculata hat offensichtlich ihren Schutzmantel über sie und alle Familien gebreitet.

Das Gespräch führte Christof Gaspari.

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