Die Jugend kommt am Sonntag nicht mehr in die Kirche!“ Immer wieder höre ich diese besorgte Aussage. Und zum Teil stimmt sie! Der Altersdurchschitt der pfarrlich sozialisierten Christen liegt vielerorts zumindest über 50 Jahren. Doch ist das schon die ganze Wahrheit?
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: „Nein!“ Es gibt in Österreich sehr wohl Orte und Gemeinschaften, wo Kirchen vor jungen Leuten förmlich übergehen! Bevor ich einige solcher Aufbrüche nenne, hier ein paar vertiefende Gedanken:
Ein gewisses Spannungsverhältnis zwischen Jugend und Kirche besteht nicht nur im deutschsprachigen Raum, wie man vielleicht meinen könnte. Auch auf weltkirchlicher Ebene stellt es eine Sorge dar. Deshalb wird sich im Oktober 2018 in Rom eine Jugendsynode mit dieser Thematik befassen. Geht aber mit der Entfremdung zwischen Jugend und Kirche auch ein Verschwinden der Gebetspraxis einher? Beten junge Menschen heute noch? Das Gespräch mit Gott ist schließlich der wesentlichste Grundvollzug des christlichen Glaubens, und damit ein Indikator, wie gläubig jemand ist.
Es kommt darauf an, was wir unter Gebet verstehen. Meiner Beobachtung nach ist bei jedem Menschen eine gewisse, natürliche „Spiritualität“ vorhanden. Da Jugendliche mit sich und ihren Gefühlen meist noch stärker in Berührung sind als Erwachsene, ist dieser spirituelle Aspekt bei ihnen vielleicht sogar ausgeprägter: Sie fühlen sich einmal getragen, dann wieder verlassen. Eine innere Ahnung, dass im Leben nicht nur das Sichtbare zählt, ist vorhanden.
Die zwischenmenschlichen Beziehungen in der eigenen Familie, in der Schulklasse oder im Freundeskreis sind für sie Quellen der Kraft, aber sehr oft auch des Gefühls der Ohnmacht. In ihrer inneren Not beginnen Jugendliche nicht selten zu beten. Aber auch die Freude in einer engen Freundschaft, kann bei ihnen Gebete der Dankbarkeit auslösen. Manche junge Menschen entwickeln eine spirituelle Neugier und experimentieren mit unterschiedlichen Formen der Meditation. Je nachdem wo sie landen, kann dies hilfreich sein, aber auch sehr bedenkliche, esoterische Züge annehmen.
Aus den Quellen schöpfen
Das große Fragezeichen über all dem lautet: Wie viel haben diese Formen der Jugendspiritualität überhaupt mit echt christlichem Gebet zu tun? Und wie kann es der Kirche wieder besser gelingen, den Jugendlichen Türen zu einer Beziehung mit Jesus Christus zu öffnen?
Meine bisherige Erfahrung ist, dass Jugendliche in Glaubensdingen durchaus herausgefordert werden wollen. Ein Beispiel: Zu unserem jährlichen Pilgern für junge Erwachsene nach Assisi (Marcia Francescana) stoßen durch verschiedene Umstände immer wieder Jugendliche, die normalerweise kaum in die Kirche gehen dazu. Auf dem Pilgerweg jedoch feiern wir täglich die Eucharistie, beten und singen die originalen Psalmen (keine harmonisierten Übersetzungen) und ermuntern zur persönlichen Auseinandersetzung mit dem Wort Gottes. Auch das Sakrament der Versöhnung und gezielt auch jenes der Krankensalbung werden wie selbstverständlich angeboten – natürlich immer ohne irgendeinen Druck auszuüben.
Fühlen sich die „Kirchenfernen“ in der Gruppe dadurch nicht überfordert? Ganz das Gegenteil ist der Fall! Sie haben irgendwie ein Gefühl dafür, ob eine möglichst werbewirksame Light-Version des Glaubens angeboten wird, oder ob dieser Glaube umfassend und ehrlich im Mittelpunkt steht.
