Wir sollten uns als Christen bewusst machen, dass die Grundausrichtung unserer Politik falsch läuft. Sie bekennt sich nicht zu einem klar artikulierten Menschenbild, sondern managt einen „Fortschritt“, den Wirtschaft, Wissenschaft und Technik vorgeben und der letztlich materialistisch und zunehmend totalitär ausgerichtet ist. Für Christen sei in diesem Umfeld die entscheidende Herausforderung, eine Gegenkultur zu entwickeln und „eine innere Harmonie mit dem Willen Gottes wiederherzustellen,“ schreibt Rod Dreher in seinem Buch Die Benedikt-Option. Und setzt dann fort:
Es handelt sich um Politik auf der fundamentalsten Ebene. Es ist Politik in Kriegszeiten, und wir führen nichts Geringeres als einen Krieg um das, was C.S. Lewis „die Abschaffung des Menschen“ nannte. „Der beste Widerstand gegen die Totalität ist es einfach, sie aus der eigenen Seele zu vertreiben, aus der eigenen Umgebung, aus dem eigenen Land, aus dem zeitgenössischen Menschen,“ sagte Václav Havel. Dasselbe gilt für die zersetzende antichristliche Weltanschauung, die in unseren Tagen, die Diskurshoheit in unseren Gesellschaften übernommen hat.
Im besten Falle legen „Benedikt-Options“-Gemeinschaften (die sich die Regeln des heiligen Benedikts für seinen Orden als Vorbild nehmen, Anm.) ein unwillkürliches politisches Zeugnis gegenüber der säkularen, liberalen Kultur ab, indem sie einen wirkungsvollen Kontrast zu einem Bündel aus zunehmend kalten und gleichgültigen politischen und ökonomischen Vorgängen bilden. Der Staat wird in Zukunft nicht in der Lage sein, sich um alle menschlichen Bedürfnisse zu kümmern – erst recht nicht, wenn die derzeitigen Prognosen bezüglich wachsender ökonomischer Ungleichheit sich bewahrheiten.
Die schiere Menschlichkeit christlichen Mitgefühls und das Konzept menschlicher Würde, das sich in ihm ausdrückt, wird sich als außerordentlich attraktive Alternative erweisen – vergleichbar dem evangelisierenden Zeugnis der frühen Kirche inmitten des dahinschwindenden Heidentums im verbrauchten und entkräfteten Römischen Reich.
Wie soll man nun also anfangen mit der antipolitischen Politik der Benedikt-Option? Grenze dich kulturell vom Mainstream ab. Schalte den Fernseher ab. Leg das Smartphone weg. Lies Bücher. Spiel Spiele. Mach Musik. Feiere mit deinen Nachbarn. Es genügt nicht, nur das Schlechte zu vermeiden, man muss auch das Gute ergreifen. Gründe eine Kirchengemeinde oder eine Gruppe innerhalb deiner Kirchengemeinde.
Eröffne eine klassische christliche Schule oder schließe dich einer bestehenden an und unterstütze sie. Lege einen Garten an und beteilige dich an einem lokalen Wochenmarkt. Bring deinen Kindern bei, Instrumente zu spielen, und gründe eine Band. Tritt der Freiwilligen Feuerwehr bei.
Es geht nicht darum, dass wir aufhören sollten, wählen zu gehen oder uns anderweitig in der konventionellen Politik zu engagieren. Es geht vielmehr darum, dass das allein nicht mehr genügt. Als 1992 durch das Gerichtsurteil im Fall Planned Parenthood vs. Casey das „Recht“ auf Abtreibung bestätigt wurde, sah die Pro-Life-Bewegung ein, dass es auf kurze Sicht nicht möglich sein würde, das Roe vs. Wade-Grundsatzurteil zu revidieren.
Also erweiterte die Bewegung ihre Strategie. Sie hörte nicht auf, Lobbyisten und Aktivisten zu beschäftigen, die den guten Kampf in Washington und den Hauptstädten der Bundesstaaten kämpften; aber auf lokaler Ebene eröffneten kreative Lebensschützer Krisenschwangerschafts-Beratungszentren, und diese erlangten bald zentrale Bedeutung für das Anliegen des Lebensschutzes und retteten zahllosen Ungeborenen das Leben.
Dies ist ein Vorbild, dem wir traditionsorientierte Christen folgen sollten.
Die Zeiten haben sich dramatisch gewandelt, und wir können uns nicht länger darauf verlassen, dass Politiker und Aktivisten den Kulturkampf für uns führen. Es kann nicht oft genug betont werden: Gläubige müssen die gewöhnliche Falle meiden zu glauben, Politik könne kulturelle und religiöse Probleme lösen. (…)
Die tiefgreifenden kulturellen Kräfte, die den Westen seit Jahrhunderten von Gott entfernt haben, werden nicht durch eine einzige Wahl aufgehalten oder zurückgedrängt werden – oder überhaupt durch Wahlen.
Wir glaubenstreue Christen haben uns das innere Exil in einem Land, von dem wir dachten, es wäre das unsere, nicht ausgesucht, aber so ist die Situation nun einmal. Wir sind jetzt eine Minderheit, also lasst uns eine kreative Minderheit sein – eine, die warme, lebendige, lichterfüllte Alternativen zu einer zunehmend kalten, toten und dunklen Welt anbietet.
Wir werden mehr und mehr an Einfluss verlieren, aber wir können uns von mönchischer Weisheit leiten lassen und dies demütig als eine von Gott gesandte Gelegenheit annehmen, uns zu läutern und zu heiligen.
Der Verlust politischer Macht ist womöglich genau das, was die Seele der Kirche rettet. Indem wir aufhören zu glauben, das Schicksal des Amerikanischen Imperiums läge in unseren Händen, bekommen wir die Hände frei, um für das Königreich Gottes in unseren eigenen kleinen Auen zu arbeiten.
Aus: Die Benedikt-Option – Eine Strategie für Christen in einer nachchristlichen Gesellschaft (S. 159-162). Von Rod Dreher. Fe-medienverlag, 398 Seiten, 19,95 €. Siehe Besprechung S. 20.