Kennen Sie den Begriff Transhumanismus? Da geht es um Bemühungen, einen neuen Menschen zu schaffen. Technische Neuerungen beflügeln die Phantasie:
Man werde die geistigen Fähigkeiten des Menschen ausweiten, den Tod abschaffen…
Der Mensch, der 150 Jahre alt werden wird, ist schon geboren… Die künstliche Gebärmutter wird Frauen von der Schwangerschaft befreien… Wir werden den Weltraum besiedeln, um die Probleme der Überbevölkerung auf der Erde zu lösen… Die gewagtesten und verrücktesten Versprechungen der Transhumanisten werden mit größter Ernsthaftigkeit zum Besten gegeben und lösen Schock, Faszination oder Schrecken aus. Wie kam es dazu?
Diese kulturelle und philosophische Bewegung hat in den 60-er und 70-er Jahren Schwung aufgenommen. Damals fanden einige von den grenzüberschreitenden Träumen der Hippies beflügelte und von progressiven Ideologien beeinflusste Technik-Freaks zueinander. Und seit ein oder zwei Jahrzehnten breitet sich dieses Denken im Westen, ja bis nach China und Japan aus. Sein Publikum wächst und wächst. Auch wenn es in diesem Dunstkreis unterschiedliche Sichtweisen gibt – insbesondere zwischen Europäern und Angelsachsen –, haben sie doch gemeinsame Grundanliegen.
Das Ziel? Einen neuen, unsterblichen, von Mängeln wie Schmerz, Behinderung, Krankheit oder Alterung befreiten Menschen zu schaffen, befreit auch von den Zwängen der Geschlechtlichkeit. Dieser Traum ist nicht wirklich neu. Hesiod, der griechische Poet des 8. vorchristlichen Jahrhunderts, beschreibt bereits ein goldenes Zeitalter der Menschheit, in welchem der Mensch wie die Götter lebt…
Man könnte über all das lächeln, die Achseln zucken – nur dass seit den Jahren um 2000 die Fortschritte in der Nano-, der Bio- sowie der Informationstechnologie immer mehr Dinge möglich machen. Zum Guten wie zum Bösen. Regelmäßig lenken neue Entdeckungen die Aufmerksamkeit auf sich. Ihr Ursprung ist oft Silicon Valley in Kalifornien, Brutstätte der Digital-Riesen (Google, Amazon, Facebook, Paypal, Apple…). Aber auch in China investieren Laboratorien Milliarden Dollar in die Heraufkunft des Übermenschen.
Im Folgenden eine kleine Kostprobe von dem, was es schon gibt oder was gerade entwickelt wird: das Einpflanzen von elektronischen Chips in den Körper oder von Mini-Computern ins Hirn, Eingriffe in die menschliche Erbmasse, um diese zu „verbessern“, die Jagd auf Embryos, die verdächtigt werden, krank oder behindert zu sein, die Umwandlung von harmlosen Stammzellen in Keimzellen, auf dass jeder Anspruch auf ein Kind habe, intelligente und autonome militärische Roboter…
Eine Utopie? Täglich werden neue transhumanistische Ideen verwirklicht. Und weltweit treten die in diesem Sektor führenden großen Unternehmen (die digitalen Riesen ebenso wie Neugründungen im Bereich Biotechnologie) an Universitäten und Hochschulen heran, um junge Spitzenkräfte zu engagieren.
Die Finanzwelt mischt bei dieser Entwicklung mit. Auf dem Hintergrund der Krise von moralischer und geistiger Ausrichtung, wirtschaftlicher Flaute und Erschöpfung fossiler Ressourcen, ist die Bio-Wirtschaft ein Hoffnungsgebiet für das Wachstum. Für viele Industrielle, Politiker und Wissenschafter tut sich hier eine neue Zukunft auf.
Es ist an der Zeit, davor nicht mehr die Augen zu verschließen, um zu erkennen, welche Gruppen diese Ideologie verbreiten und warum das so viele fasziniert. Denn für viele Philosophen und Anthropologen ist der Transhumanismus Zeichen eines post-liberalen, materialistischen, desorientierten Materialismus. „Ideologien, welche die Realität misshandeln, halten nur zwei bis drei Generationen,“ erklärt die Psychoanalytikerin Marie Balmary. In der Zwischenzeit aber richten sie Schaden an, der für die Menschheit gravierend sein kann, besonders für die Schwächsten. Aber auch für die Umwelt. Durchaus zu befürchten ist auch, dass es in manchen Bereichen einen Punkt gibt, ab dem es keine Rückkehr mehr gibt, ja, dass es sogar – warum nicht? – zur Zerstörung oder Auflösung der Schöpfung kommt, denn die finanziellen und industriellen Mittel sind da enorm.
(…) Dieses Thema muss uns als Gläubige beschäftigen. Die Welt sei voller verrückt gewordener christlicher Werte, stellte G.K Chesterton fest. Die Christen haben klare Antworten auf diese durchaus berechtigte Ablehnung von Tod und Krankheit, auf den Wunsch nach Rettung der Menschheit. Wir müssen bekannt machen, dass der Retter schon gekommen ist. Im Allgemeinen verachten und karikieren die jungen Akteure des Transhumanismus die Religion – aber sie kennen diese kaum.
Famille Chrétienne v. 16.2.18