Sprache ohne
leere Floskeln
Wichtig in der Begleitung dieser Jugendlichen ist dabei einzig und allein, nicht in eine Sprache der „frommen Floskeln“ hineinzurutschen, sondern jede einzelne Person wirklich ernst zu nehmen. Sie müssen spüren, dass die Eucharistie, das Evangelium, die Beichte usw. etwas mit ihrem ganz konkreten, oft so komplizierten, aber dann auch wieder so schönen Leben zu tun hat.
Außerdem muss das Bewusstsein für die Gradualität in der Nachfolge Jesu immer da sein: Menschen sind in jedem Lebensalter entwicklungs- und lernfähig, aber nicht alles geht von heute auf morgen. Jeder hat sein eigenes Tempo und einen individuellen Weg.
Jugendliche wollen nicht unterfordert werden. Deswegen nehmen sie Tipps zum Thema Gebet aus dem bewährten Erfahrungsschatz der Kirche gerne und dankbar an. Aber da taucht eine Frage für uns „Erwachsene“ auf: Wie viel von diesem Erfahrungsschatz kennen wir überhaupt selber? Schöpfen wir daraus, oder bleibt unser eigenes Gebet über Jahre hinweg seltsam unveränderlich und oberflächlich?
Die großen Meister des Gebets haben so viele, hilfreiche Gedanken aufgeschrieben. Rosenkranz, eucharistische Anbetung, usw. sind gute Gebetsformen. Aber solange sie ohne das Fundament eines wirklich befreienden, immer weiter reifenden Glaubens bloß „praktiziert“ werden, ist es kein Wunder, dass Jugendliche sich zum Beispiel eher von fernöstlichen Meditationsmethoden angesprochen fühlen. Nur wenn wir selber weitherzige und faszinierte Beter werden, können wir jungen Menschen dieses Feuer weitergeben.
Orte der Hoffnung
Ein Ort, an dem dies momentan besonders gut gelingt, ist das jährlich zu Pfingsten in Salzburg von der Loretto-Gemeinschaft veranstaltete „Fest der Jugend“. Heuer waren es um die 10.000 junge Menschen aus Österreich, Südtirol, Süddeutschland und der Schweiz, welche die dortige Altstadt mit ihrer fröhlichen Präsenz bevölkerten. Am Beginn steht dabei immer ein Musical, von Jugendlichen geplant und aufgeführt. Gebetszeiten, Eucharistiefeiern, Katechesen und Workshops zu verschiedenen Themen des Lebens und des Glaubens bilden sozusagen das „Gerüst“ dieses Treffens.
Der Höhepunkt ist der Barmherzigkeitsabend, an dem über 100 Priester für die Beichte zur Verfügung stehen und auch bis spät in die Nacht hinein eifrig in Anspruch genommen werden. Auch ein Marsch auf die Festung Hohensalzburg mit einem Segensgebet über Stadt und Land ist mittlerweile schon zur Tradition geworden. Die Firmung am Pfingstmontag im Dom bildet dann den Abschluss.
Andere jährliche Treffen ähnlicher Art sind das Jugendtreffen in Pöllau (Steiermark), das Key to Life Festival in Marchegg, das Herz-Jesu-Treffen in Innsbruck oder das Christkönig-Treffen in Linz. Außerhalb Österreich seien hier das Adoray-Festival in Zug in der Schweiz oder die Mehr-Konferenz in Augsburg angeführt.
Allen diesen Events ist mehr oder weniger gemeinsam, dass sie junge Menschen in eine lebendige Beziehung mit Christus führen möchten. Außerdem sollen diese ausgerüstet werden, damit ihr Glaube echte Wurzeln bekommt und es nicht bei einer bloß oberflächlichen Begeisterung bleibt. Eine solche würde im Gegenwind des Alltags bald verfliegen, aber wer gelernt hat, aus den Quellen zu schöpfen, wird ein freudiger Zeuge für Christus werden.
Der Autor wurde 2013 zum Priester geweiht und leitet das pastorale Zentrum la Verna für junge Menschen in Maria Enzersdorf.
Kontakt:+43 (0) 676 6245 808, stefan.kitzmueller@franziskaner.at